Von der Poesie hoffen also einige unter uns, daß auch sie sich erheben und unsre Gegenwart verklären werde? Handeln, Einrichten, Streiten, mit den Regierenden fortgehen, ihnen dienen oder sie hemmen, in der Nähe des Thrones schaffen und wirken, das ist die wahre, die höchste Poesie, hier erschließt sich das Verständnis des Lebens, und wenn ich mir die Möglichkeit denke, einmal so zu wirken und nützen zu können, so erblaßt mir vor diesem Glanz alles andere Leben und Handeln.«

»Es stünde schlimm um uns«, erwiderte Camden sehr ernsthaft, »wenn es in der Wissenschaft und Gelehrsamkeit so ganz öde Steppen geben könnte, die sich nicht zum Heil der Welt befruchten ließen. Es muß eben nicht alles auf eine und dieselbe Weise nützen, der Staat mit seinen vielen Adern und Zweigen, das Menschengeschlecht mit seinen unzähligen geistigen Bedürfnissen findet schon den Nutzen und die Anwendung, die der Wackere ihm, bei oft gering scheinenden Dingen, vorgearbeitet hat, und trägt die einfache Nahrung bis zum Herzen hin. Jeder Beruf ist ein heiliger, und ihm treu bleiben ist die echte Tugend des Mannes.«

»So ist es!« rief plötzlich der alte Baptista aus, der indessen fleißig getrunken hatte: »nichts in der Welt steht höher, als der Beruf! Somit trinke ich denn dieses Glas auf die Gesundheit des erlauchten Brautpaars, obgleich das Bräutchen etwas von einer Amazone hat.«

Er verneigte sich gegen den Jüngling, der ihn mit Erstaunen betrachtete. Baptista schlürfte mit Wohlbehagen den Wein und setzte nachher das Glas, schalkhaft lächelnd und auch den Fremden zunickend, auf den Tisch.

»Meine Freunde, Smith und Wilton«, fing Cuffe nach einer Pause wieder an, »ihr werdet aber sehr vorsichtig sein müssen, daß ihr in Italien, vorzüglich wenn ihr nach Rom kommt, nicht als Ketzer verfolgt werdet. Es ist besser, wenn ihr verschweigen könnt, daß ihr Engländer seid. Kommt ihr nach einiger Zeit zurück, so habt ihr im Vaterlande selbst vielleicht noch mehr Not, daß man euch nicht für Emissare und Spione der Jesuiten hält. Dieser Kampf der ausländischen Katholiken und Priester, ihre Verbindungen mit den Mißvergnügten in England, die Absicht, die neu eingerichtete Kirche und mit ihr die Regierung, die Königin wieder zu stürzen, war die Geschichte, die seit unsrer frühen Jugend sich immerdar vor unsern Augen wiederholt hat. Glücklich, daß wir nun endlich die schlimmste Zeit des Mißtrauens und der Verfolgung, die eine unermüdliche Verschwörung notwendig machte, hinter uns haben. Seit die schlimmsten Hemmungen, die größten Gefahren überwunden sind, die uns alle von dieser Seite bedrohten, ist dem Staate, den Regierenden, dem Bürger und der Wissenschaft erst möglich, sich recht frei und nach allen Seiten hin zu entwickeln. Es scheint aber, daß, wenn der Mensch keine Feinde hat, er sich selber welche mache, um nur nicht in Untätigkeit zu versinken. Die Katholiken sind kaum und die Hierarchie ziemlich unschädlich gemacht, als unsre Kirche und viele Gelehrte wie Staatsmänner auch schon eine noch schärfere Verfolgung gegen die Puritaner unternimmt und predigt. Soll die neue protestantische Kirche aber sich aufrecht erhalten und fest begründen, so bedarf sie selbst dieser Reiniger und strengeren Christen, um nicht zu erschlaffen und sich in Zukunft in ein Nichts zu zerstreuen, da wir niemals eine echte, unerschütterliche Hierarchie, wie die Papisten, aufbauen können. Es ist also gut, wenn diese beiden Richtungen sich, die herrschende Kirche und die Gesinnung, die gegen diese kämpft, ausbilden und beide ihr Recht behaupten. Es hat mir wohlgefallen, daß auch Leicester schon dieses eingesehn hat, und daß er sich in den letzten Jahren seines Lebens der armen Verfolgten annahm, um, soviel er vermochte, der unterdrückten Sekte aufhelfend, ein Gleichgewicht in den religiösen Meinungen zu erschaffen. Und ist es denn zu leugnen, daß in dieser Gemeine, die man nur allzugern als Schwärmer und rohe Unzufriedne schildert, tugendhafte Männer, edle Patrioten, tiefsinnige Denker und starke Charaktere angetroffen worden? Wenn dem Heil des Landes, der Regierung selbst, der Sicherheit keine Gefahr droht, so halte ich es für verwerflich, daß der Protestant nun gegen seine christlichen Mitbrüder dieselbe Tyrannei ausüben will, der zu entgehn er mit so großer Anstrengung und vielen Opfern dem Papst den Gehorsam aufgekündigt hat.«

