Und dies Werk, wie einiges von unserm zu früh verstorbenen Greene und des besseren Marlowe verkündigen durch Glanz und Wärme einen schönen poetischen Frühling, der vielleicht bald anbricht.«

»Vom Theater«, sagte Cuffe, »erwartet Ihr, junger Herr, etwas Großes? Von dieser Anstalt, die bei uns so roh sich gebildet hat, die, wie die Bärenhetze, nur das gaffende müßige Volk herbeiziehen soll?«

»Und warum nicht?« fuhr der Jüngling lebhaft fort: »es ist schon viel geschehen und noch Größeres kann sich erfüllen. Ihr alle, meine Herren, scheint Euch um diese theatralischen Belustigungen, die Euch vielleicht nur für den Pöbel eingerichtet dünken, wenig oder gar nicht bekümmert zu haben. Euch schweben, auch dunkel vielleicht nur, die großen Gebilde der griechischen Bühne vor, oder gar die frostigen der Italiener, die sich eine so vornehme Miene geben und wahrlich das Volk niemals berührt haben. Und so begeht Ihr, Herr Cuffe, nach meiner Einsicht doch einen ähnlichen Fehler, wie jene, die nur die lateinischen Verse für Gedichte halten wollen, und welchen Irrtum Ihr ebenso scharf rügtet, denn Ihr entzieht Euch ebenfalls der Kenntnis einer herrlichen Erscheinung, die Ihr verschmäht, weil sie so unmittelbar, ohne mit Gelehrsamkeit zu prunken, aus dem Volke aufwächst, ein nahes, immer wiederkehrendes Bedürfnis befriedigt und sich ohne Schutz der Großen, oder Anempfehlung der Gelehrten ausbildet.«

»Ihr mögt nicht unrecht haben«, antwortete Cuffe, »denn ich bin in dieser Gegend unsrer Poesie, wenn Ihr die Sache so zu nennen beliebt, völlig unwissend. Was ich vor Jahren sah, schien mir unbedeutend und ganz verwerflich, im Druck ist von diesen Dingen fast nichts erschienen; und was so ein Gorboduk, ein steifgezimmertes Wesen, das die Universitäten preisen, Großes bedeuten kann, vermag ich nicht einzusehn.«

»Willy!« rief der schöne Jüngling zu jenem Fremden, der bisher nicht mitgesprochen hatte, hinüber; »du sagst nichts?«

»Ich höre und lerne«, sagte dieser bescheiden; »wenn die Poesie, wie man sagt, göttlicher Abkunft ist, so erwählt sie vielleicht unbekannte Gegend und unscheinbare Geburt, um ohne Störung und zu frühen Widerspruch in ihrer prophetischen Kraft aufzutreten. So stand die Wiege Homers an einem Ort, den die Menschen nie wieder haben auffinden können, und Thespis wußte selbst nicht, was er aus den fröhlichen Dörfern nach Athen brachte, weil aus schlichtem Spaß und Gesang bald die Tragödie erwuchs. Der geehrte Herr Camden durchstreift mit Beschwer und Aufopferung die Provinzen, untersucht die alten Denkmale, sammelt Inschriften, bemüht sich um zerbrochene Steine – diese edle Bemühung ist ebenso patriotisch, als sie mir poetisch erscheint, denn es ist ein Bestreben, unser oft geschmähtes Land zu kennen und zu verherrlichen, uns die Vergangenheit und verdunkelte Zeiten zur Gegenwart zu erheben; – vielleicht mißlicher, aber nicht ganz zu verwerfen, möchte das Bestreben eines Aufmerksamen sein, aus den Anfängen, die uns unsre Poeten gegeben, und aus den Versuchen, die uns neuerdings unser Theater gezeigt hat, unsre künftige Dichtkunst und ihr eigentliches Wesen im voraus zu lesen oder zu ahnden.«

