Ich will gleich des Todes sein, wenn ich von allem, was wir da miteinander gesprochen haben, ein Wort verstehe. Ich habe schon oft gehört, viel wissen macht Kopfweh; aber wenn einer wißte, wo ihr diese Nacht gewesen seid, da wir euch in der ganzen Welt suchten, so könnte einer vielleicht erraten, – – mehr sag' ich nicht, ihr könntet sonst meinen, daß ich vorwitzig sei, und euch fragen wolle, und Vorwitz das ist mein Fehler nicht. Was mich nicht brennt, das blase ich auch nicht. Zum Exempel, wenn ich vorwitzig wäre, so hätt' ich wohl erfahren können, warum die gnädige Frau seit acht Tagen so oft in die Stadt fährt; denn unter uns geredt, Herr, ich gelte was bei der Frau Beatrix, ob ihr mirs gleich nicht angesehen hättet; Sie hat es hinter den Ohren, das versprech ich euch, wenn sie schon einen so großen Rosenkranz am Gürtel hängen hat als ein Waldbruder, und so leise daher tritt, als ob sie auf Eiern gehe. Stille Wasser gründen tief, und es sind nicht alle Köche, die lange Messer tragen. Kurz und gut, Herr, ich ging gestern bei ihrem Zimmer vorbei, und wie sie sah, daß ichs war, denn die Tür war halb offen, so rief sie mir, und bat mich, daß ich ihr das Halstuch heften möchte; und da weiß ich nicht, wie es kam, aber ich, sollt es auf dem Rücken heften, und da heftete ichs vornen, und konnte nie fertig werden; aber sie lachte nur über meine Ungeschicklichkeit, und, Gott verzeih mirs; ich glaub, ich wäre noch dabei, wenn die gnädige Frau nicht geschellt hätte. Das erstemal hörten wir nichts, so viel hatte ich zu tun; aber sie schellte wieder und das so stark, daß Frau Beatrix sagte: Ich muß gehen, Pedrillo, sonst werde ich gezankt; wenn ich gewußt hätte, daß du so ungeschickt wärest, so hätt ich dich nicht gerufen; denn siehst du, du machst schon so lang, und jetzt muß ichs doch selbst heften. Und da lief sie fort, Herr, und, was ich sagen wollte? Ja, da hätt' ich sie fragen können, warum die gnädige Frau so oft in die Stadt fährt, und zu wem, und dieses und jenes, aber wie ich sagte, über dem Halstuch hatt' ich alles vergessen. Ihr seht also, daß ich nicht neugierig bin; denn die Dame Beatrix war bei guter Laune, und ich glaube, sie hätte mir alles gesagt.

In diesem Ton fuhr Pedrillo den ganzen Weg lang fort, ohne daß Don Sylvio darauf Acht gab, was er schwatzte, so sehr war er in Gedanken vertieft. Allein, so bald sie zu Hause waren, erinnerte ihn sein Magen, daß er seit gestern Mittag gefastet hatte; denn, wie wir schon bemerkt haben, die Bezauberung erstreckte sich bei ihm niemals bis auf den Magen. Er ließ sich also einen Eier-Kuchen und ein paar fricassierte Hühner zum Frühstück machen, und aß mit so gutem Appetit, daß Pedrillo wieder Mut schöpfte, und eine bessere Meinung von dem Verstande seines Herrn faßte, als er diesen Morgen gehabt, da er ihn von Verwandlungen, Princessinnen, und bezauberten Sommer-Vögeln reden hörte.

 

Zehntes Capitel

 

Worin Fern, Salamander, Princessinnen und grüne Zwerge auftreten

So bald die größte Hitze vorbei, begab sich Don Sylvio mit seinem getreuen Pedrillo in den Garten, setzte sich an dem schattenreichesten Ort desselben unter eine Laube von Jasmin, und nachdem er ihm ernstlich untersagt hatte, ihn in seiner Rede nicht zu unterbrechen, wie es so ziemlich seine Gewohnheit war, so erzählte er ihm umständlich alles, was ihm, von dem Abenteuer mit dem Laubfrosch an bis auf den Augenblick, da er ihn in der Grotte schlafend gefunden, begegnet war.

Wir übergehen dasjenige, was unsern Lesern schon bekannt ist, und fangen seine Erzählung da an, wo die unsrige stille gestanden, nämlich bei seiner Entfernung, welche seine Hausgenossen in so große Unruhe gesetzt hatte.

So bald meine Tante abgereist war, fuhr Don Sylvio fort, so ging ich wieder in den Wald, um den Ort zu suchen, wo der blaue Papilion verschwunden war, und mir an seiner statt dieses Bildnis hinterlassen hatte, wovon nunmehr das Glück oder Unglück meines Lebens abhängt. Ich nahm den kleinen Pimpimp mit mir, weil ich hoffte, daß er den Weg, den wir miteinander gegangen, durch seinen Instinct leichter wieder ausspüren würde, als ich mich dessen erinnern könnte. Ich betrog mich nicht, ich erkannte den Ort, und nachdem ich ihn aufs sorgfältigste durchsucht hatte, in der Hoffnung, vielleicht etwas zu finden, das mir einiges Licht geben könnte, wem das Bildnis zugehöre, fing ich an allenthalben umher zu laufen, ob ich den blauen Sommer – Vogel wieder entdecken möchte, den ich, nachdem was mir begegnet war, für keinen gewöhnlichen Sommer-Vogel halten konnte. Wenn es, dachte ich, eine Fee ist, wie ich zu glauben Ursach habe, so bewegt sie vielleicht die Unruhe, worin sie mich sieht, mir wieder sichtbar zu werden, und mir die Nachrichten zu geben, ohne welche ich nicht länger leben kann.

