Ebenso vernahm man einige Verse, die pathetisch sein sollten, immer wieder, mochten sie zur Szene passen, oder nicht. Was mich anzog, war das eigentlich Dramatische, das sich in diesen rohen Versuchen offenbarte: denn eine sonderbare Geschichte, irgend etwas Seltsames wurde so vorgetragen, daß die Aufmerksamkeit gefesselt wurde. Freilich standen diese Schauspieler in keiner Achtung, sie zogen auch im Lande umher, wenn in London die Zuschauer ihre Künste oft genug gesehn hatten; von den Dichtern sprach man nicht, es schien die Sache so eingerichtet, daß fast jedermann dergleichen schreiben konnte, die Einnahme kam hauptsächlich dem Unternehmer zugut, der die Bühne gebaut hatte.
Als ich wieder in meinem kleinen Geburtsort, in meinen Geschäften und meiner Familie war, stand mir alles, was ich auf diesen Reisen gesehn, mit den lebhaftesten Farben vor Augen. Ich schwelgte in diesen Erinnerungen und konnte mich in meine Aufgaben und in mein Leben noch weniger finden. Ich dachte oft nach, welches denn wohl mein eigentlicher Beruf sein könne, und weinte manchmal bitterlich, daß ich, wegen der Armut meines Vaters, die Universität nicht besuchen könne. Sah ich die Bestimmung des Gelehrten an, so schien sie mir freilich auch nicht ohne Beschwer und Dornen, und ich fürchtete wieder, meine Fähigkeiten wären für solche Laufbahn zu geringe. Ich konnte es nicht unterlassen, ein Schauspiel in der Art zu entwerfen, wie ich die Spiele in der Stadt gesehen hatte. Ich erkundigte mich in der Nachbarschaft nach den Familien, von denen einige mit uns verwandt, und deren Söhne in London Schauspieler waren. Diese Verwandtschaft hatte mein strenger Vater bei jeder Veranlassung mit Heftigkeit abgeleugnet; er behandelte diese unglücklichen Menschen wie Bösewichter. Als er es daher erfuhr, daß ich diese Leute auf dem Dorfe aufgesucht, mit zweien dieser Spieler, die zum Besuch herübergekommen waren, Bekanntschaft gemacht, als er die Blätter fand, in denen ich selbst eine Komödie entworfen hatte, so stieg sein Zorn zu einer furchtbaren Höhe. Er drohte mir mit seinem Fluch, wenn ich diesen gottverhaßten Wegen nicht auf immerdar den Rücken kehrte. Ich versprach es, ohne es halten zu können, denn diese Bekanntschaft hatte ungesucht andre nach sich gezogen: einige junge Leute, denen meine Widerspenstigkeit gegen meine Familie gefiel, schlossen sich mir an, und führten mich zu ihren Belustigungen, wenn ich das Haus nur irgend verlassen konnte. Kleine Wanderungen wurden unternommen, unschädliche Torheiten versucht, Lieder gesungen, deren ich selbst einige dichtete, Nachbarn geneckt und hübsche Mädchen mit Blumen, Kränzen und Ständchen beschenkt. Ich war der Jüngste dieser fahrenden Gesellschaft und ergab mich mit so heftiger Leidenschaft diesem Zeitvertreib, daß ich bald meinem Vater unnütz, und nur eine Last meiner Familie war, die sich indessen ansehnlich vermehrt hatte. Mein Vater, welcher sah, wie ich mit zunehmendem Alter nur unbrauchbarer würde, schien mir seine Liebe ganz zu entziehn und gleichgültig gegen mein Treiben zu werden; meine weichgestimmte Mutter fand ich oft in Tränen, deren Bitten und Ermahnungen mich rührten, mir aber doch die Kraft nicht gaben, mein Geschäft mit Ernst zu treiben, oder meine übermütigen Kameraden zu verlassen.
