Der Professor war ein viel zu offener Kopf, um die Logik in der Darlegung des Geschäftsmannes nicht zu begreifen. Er bemühte sich, ihn nach dieser Seite hin zu beruhigen, ohne sich, bezüglich der »Erkenntlichkeit«, gerade bestimmt zu binden. Mr. Sharp bat ihn nun in höflichster Form um die Erlaubniß, seine Angelegenheit nach eigenem Ermessen prüfen zu dürfen, und geleitete ihn mit rücksichtsvollster Artigkeit wieder zur Thür. Jetzt war bei ihm keine Rede mehr von den nur knapp zugemessenen Minuten, mit denen er vorher so sehr geizte!

Herr Schultze zog sich zwar mit der Ueberzeugung zurück, daß er wohl keinen vollberechtigten Anspruch auf die Erbschaft der Begum habe, aber auch mit der anderen, daß ein Kampf zwischen der angelsächsischen und lateinischen Race, ganz abgesehen von seiner Verdienstlichkeit an sich, wenn er nur richtig geführt würde, nicht anders als zum Vortheil der ersteren ausschlagen könne.

Zunächst erschien es nun von Wichtigkeit, die Meinung des Doctor Sarrasin kennen zu lernen. Eine unverzüglich nach Brighton abgelassene Depesche brachte den französischen Gelehrten schon gegen fünf Uhr in das Cabinet des Sollicitors.

Doctor Sarrasin vernahm mit einer Ruhe, über welche Mr.

Sharp nicht wenig erstaunte, den eingetretenen Zwischenfall.

Auf die ersten Worte des Mr. Sharp hin erklärte er mit aller Offenheit, daß er sich erinnere, in seiner Familie davon reden gehört zu haben, wie eine, von einer reichen vornehmen Dame erzogene Großtante von ihm mit jener ausgewandert sei und sich in Deutschland verheirathet haben solle. Im Uebrigen war ihm weder der Name, noch der genaue Grad der Verwandtschaft dieser Großtante bekannt.

Mr. Sharp griff schon nach seinen sorgfältig katalogisirten Actenstücken, die er dem Doctor zur Einsicht vorlegte.

Es erwuchs hiermit – Mr. Sharp verheimlichte das nicht –

Material zu einem Processe, und Processe dieser Art ziehen sich gern in die Länge. Man brauchte zwar der gegnerischen Partei das Zugeständniß, zu dem Doctor Sarrasin sich eben in seiner Aufrichtigkeit dem Sollicitor gegenüber herbeigelassen hatte, nicht mitzutheilen…. immerhin existirten noch jene Briefe Jean Jacques Langevols an seine Schwester, deren Herr Schultze erwähnte und welche der Sache offenbar eine ihm günstige Wendung gaben. Stand diese auch auf schwachen Füßen und entbehrten jene Beweisstücke des eigentlichen legalen Charakters, so waren sie doch einmal vorhanden. Aus dem Staube der städtischen Archive würden dann schon noch weitere Beweise ausgegraben werden. Vielleicht ging die gegnerische Partei, wenn ihr authentische Beweise mangelten, sogar so weit, solche zu erfinden. Man mußte eben auf Alles vorbereitet sein. Wer konnte es vorher sagen, ob nicht neue Untersuchungen jener plötzlich wieder auferstandenen Therese Langevol und ihrer Vertreter am Ende gar noch Ansprüche zu Tage förderten, welche denen des Doctor Sarrasin vorgingen?…. Jedenfalls drohten lange Streitigkeiten, endlose Beweisführungen und eine Lösung der ganzen Frage erst in weiter Ferne. Die Wahrscheinlichkeiten, den Proceß zu gewinnen, wögen auf beiden Seiten etwa gleichviel; beiden Parteien würde es nicht schwer fallen, von fremder Hand die nöthige Unterstützung zum Kostenvorschuß zu finden, um alle Hebel in Bewegung zu setzen. Ein berühmt gewordener ähnlicher Proceß hätte im Kanzleigericht volle dreiundachtzig Jahre gespielt und wäre zuletzt nur niedergeschlagen worden, weil die Mittel zu seiner Weiterführung ausgegangen waren; Capital und Interessen – Alles hatte er verschlungen!….

Sachverständigen-Urtheile, Commissionen, Beibringung von Beweisstücken und gerichtliche Proceduren würden einen gar nicht zu bestimmenden Zeitraum beanspruchen!…. Nach zehn Jahren könne die Sache recht wohl noch völlig unentschieden und die halbe Milliarde in der Bank eingeschlafen sein….

Doctor Sarrasin hörte dieser Darlegung ruhig zu. Wenn er auch nicht Alles so fest wie die Worte des Evangeliums glaubte, so bemächtigte sich seiner doch eine Art Entmuthigung.