Ich suchte also den ganzen Wald aus, ich fand Sommer-Vögel genug, aber der blaue war nirgends zu sehen. Die Nacht nahm überhand, und Pimpimp war so müde, daß er nicht mehr laufen konnte. Ich war es nicht weniger als er, und da ich diese Grotte, wo du mich gefunden hast, gewahr wurde, so beschloß ich die Nacht da zuzubringen. Ich machte mir ein Lager, und Pimpimp schlief neben mir ein, während daß ich den Gedanken nachhing, die meine Umstände mit sich brachten. Der Mond schien so anmutig, daß er mich zu einem Spaziergang unter den Bäumen, die vor der Grotte stunden, einzuladen schien.

Ich war nicht lange auf und nieder gegangen, so sah ich einen plötzlichen Glanz, der die Bäume und Gesträuche weit umher vergüldete. Ich stutzte auf, und erblickte eine feurige Kugel in der Luft, die weit höher als der Mond zu schweben schien, und sich langsam gegen den Ort, wo ich stund, herab senkte. Du kannst dir nicht vorstellen, Pedrillo, wie groß die Freude war, die ich über diesen Anblick empfand.

Die Freude? unterbrach ihn Pedrillo, nun wahrhaftig, Herr, ihr seid doch nicht wie andre Leute gemacht; ich würde über ein solches Wunderzeichen gleich zu Tode erschrocken sein, und ihr konntet euch freuen? Sagte ich dir nicht, daß ich keine Zwischenreden haben wollte? versetzte Don Sylvio; wenn ich mich freute, so hatte ich eine sehr gute Ursache dazu; denn ich wußte wohl, daß es eine Fee war, und mein Herz sagte mir vor, daß es diejenige sei, die ich suchte. Meine Erwartung betrog mich nicht. Die feurige Kugel, die im Annähern immer größer wurde, zersprang nah über mir mit einem großen Knall, und an ihrer statt sah ich eine wunderschöne Dame auf einem Wagen von Carfunkeln, der von zween feuerfarben geflügelten Schlangen gezogen wurde. Um sie her flatterten auf einer kleinen silbernen Wolke eine Menge Salamander, in Gestalt kleiner geflügelten Knaben von überirdischer Schönheit, ihre Haare schienen gekräuselte Sonnenstrahlen, ihre Flügel Feuerflammen, ihr Leib weißer als der Schnee im Sonnenschein, und die Farbe der Morgenröte schimmerte um ihre Stirn und auf ihren Wangen. Dem ungeachtet wurden sie alle von dem Glanz der Fee verdunkelt, welcher so blendend war, daß mir das Gesicht davon vergangen wäre, wenn sie die Vorsicht nicht gebraucht hätte, mich mit ihrem Stabe zu berühren.

Don Sylvio, sagte sie zu mir, ich bin die Fee Radiante, welcher du neulich in der Gestalt eines kleinen Frosches ein Leben gerettet hast, von welchem so verächtlich es schien, dasjenige abhing, worin du mich jetzt siehest. Du weißt, daß wir alle hundert Jahre acht Tage lang die Gestalt irgend eines Vogels oder Tiers annehmen müssen, daß wir in dieser Zeit den Gebrauch aller unsrer Macht verlieren, und allen Zufällen aus gesetzt sind, denen die tierische Natur unterworfen ist. Die acht Tage, in denen ich genötiget war ein Laubfrosch zu sein, waren bis auf etliche Stunden verstrichen, als das Vergnügen, mich bald wieder in meiner eigenen Gestalt zu sehen, mich unvorsichtig genug machte, meinen Graben zu verlassen, und mich der Gefahr auszusetzen, die mir ohne deine großmütige Hülfe verderblich gewesen wäre. Der Schrecken, den ich in dem Schnabel des Storchs ausgestanden hatte, hielt mich ab, dir sogleich für meine Errettung zu danken, und da ich in wenigen Stunden meine eigne Gestalt wieder erlangt hatte, nötigten mich die Salamander, deren Königin ich bin, meine ersten Augenblicke ihren Angelegenheiten zu schenken. Allein so bald ich wieder Zeit hatte an die Meinigen zu gedenken, erinnerte ich mich, wie viel ich dir schuldig sei, und dachte auf Mittel, dir meine Dankbarkeit zu beweisen. Meine Bücher, die ich zu Rate zog, belehrten mich, daß du vom Schicksal bestimmt seiest eine gewisse Princessin zu lieben, aber daß deinem Glück Schwierigkeiten entgegen stünden, die du ohne einen mächtigen Beistand schwerlich zu besiegen vermögend sein werdest. Ich komme nun dir diesen Beistand anzubieten.