So hatte ich mein achtzehntes Jahr erreicht. Die Einwohner von Stratford, das sagte mir jede ihrer Mienen, auch hörte ich es wohl von meinen lustigen Freunden, betrachteten mich wie einen ungeratenen Sohn, der seinen Eltern nur Kummer machen könne; die älteren Bekannten entzogen sich meinem Umgang und die Lehrer auf der Schule, wenn sie mir begegneten, nahmen die Miene an, mich gar nicht zu kennen. Bedurfte aber in der Nachbarschaft ein Jüngling eines Liedchens, um es seiner Braut oder Geliebten vorzusingen, galt es, eine Lustbarkeit zu veranstalten und einzurichten, einen Aufzug oder eine Mummerei zu erfinden, so wendeten sich alle an mich.
Nur ein Wesen, das zu meiner frühern Bekanntschaft gehörte, hatte sich gegen mich auf keine Weise verändert. Jene Johanna Hathaway, die ältere Spielgenossin meiner Kindheit, die mich jetzt noch mit demselben Vertrauen, wie ehemals, aber freilich auch wie einen Knaben behandelte. Sosehr mir die schönen Mädchen der Landschaft gefielen, so viele Reize meine Phantasie auch entzündeten, so war ich doch durch meine Unerfahrenheit und Jugend zu blöde, mich ihnen vertrauend zu nähern, oder von meinen Empfindungen und ihrer Schönheit zu sprechen. Nur dieser Johanna, die damals schon fünfundzwanzig Jahr alt war, hatte ich den Mut, im Ernst und Scherz alles zu sagen, was mein Gemüt erregte. Ich habe oft bemerkt, daß den Jünglingen, die soeben die Schwelle der ersten Jugend verlassen, diese reifen weiblichen Schönheiten gefährlicher sind, als die erst aufblühenden, die dem ausgebildeteren oder älteren Manne so reizend erscheinen. Niemals aber war unter uns von Leidenschaft oder Liebe die Rede, auch konnte es mir niemals einfallen, am wenigsten in meiner hülflosen Lage, irgendein Mädchen, am wenigsten Johanna, so in die Augen zu fassen, als ob sie meine Gattin werden könne. War ich doch auch noch so jung und unbedeutend, daß alle älteren Leute mich nur wie einen Burschen behandelten, man hätte mich verlacht, wenn ich um die Tochter einer Familie angehalten hätte. Und von Johanna, die alle Liebe und Zärtlichkeit verlachte, glaubte ich und jedermann, daß sie fest entschlossen sei, sich niemals zu verheiraten. Ihre Eltern und Verwandten hatten sich auch schon an diesen Gedanken gewöhnt, und verschonten sie mit neuen Vorschlägen und Freiern.
Es war wieder die Rede davon gewesen, da ich es in meiner Heimat fast mit allen Menschen verdorben und ihr Zutrauen verloren hatte, nach Coventry oder Bristol zu gehn, um dort unter einem tüchtigen Rechtsgelehrten zu arbeiten. Einige aus der Familie Hathaway, unter diesen Johanna, waren auf eine Hochzeit auf ein benachbartes Dorf hinaus geladen, die ein reicher Pächter feierte. Aus andern Ortschaften schlossen sich Mädchen, Jünglinge und Alte dem Zuge an, und ich, eigentlich nur von meiner Beschützerin Johanna eingeladen, wanderte mit ihnen. Wir tanzten, zechten, waren vergnügt, vorzüglich am letzten Tage des Festes und begaben uns gegen Abend singend und jubelnd auf den Rückweg, um den Ort, wo Johanna wohnte, noch vor der Nacht zu erreichen; von dort hatte ich nur noch eine halbe Stunde etwa nach Stratford. Über Hügel, durch kleine Wälder schritt die fröhliche, von Wein und Lachen begeisterte Gesellschaft hin, zu zwein und dreien, eine andre Gruppe von mehr Figuren zusammengesetzt. Fast aus heiterm Himmel überfiel uns plötzlich ein furchtbarer Orkan, Wirbelwind, Staub, Donner und Blitz und unmittelbar darauf Hagel und ein so stürzender Platzregen, als wenn die Wolken brächen.
1 comment