Monkford vergessen! Er ist ja noch am Leben.«
Sie stieg, ohne ein Wort zu sagen, in den Kahn. Innerlich freute sie sich, mit ihm zusammen zu sein, wenn sie sich auch über ihre unbekümmerte Einstellung diesem Mann gegenüber wunderte, denn von Natur aus war sie mißtrauisch.
Das ganze Ausmaß seiner Befürchtung über Monkford konnte sie nicht ermessen; eines jedoch wußte sie - er gehörte bestimmt nicht zu denen, die übertrieben, um Eindruck zu machen.
»Wie alt sind Sie?« Er ruderte der Flußmitte zu, als er ihr diese Frage an den Kopf warf.
»Beinahe dreiundzwanzig - ich bin schon sehr alt!«
Sie ärgerte sich sogleich über ihren banalen Scherz.
»Sie sehen jünger aus. Ich dachte, Sie seien ungefähr zwanzig.« Er schaute über ihre Schulter weg auf das entschwindende Haus. »Aber schöne Frauen sind immer so alt, wie man sie sich wünscht. Das heißt nicht, daß ich jetzt einen bestimmten Wunsch gehabt hätte!«
Sie richtete sich auf und lachte.
»Sind Sie immer so offenherzig Frauen gegenüber?«
»Nein. Ich komme nicht viel mit Frauen zusammen. Ich kannte Kate Lacrosse recht gut - sie war hübsch. Goldblondes Haar und wunderbare Gesichtszüge. Das letzte Mal sah ich sie in Aylesbury Engel malen.«
»Malen -? Wo liegt Aylesbury?« fragte sie verwirrt.
»Ein Frauengefängnis. Ich habe ihr zwanzig, Jahre verschafft. Erpressung. Ich weiß viel - nur nichts über Frauen. Sie sind für mich ein Rätsel. Als Junge habe ich zweimal das Konversationslexikon durchgelesen. Ich weiß fast alles, es war mir sehr nützlich. Haben Sie etwas dagegen, wenn ich sage, daß Sie schön sind?« Sie drohte ihm mit dem Finger.
»Mr. Long, ich glaube, Sie versuchen, mit mir zu flirten!«
»Nein, das versuche ich nicht. Es war nur eine allgemeine Bemerkung. Sind Sie verlobt?« »Nein. Es ist vielleicht komisch - ich war noch nie verlobt.«
»Das ist allerdings seltsam.« Er zog die Ruder ein und streckte den Arm aus. Nora folgte seiner Bewegung und sah zu ihrem Erstaunen, daß er sich an Sheltons Boot festhielt. »Ich will Ihnen etwas zeigen -«, rief er, sprang an Bord, beugte sich nieder und reichte ihr seine Hand.
Der vernachlässigte Zustand des Bootes war, aus der Nähe gesehen, noch augenfälliger. Die Deckplanken verfaulten, der innere Bootsraum stand zolltief unter Wasser, das bei jeder Bewegung gurgelte. Long zog die Schiebetür der Achterkabine zurück.
»Hier hatte er seine Presse. Sie wurde durch Batterien betrieben - die sogar noch da sind. Kommen Sie herein!«
Sie folgte ihm gebückt in das Dunkel der Kabine. Er zündete ein Streichholz an. »Sehen Sie - hier! Ist das nicht wie eine alttestamentarische Prophezeiung?«
In die Holzverkleidung der Kabinenwand war eine Reihe von Daten eingeritzt, neun im ganzen:
1. Juni 1862 J.X.T.L.
6. Sept. 1870
9.
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