»Lederstrumpf, willst du nicht singen? Sag, alter Junge, willst du das Waldlied nicht singen?«

»Nein, Major!« erwiderte der Jäger mit trübem Kopfschütteln. »Ich habe erleben müssen, was ich in diesen Bergen nicht für möglich gehalten hätte, und das nimmt mir allen Mut zum Singen. Wenn jener, der von Rechts wegen hier als Herr gebieten sollte, Schneewasser trinken muß, um seinen Durst zu stillen, so steht es uns, die wir von seiner Gnade leben, schlecht an, lustig zu sein.«

Bumppo wandte sich ab und ließ den Kopf auf die Knie sinken und bedeckte sein Gesicht mit der Hand. Richard aber ergriff zwei Becher, hielt einen davon Lederstrumpf hin und rief: »Auf ein fröhliches Christfest, alter Knabe! Hört, wie der alte John trillert. Die Indianer machen doch eine verdammte Musik. Major, ich möchte wohl wissen, ob sie von Noten singen können?«

Mohegan gab tiefe, eintönige Laute von sich, wozu er mit Kopf und Hand den Takt schlug. Man hörte nur wenige Worte, und diese waren in der Delawarensprache, so daß sie außer Natty niemand verstand. Ohne auf jemanden zu achten, setzte er seinen Gesang, ein wildes, melancholisches Lied, fort, wobei er manchmal in die höchsten Töne überging und dann wieder in die tiefen, tremolierenden zurückfiel, aus denen die indianische Musik hauptsächlich besteht. Er hatte die wollene Decke abgeworfen, das buschige Haar hing verwirrt um seinen Kopf und gab ihm ein wildes Aussehen. Immer lauter und lauter wurden seine Töne, so daß endlich alles Gespräch aufhören mußte. Jetzt sah Natty auf und redete den alten Krieger in seiner Landessprache an.

»Chingachgook, wie kannst du von deinen Schlachten und deinen Kriegern, die du erschlagen hast, singen, solange man dem jungen Adler sein Recht vorenthält? Auch ich habe in diesen Schlachten so gut gefochten wie jeder andere Krieger unseres Stammes. Hier ist aber der Ort und die Zeit, sich seiner Taten zu rühmen.«

»Falkenauge«, sagte der Indianer und kam mit schwankenden Schritten auf ihn zu, »ich bin die Große Schlange der Delawaren, ich kann die Mingos aufspüren wie die Natter Vogelnester und sie mit einem Schlag töten wie die Klapperschlange. Der weiße Mann wollte Chingachgooks Tomahawk so glänzend machen wie das Wasser des Otsego, wenn die Sonne darauf scheint, aber er ist rot vom Blut der Feinde.«

»Und weshalb hast du die Feinde erschlagen? Geschah es nicht, um diese Wälder und Seen den Kindern deiner Väter zu erhalten? Und fließt nicht kriegerisches Blut in den Adern eines jungen Häuptlings, der laut sprechen sollte, und dessen Stimme nur zu schwach ist, um gehört zu werden?«

Die verworrenen Gedanken des Indianers schienen einigermaßen wieder in Ordnung zu kommen. Er wandte sich zu den Zuhörern, starrte den Richter unverwandten Blickes an und schüttelte wild das Haupt. Dann machte er einen fruchtlosen Versuch, die Streitaxt vom Gürtel loszumachen, und nahm eine drohende Stellung an. In diesem Augenblick schob ihm Jones wieder einen vollen Becher zu, und seine wilden Züge verwandelten sich in ein einfältiges Lachen. Er nahm den Becher mit beiden Händen an den Mund, trank ihn aus und fiel rückwärts auf die Bank nieder.

»So geht es mit den Wilden«, rief der alte Jäger, »gebt ihnen Branntwein, und sie werden wie das Vieh. Doch der Tag wird erscheinen, wo wir Recht bekommen werden.«

Natty sprach immer noch in der Landessprache, die nun auch der Häuptling nicht mehr verstand. Sobald er schwieg, rief ihm Richard zu: »Was hilft Ihr Reden! Sehen Sie nicht, daß er taub und blind ist? Hauptmann Hollistar, geben Sie ihm diese Nacht ein Unterkommen in Ihrer Scheune, ich will für ihn bezahlen. Heute abend bin ich reich, zehnmal reicher als Duke mit allen seinen Ländereien, Renten und baren Geldern. - König Hiram - trinkt, Herr Doolittle - trinkt, Herr! sage ich. Dies ist ein Fest, das nur einmal im Jahr kommt.«

Der Wirt richtete dem Indianer eine Schlafstelle in einem Nebengebäude ein, wo er auch den Rest der Nacht, mit einer wollenen Decke zugedeckt, liegenblieb. Jetzt begann auch Major Hartmann lustig und lärmend zu werden. Ein Glas jagte das andere: Becher auf Becher ging herum, und das Trinkgelage dauerte bis tief in die Nacht, bis der deutsche Veteran endlich den Wunsch aussprach, in das Herrenhaus zurückzukehren. Die Mehrzahl der Gäste war schon fort. Frau Hollistar begleitete die Gesellschaft bis vor die Haustür und warnte, vorsichtig zu gehen.

Neuntes Kapitel

 

Am anderen Morgen hatte die strenge Kälte bedeutend nachgelassen. Wolken begannen den Himmel zu überziehen, die der warme Südwestwind nach Norden trieb. Es war schon spät am Morgen, als Elisabeth, die gestern abend gleich nach dem Gottesdienst nach Hause gefahren war, auf den Hof des großen Grundstückes trat. Sie wollte ihre nächste Umgebung bei Tageslicht in Augenschein nehmen, ehe die späten Gäste vom Christabend am Frühstückstisch erschienen.