Von hier ab weiß man nun nichts Weiteres bis auf den Todestag des Letzteren, der in Paris wieder auftauchte….
– Den verlorenen Faden bin ich aber im Stande, wieder anzuknüpfen, sagte der Doctor, den diese wirklich mathematische Genauigkeit wider Willen mehr und mehr fesselte. Mein Großvater etablirte sich später in Paris, um sich die Erziehung seines Sohnes, der medicinischen Studien oblag, zu erleichtern. Er starb im Jahre 1832 in Palaiseau bei Versailles, woselbst mein Vater prakticirte und ich selbst 1822
geboren wurde.
– Sie sind mein Mann, erklärte Mr. Sharp. Keine Brüder oder Schwestern?….
– Nein. Ich war und blieb der einzige Sohn und meine Mutter starb schon, als ich erst zwei Jahre zählte. Doch werden Sie mir endlich mittheilen, mein Herr, wozu das….«
Mr. Sharp erhob sich.
»Sir Bryah Jowahir Mothooranath, sagte er, diese Worte mit all dem Respect aussprechend, den jeder Engländer gegenüber vornehmen Titeln beobachtet, ich schätze mich glücklich, Sie gefunden zu haben und als der Erste Ihnen meine Huldigung darzubringen.
– Der Mann ist von Sinnen, dachte der Doctor, kommt ja bei
»Todtenköpfen häufiger vor.«
Der Sollicitor errieth seinen Gedanken.
»Halten Sie mich um Alles in der Welt nicht etwa für geisteskrank, sagte er sehr ruhig. Zur Stunde sind Sie der einzige bekannte Erbe des Baronet-Titels, welcher auf Vorschlag des General-Gouverneurs einst Jean Jacques Langevol verliehen wurde, der 1819 in den englischen Unterthanenverband eintrat und später Witwer und Nutznießer der Besitzungen der Begum (Ehrentitel der indischen Fürstinnen) Gokool war, welche 1841 starb und nur einen Sohn hinterließ, der als Idiot ohne Nachkommen und ohne Testament im Jahre 1869 verschied. Die Nachlassenschaft betrug vor dreißig Jahren schon gegen fünf Millionen Pfund Sterling. Sie ward unter vormundschaftliches Sequester gestellt und während der Lebenszeit des schwachsinnigen Sohnes Jean Jacques Langevol’s fast durch die vollen Zinsenerträgnisse vermehrt. Im Jahre 1870 berechnete sich jene Verlassenschaft auf rund einundzwanzig Millionen Pfund Sterling oder fünfhundertfünfundzwanzig Millionen Francs. In Ausführung einer Entscheidung des Gerichtes in Agra, welche die höhere Instanz in Delhi und zuletzt auch der Geheime Rath des Reiches bestätigte, wurden die beweglichen und unbeweglichen Güter des Erblassers veräußert, der Ertrag des Verkaufes eingezogen und das Ganze bei der Bank von England deponirt. Jetzt liegen daselbst fünfhundertsiebenundzwanzig Millionen Francs, die Sie durch eine einfache Anweisung erheben können, sobald Sie dem Kanzleramte die Beweise Ihrer Abstammung beigebracht haben und auf welche Summe ich mich schon hiermit erbiete, Ihnen bei der Bankfirma Trollop, Smith und Compagnie einen Vorschuß in jeder beliebigen Höhe….«
Doctor Sarrasin war versteinert. Eine kurze Zeit lang vermochte er keine Worte zu finden. Dann erwachte aber doch der Geist des Zweifels wieder in seinem Innern, und da er diese Verwirklichung eines Traumbildes aus »Tausend und eine Nacht« nicht so ohne Weiteres anerkennen wollte, sagte er:
‘, Ja, mein Herr, welche Beweise können Sie mir beibringen für die Wahrheit dieser ganzen Geschichte, und wie sind Sie auf meine Spur gekommen?
– Die Beweisstücke befinden sich hier, erwiderte Mr. Sharp, auf die Glanzledertasche klopfend. Daß ich Sie jetzt auffand, ging sehr einfach zu. Eigentlich suche ich Sie schon seit fünf Jahren. Die Auskundschaftung der Berechtigten, der »next of kin«, wie das englische Recht sich ausdrückt, für die vielen unbeanspruchten Nachlassenschaften, welche die Gerichte in den britischen Besitzungen in Verwaltung nehmen, ist eine Specialität unseres Hauses. Gerade die Erbschaft der Begum Gokool hält uns nun schon seit einem ganzen Lustrum in Athem. Wir streckten unsere Fühlfäden nach allen Seiten hin aus und stellten Nachforschungen über mehr als hundert Familien Sarrasin an, ohne darunter eine zu finden, welche von jenem Isidore herstammte. Ich beruhigte mich schon mit der Ueberzeugung, das es einen Sarrasin in Frankreich nicht mehr gäbe, als ich gestern Morgens bei der Durchlesung der »Daily News« den Bericht von dem hiesigen hygienischen Congresse und darin den Namen eines Arztes fand, den ich noch nicht kannte. Sofort nahm ich meine eigenen Notizen vor, verglich sie mit den Tausenden von Schriftstücken, die wir bezüglich dieser Angelegenheit aufgesammelt haben, und erkannte daraus zur größten Verwunderung, daß die Stadt Douai unserer Aufmerksamkeit entgangen war.
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