»Ihr scheint mir«, nahm der Fremde das Wort, »jetzt gegen Euch selbst zu sprechen und Eure vorigen Behauptungen, geehrter Herr, wieder umzustoßen. Die neu eingerichtete Kirche mit ihren religiösen, wie politischen Fundamenten ist auch als ein Kunstwerk, ein tiefsinniges Gebäude anzusehn, das noch lange nicht so vollendet ist, um jeder Erschütterung mit Sicherheit trotzen zu können. Denn es gilt hier mehr als Frage, Zweifel, oder Erörterung; keine Untersuchung, die wohl, wenn auch zu früh eintretend, der Sache förderlich sein könnte. Diese Schwärmer, wie ich sie nennen muß, wollen aber das Fundament der Kirche selbst zertrümmern: jede Satzung, Sitte, Form, Zeremonie ist ihnen ein Greuel und sie sehn Religion und Christentum nur in jener rohen, unerfreulichen Gestalt, die Heiterkeit, Kunst und selbst Wissenschaft von dem Göttlichen ausschließt; noch mehr, alles dieses, was das Leben und den Menschen veredelt, als Weltliches, Schädliches, der Religion Feindseliges, verklagt und verfolgt. Hat ein Teil der Welt die zu drückenden Fesseln des Papstes zerbrochen, und hat das Schicksal selbst diesen Kampf begünstiget, so drohen uns von diesen gereinigten, wahren Christen, wie sie sich nur zu gern nennen, noch schlimmere Bande. Die römische Hierarchie kämpfte doch nur wegen weltlichen Besitzes und Vorteils, sie tyrannisierte die Gewissen aus Eigennutz und tiefer Verblendung der Leidenschaft; aber in der bessern Zeit wie in der schlimmen selbst wies sie nicht unbedingt Kunst und Wissenschaft als feindselige Wesen von sich; die Ketzer suchte sie zu zerstören, weil sie sonst selber untergehn mußte: doch dieser neue Judaismus der gereinigten Religion wirft nicht nur, wenn er siegen könnte, anders denkende Sekten zu Boden, sondern das Menschliche selbst, indem er ebenso keck als verwirrt behauptet, das Schöne könne niemals gut sein. Was eine so finstere Gesinnung aus einem Staate machen dürfte, hoffe ich nicht zu erleben. Ist das, was ich sagte, nur irgend wahr, so ist der Kampf gegen diese verblendeten und hochmütigen Sektierer nicht nur erlaubt, sondern wohl selbst eine Pflicht des Patrioten.«

»Ich muß dem verständigen Mann wiederum beipflichten«, sagte Camden. »Mein Freund Cuffe ist unruhig und unzufrieden, und möchte alles rechtfertigen und befördern, was nur das Gleichgewicht, sosehr er es preisen will, aufhebt und stört.«

»Euer Beifall ehrt mich«, sagte der Fremde, »erlaubt mir aber, noch einige Worte hinzuzufügen. Ein Staat, eine Zeit sind nur dann mit Recht glücklich zu preisen, wenn jenes wahre Gleichgewicht aller Kräfte sich zeigt. Bedroht der Feind das Land, gibt es dann eine höhere Erscheinung, als den Heldenmut, der, den Tod verachtend, die Gefahr zurückschlägt? Ist aber durch Kraft und Tugend das Land gerettet, und Friede und Sicherheit zurückgekehrt, so muß dieser Heroismus wieder zur Milde, Ordnung, Wachsamkeit werden; will er aber immerdar kämpfen und sich aufopfern, so zerstört er sich und andre, vielleicht, wenn es die Verhängnisse zulassen, das Vaterland, und Laster wird das, was erst als erhabne Tugend glänzte. Ein Staat, der ganz und gar nur den Künsten und der Poesie leben wollte, indem die Begeisterung für diese allein obwaltete, würde zuletzt in das Lächerliche und Alberne verfallen müssen. Der Streit für Religion und Gewissen, das Festhalten an dieser Erhebung kann ebenfalls nicht als ein bestehender Zustand ein erwünschter sein. Die Opfer waren notwendig, die Entzündung der Gemüter eine große Erscheinung, aber da die Ruhe nicht hergestellt werden konnte, jenes unentbehrliche Gleichgewicht – welche Greuel hat dieser Meinungskampf im benachbarten Frankreich hervorgebracht? Und wieviel Blut wird dort noch fließen? England war so glücklich, daß sich nach einigen starken Erschütterungen diese Ruhe einstellte. Das Volk braucht darum nicht gottlos und unchristlich zu sein, wenn es so Kampf, wie Erbitterung, Grübeln und Enthusiasmus über und für das Unsichtbare und Unbegreifliche aufgibt, und sich, wie einer ebenso frommen als politischen Einrichtung, milde und demütig der Kirche fügt, und den Theologen selbst die Religion als Wissenschaft überläßt, daß diese sie philosophisch oder mystisch ausbauen mögen. Eben nur in diesem ruhigen Vertrauen kann es sich abwechselnd ihr, der Vaterlandsliebe, dem Handel, Gewerbe, Ackerbau, dem Denken, dem Wissen, den Künsten, dem Scherz und Theater, oder was es nun sei, überlassen.