Camden nickte beifällig und sagte: »Gut gesprochen! der Gedanke hat meinen Beifall. Wir haben alle immer so wenig Zeit, das zu beachten, was häufig vor unsern Füßen liegt; und so verliert man denn auch wohl den Sinn, um zu sehn und zu verstehen, was nicht schon von selbst zu den Begriffen paßt, an die wir uns seit lange gewöhnt, oder zu jenen Gedanken, die wir erlernt haben. Wüchse alle Wissenschaft nicht und veränderte sie sich nicht, so wäre sie eben nicht Wissenschaft: und doch kämpfen wir nur gar zu gern und voreilig, die wir im Besitz derselben zu sein glauben, gegen jede Erneuerung, oder jeden Widerspruch, weil wir sie ohne Untersuchung für Angriff halten, der uns um unser Eigentum bringen will.«

»Es ist auch vielleicht recht gut«, sagte der bescheidene Fremde, »wenn man diesem aufkeimenden Frühling Stille und Ruhe gewährt. Die Pflanzen und Blumen müssen sich erst fest im Boden gründen; mit Zweifeln sie angreifen und erschüttern, die Wurzeln entblößen, um nachzusehn, ob sie auch wachsen können, hieße gewiß ihren Wachstum stören. Die Großen beschützen nicht leicht, ohne auch an Wissen und Kunst ihre bestimmten Anforderungen zu machen, die Gelehrten unterstützen selten in anderer Absicht, als ihre Meinungen und Erwartungen, die oft spitzfindig sind, oder ganz außerhalb der Sache liegen, in den Poesieen wiederzufinden, die sie befördern wollen.«

»Wieder sehr verständig gesprochen«, sagte Camden lächelnd: »nach Eurer Meinung sollten die Herren Dichter sich vor den Gelehrten, Philosophen, Grammatikern, Philologen, und wie sie alle heißen mögen, eher zu hüten haben, als daß sie Ursach hätten, den Umgang und die Freundschaft mit ihnen aufzusuchen. Es brauchen freilich nicht immer wilde Soldaten zu sein, die die künstlichen Kreise des Archimedes stören.«

»Wenn der Gelehrte«, fuhr der Fremde fort, »der die Griechen und Römer kennt und auch wohl ein Freund der neuen Poesie zu sein glaubt, nach jenen Mustern der Alten jetzt für unser Theater schreiben wollte, das schon durch den Beifall des Volkes einen bestimmten Charakter angenommen hat, so könnte er schwerlich gefallen, wollte er aber, mit noch so guter Meinung, raten und tadeln, so könnte er nur irremachen.«

»Sehr wahr«, antwortete Camden, »der Widerspruch eines Aristophanes wird erst erfreulich, wenn auf der fest gegründeten Bühne der verehrte und geliebte Euripides über den Gegner und dessen Späße lachen kann, wie das erfreute Volk. Hätte ein so scharfer Geist ebenso gegen den Anfang des Äschylus gewütet und Partei gemacht, so konnte er die athenische Bühne, wenn nicht vernichten, so doch ihr eine andre, wohl nicht so großartige Richtung geben.«

»Wie oft«, fiel Cuffe ein, »mag etwas Ähnliches schon im Verlauf der Zeiten geschehen sein. Hat dagegen Kunst oder Poesie erst Wurzel gefaßt und kommt die Zeit dem Schmuck der Welt mit Liebe entgegen, so kann schon viel Verkehrtes, Törichtes und Irremachendes geschehn, ohne daß die dichten Bäume, die sich gegenseitig schützen, an Blüte und Frucht sonderlichen Schaden litten. Mit den Begebenheiten der Geschichte ist es nicht anders beschaffen. Wir sehn oft eine große Veränderung, eine Umwälzung der Dinge sich erst schwach, und immer stärker und stärker ankündigen, bis endlich der Geist der Begebenheit sich ganz und vollständig gekräftigt hat; nun beherrscht und zerstört er, indem er alle die Mächte an sich zieht, die sich in der Stille ihm entgegengebildet haben. Darum keine größere Kurzsichtigkeit der Mächtigen und Regenten, als wenn sie eine Tat oder einen Mann verlachen, die sie für diesen Augenblick bezwungen haben. Derselbe Geist kehrt doch einmal in der gottgewirkten Rüstung des Achilles wieder, und erschlägt nicht bloß Krieger des Heeres, sondern Hektorn selbst, Trojas Hoffnung und stärksten Pfeiler. Wiklef mußte fallen, Huß ward verbrannt, aber Luther siegte.«

