Alles floh, ohne daß einer vom andern wußte, oder ihn nur noch sehn konnte, die nach dem nahen Walde, jene rannten seitwärts und tauchten in einem Gebüsch unter, ich stürzte mich in eine offenstehende Scheune, unfern vom Wege, und Johanna, die mir folgte, mit mir. Keiner der übrigen folgte uns in der Finsternis.
Wir lagerten uns im duftenden Heu, indessen es draußen stürmte und donnerte. Die Wut der Elemente schien nicht ermüden zu können. So führt Virgil unter ähnlichen Umständen den Äneas und Dido in die sichere Höhle und bricht in seinem Gesange ab, und so erlaubt mir, Geliebtester, auch in meiner Erzählung nicht weiter fortzufahren.
Wir kamen erst spät in der Nacht nach Hause. Ich konnte nicht zurückdenken und nicht fassen, wie mein Schicksal diese Wendung genommen hatte. Was mir noch gestern als das Unmöglichste erschienen wäre, hatte sich begeben, und ich konnte nichts ersinnen, was nun geschehn solle oder könne. Johanna kam in den nächsten Tagen nicht zu uns. Ich träumte nur so hin und verlor mich in finstern Gedanken und quälenden Empfindungen.
Nach einigen Wochen, als ich nach einem vollendeten Geschäft in unsre Wohnung trat, fand ich Johanna weinend und tief beschämt in den Armen meiner Mutter, der sie sich entdeckt hatte. Ich zog mich auf mein Zimmer zurück. Noch an demselben Abend ward der Vater zum Mitwisser des Geheimnisses gemacht und im Rat beschlossen, daß ich in wenigen Tagen mit Johanna verheiratet werden solle.
Können finstre Menschen, die sich immerdar von Zorn und Verdruß übereilen und ihr Leben stören lassen, es oft nicht über sich gewinnen, kleine Sachen leicht und schnell in Ordnung zu bringen, sind sie stets mit sich im Kampf und fürchten mit übertriebener Ängstlichkeit Aufsehn oder Nachrede, Spott und Verleumdung, so sind dieselben auch wohl, wenn Pflicht oder Notwendigkeit das Seltsame und Unerhörte gebieten, schneller beraten und besser gefaßt, als der Leichtsinnige und Heitre. Hätte man noch vor einigen Tagen von einer Frau für mich, auch einer reichen gesprochen, mein Vater würde den Vorschlag als einen aberwitzigen mit Zorn und Verachtung zurückgewiesen haben. Nun aber ließ er schnell alle andern Rücksichten fahren, gab seine Einwilligung, traf die nötigen Anstalten, und kündigte mir meine Bestimmung an, ohne auch nur ein zorniges Wort oder eine eindringliche Ermahnung hinzuzufügen. So wurde ich denn mit dem Wesen getraut, das ich seit meiner frühesten Kindheit gekannt hatte, und die mir in meinen Knabenjahren fast wie eine zweite Mutter erschienen war. In der Stadt und Umgegend war es nicht erhört, daß ein Jüngling meines Alters war vermählt worden, selbst die ältesten Greise konnten sich eines solchen Falles nicht erinnern, und gutgemeinter Scherz wurde so wenig wie bitterer Spott geschont, worüber ich und Johanna immerdar beschämt waren, worüber die Mutter weinte, das aber den festen Vater nicht anfocht.
Die Nachforschenden, die bösen Zungen kamen so ziemlich auf die wahre Ursach, weshalb diese sonderbare und ungleiche Heirat so plötzlich war geschlossen worden. Ich bewohnte mit meiner Frau einige Zimmer unten im Hause meines Vaters. Mir schien meine Jugend, ja mein Leben völlig beschlossen. Mit der steifsten Ernsthaftigkeit widmete ich mich jetzt den Geschäften, die mir mein Vater auftrug, von allen meinen Bekanntschaften zog ich mich zurück, und indem ich nun alle meine Aufmerksamkeit den nächsten Pflichten widmete, entdeckte und fand ich so vieles anders, als ich es bis dahin betrachtet hatte. Mein Vater behandelte mich im schroffsten Gegensatze gegen sein früheres Benehmen ganz wie seinesgleichen, als wenn ich dieselben Kenntnisse wie er und dieselben Jahre hätte. Indem ich die ganze Verwickelung seiner Verhältnisse kennenlernte, glaubte ich nun auch einzusehn, daß er selbst großenteils seine zunehmende Armut verschuldet habe. Fast immer war er von einem Unternehmen, von einem Versuch zum andern gesprungen, hatte seine Freunde von sich gestoßen, seine Gläubiger ungeduldig gemacht, und durch Ängstlichkeit und Borgen bei geringeren und zweideutigen Menschen seinen Kredit geschwächt. So hatte er, indem seine Familie jährlich zunahm, im Verlauf der Zeit sein Vermögen, welches anfangs bedeutend genug war, geschwächt und seinen Handel nicht begründet. Als ich aber einmal und auf gelinde Weise ihm dieses zeigen und ihm raten wollte, behandelte er mich in seiner jähzornigen Art wie den gröbsten Verbrecher, ja wie einen Vatermörder, so daß ich gezwungen war, meinen Rat, auch wenn er mir der beste schien, zurückzuhalten. Meine Frau war zärtlich gegen mich, behielt aber immer jene Herablassung bei, jene angewöhnte Art, mich wie einen Geringeren und Einfältigeren zu behandeln. Ihre Brüder und Verwandten aber sprachen von mir, wie von einem leichtsinnigen, ja schlechten Menschen und vermieden mich ganz.
So wurde mir im folgenden Jahr, für die Spötter zu früh nach der Trauung, eine Tochter geboren. Mein Vater ließ eine gewisse Eitelkeit bemerken, daß er durch mich so früh zum Großvater geworden sei. Nur wurde unser gutes Verhältnis, das nur ein erzwungenes gewesen war, bald wieder gestört. Da ich die Verwirrung in den Sachen meines Vaters und seine ungeschickte Heftigkeit, durch die er niemals zum Ziel gelangen konnte, eingesehn hatte, hielt ich es für meine Pflicht, das mäßige Vermögen meiner Frau anderweitig sicherzustellen, damit es nicht ebenfalls in übereilten Spekulationen verschwinde. Die Verwandten Johannens hatten mir, weil es ihr Vorteil war, hierin beigestanden. Mein Vater aber, der im stillen wohl auf die Summe gerechnet hatte, um seinen Angelegenheiten wiederaufzuhelfen, empfand dies sehr übel. Er deutete es sich als den Verrat eines ungeratenen, lieblosen Sohnes, der aus Bosheit dem Wohlsein des Vaters entgegenstrebe.
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