Die ersten Eindrücke meiner Jugend waren finster. Die Mutter nahm sich meiner an, ihr Gemüt war heiter und sinnig, und ihr Gedächtnis hatte wunderbare Märchen, alte Sagen und Geschichten aufbehalten, die sie mir gern erzählte. Als die Nachricht von der furchtbaren Bartholomäusnacht nach England kam, wendeten sich viele Proselyten, oder die dem alten Glauben sich wenigstens zugeneigt hatten, wieder ab. Dieser Schlag, der alle Herzen erschütterte, brachte mehr Ruhe in die Familien, und die Sache der Protestanten gewann durch ihn.
Von jenem Schwank in Kenelworth, der kleinen Begebenbenheit, die sich mit mir dort zutrug, habe ich schon sonst einmal erzählt. Mein Vater blieb aber doch immer unzufrieden mit mir, denn meine Fortschritte in der Schule waren nur langsam. Diese Freischule in der Gildenhalle am Markte werde ich niemals vergessen. Wenn ich dort auf der alten Bank hinter den wurmzernagten eichenen Tischen saß, entging mir nur zu oft mit der Aufmerksamkeit aller Sinn und Verstand, und ich fürchtete oft, ganz zu verdummen. Möchte man nicht oft auf die Meinung geraten, die Einrichtung dieser Schulen sei mit Scharfsinn so getroffen worden, um die Kinder von Klugheit, Witz und Gelehrsamkeit abzuhalten, damit zu viel Verstand der bürgerlichen Gesellschaft keinen Schaden brächte! Dieses ewige Einerlei, dieses unnütze Wiederholen von schon bekannten Gegenständen, wo nie auf den Rücksicht genommen wird, der schneller begreift, sondern nur auf den Stumpfsinnigen, brachte mich oft zur Verzweiflung. Eben dieses Wiederkehren derselben Gegenstände hinderte mich, sie im Gedächtnis festzuhalten, und ein Ekel gegen alles Lernen bemächtigte sich meiner so sehr, daß ich nur mit Grausen an diese Schule und ihre Lehrer dachte.
Mein armer Vater war in seinem Gewerbe zurückgekommen, und wünschte bald eine Hülfe in seinem Haushalt und der Rechnungsführung zu haben. Mir war es ganz recht, daß er mich ziemlich früh aus der Schule nahm und mir im Hause selbst einen Lehrer hielt, indem ich zugleich ihn in seinen Geschäften unterstützte. Es war natürlich, daß ich mit einigen Burschen meines Alters Bekanntschaft machte, die mich auch wohl auf die Dörfer hinaus, oder zu kleinen Festen mitnahmen. Mein Vater, der einen ganz sonderbaren Begriff von Tugend hatte, nannte dies in der Regel Bosheit und Sünde, und war nicht leicht dahin zu bringen, zu dergleichen Zerstreuungen seine Erlaubnis zu geben. In der Familie Hathaway brachte ich viele Zeit hin; der muntre, kräftige Bruder war ein sehr vergnüglicher Gesellschafter, und die Schwester Johanna ging mit mir wie mit einem jüngern Bruder um, denn sie war acht Jahr älter als ich. Diese Leute, sowie manche andre in meinem Geburtsort wie in der Nähe, waren gütig und freundlich mit mir, ich merkte aber doch, daß sie mich für einen Burschen hielten, der zu nichts zu brauchen sei und aus dem niemals etwas werden würde. Wenn man die Menschen recht genau kennt und täglich mit ihnen umgeht und sie stündlich, auch ohne es zu wollen, beobachtet, so ist in jedem, auch demjenigen, der nicht auffällt, etwas Wunderbares und Unbegreifliches. So war diese Johanna. Sie war schon längst ein reifes Mädchen, dessen Schönheit sich entwickelt hatte, als sich noch immer kein Freier für sie fand; oder vielmehr scheuchte sie durch Scherz, Munterkeit und sprödes Wesen alle Bewerber zurück, denn es fanden sich viele, da sie ein kleines Vermögen besaß. Freundlich war sie mit jedem, sie scherzte und lachte gern, sie wurde aber mit niemand vertraut. Wenn der Bruder mit ihr darüber scherzte, daß sie keine Ehefrau werden wollte, so wies sie auf mich, den sie immer ihren Mann nannte, und der noch Knabe war. Im Hause meines Vaters war meine Lage so peinlich, daß ich es bei einem Rechtsgelehrten in der Nachbarschaft versuchte, dem ich schrieb und von ihm manches lernte. Bei ihm lernte ich einen jungen Mann kennen, der die italienischen Autoren liebte und las; er war willig genug, mir die Sprache zu lehren, welche alle kannten, die zu den feinern Menschen gehörten. Ich war fleißig, denn ich lernte mit Lust, Tag und Nacht studierte ich in den Dichtern, die mich bezauberten, aber mein alter Rechtsgelehrter führte laute Klagen und Beschwerden, so daß ich nach acht bis neun Monaten sein Haus wieder verließ.
Jetzt konnte ich freilich meinem Vater wieder etwas nützlicher werden, der mich auch gern wieder aufnahm, weil ich ihm einen andern Gehülfen ersparte. So hatte ich mein sechzehntes Jahr erreicht, als ich einmal in einem Geschäft mit einem Verwandten nach London kam. Die Reise dahin, der Anblick der großen Stadt, des Stromes, der Brücke, der Schiffe, der Handelstätigkeit, alles das erhitzte meine Phantasie und bezauberte mich. Ich war mit der Geschichte des Landes nicht unbekannt, denn mein Vater las selbst die Chroniken gern, die damals im Druck erschienen. Sooft ich mich von dem Verwandten losmachen konnte, durchstreifte ich die Stadt und betrachtete bald dieses, bald jenes, ging in die großen Schenkhäuser, in St. Pauls, suchte den Londoner Stein auf, und alle die Stellen, die durch irgendeine Begebenheit, die hier vorgefallen, merkwürdig sind; so auch den Tower, der mir höchst ehrwürdig erschien, den Palast der Königin, die Werfte, und auch Windsor und einige andre Lustschlösser, wie Non Such, hatte ich zu besuchen Gelegenheit. Wie war mein Geburtsort klein und unbedeutend, und wie sehr wünschte ich, in diesem großen London leben zu können.
Was mich aber am meisten anzog, waren einige Theater, die vor nicht gar langer Zeit erst waren gebaut und eröffnet worden. Was ich als Kind im Schloß Kenelworth gesehen, was ich als Dialog und Drama wohl bisher gelesen hatte, konnte sich meiner Imagination nicht bemächtigen. Es war auch nicht, daß ich hier etwas Vortreffliches sah und hörte, denn vieles, das Spaßhafte vorzüglich, war nicht aufgeschrieben, die Spielenden sagten es nur so aus dem Kopfe her, und gewisse Scherze kamen in allen Stücken wieder vor.
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