»Ob so unbedingt zum Glück der Welt«, warf der schöne Jüngling keck ein, »ist eine Frage, die zu lösen bleibt.«

Camden sah verdrüßlich auf. »Nein, meine Freunde«, rief er, »laßt uns, und den lieben jungen Herrn bitte ich inständig darum, unserm Gespräch nicht eine solche Wendung geben, daß wir es alle bereuen und uns gegenseitig hassen müßten. Ob sich, wie Erasmus und andre gutmeinende edle Männer dachten, die alte Hierarchie verstockter Priester, der Druck der Gewissen, die Hemmung des freien Denkens und Entwickelns auf gelindere Weise lösen, und der unter Formeln eingeschnürte Geist entbinden ließe, ist eine bedenkliche Frage: bedenklich, schon indem sie nur aufgeworfen wird, denn es zeigt an, daß der Frager mit dem großen Gange des Schicksals selbst nicht einverstanden ist, welches dieses Zerhauen des Knotens, statt der Auflösung, zuließ. Wir Engländer aber, wollen wir gegen die gütige Vorsehung nicht undankbar sein, müssen den Bruch mit Rom segnen, und uns, nach den Erfahrungen, die wir gemacht haben, von jedem Zweifel, wie von einem Verrate, abwenden. Darum lassen wir keine Erörterung der Art zu, weil auch die kleinste einen Tadel unserer großen Königin enthält. Hofft Ihr aber, liebes Kind, auf eine Entstehung und Blüte eigentümlicher vaterländischer Poesie, so kann sie gewiß nur auf dieser Reformation, auf der Freiheit begründet sein, sie muß diese großen Interessen unseres Staates und der Welt aussprechen und erklären, des Bürgers und Menschen edle Freiheit, die Kraft des Geistes, den Tiefsinn der Geschichte. Dann sehn wir auch vielleicht etwas anderes, als die Gleichgültigkeit eines Ariost, die alles Zufällige nur mit Phantasie willkürlich aufschmückt, oder als die geputzte Rechtgläubigkeit des Tasso. In lebendiger Kraft kämpfte Dante schon gegen der Priester Verfinsterung: großgeistig, aber doch nur als Ghibelline, aus seiner Partei. Neue Wissenschaft und Kunst muß freisinniger und von mehr Seiten her diese willkürlichen Beschränkungen des Geistes zurückschlagen.«

»Vortrefflich! geehrter, herrlicher Freund!« rief Cuffe aus: »gewiß können erst Staaten und Völker groß werden, wenn alles, in Verwaltung, Gesinnung, Bürgerleben und Wissenschaft, vom Gefühl für das allgemeine Wohl, von der Wahrheit durchdrungen ist. Ich mag es gerne glauben, daß unser Vaterland auf diesem Wege vorschreitet, und in diesem Glauben möchte ich denn jeden andern Stand beneiden, indem ich den meinigen beklage. Was soll ich hier, auf der Universität, als Erklärer und Ausleger der griechischen Autoren beginnen? Worte klaubend, Redensarten erklärend, Stellen bezweifelnd, frühere Meinungen über Kleinigkeiten widerlegend: ist dieses nicht ein Beruf, eigen dazu ersonnen, um die Kräfte, die dem Vaterland nützlich sein könnten, tot darnieder zu werfen? Bin ich nicht bestimmt, diese Schlafsucht, die meinen Geist erstarren macht, andern mitzuteilen, damit nur ja nicht zu viel Leben sich rege und durch die Adern des Staates verbreite? Seh ich, was unsre Seehelden schon ausgerichtet, was Burleigh, Howard, Raleigh, und wie viele andere für ihr Land getan haben, so zerknirsche ich meine Federn hinter meinem Schreibtisch, an mir selber verzweifelnd. Handlung und Wohlstand verbreitet und kräftigt sich, die Kirche streitet und siegt, das übermütige Spanien ist durch uns gedemütigt, und der arme verlassene Gelehrte mißt Silbenfüße, ängstigt sich um die Abstammung eines Wortes, und muß sich glücklich schätzen, wenn er den Schreibfehler eines stumpfsinnigen Kopisten berichtigen kann.