Einige in Scotland Yard lachen über mich und meine Bande des Schreckens. Doch - wo ist der Richter, der ihn verurteilte? Tot! Wo der Staatsanwalt? Tot! Der Henker? Tot! Ich lebe noch, und Monkford lebt...« Plong!

Das Glasfenster zersprang in Stücke, etwas zischte vorbei, das wie das Gesumm einer gereizten Biene klang. Holzsplitter fielen von der Wagendecke. Der Wetter grinste vergnügt.

»Der Mann, der diesen Schuß abgefeuert hat, ist tot - darauf wette ich!«

Der Zug hielt in Bourne End. Der Wetter verabschiedete sich in seiner sarkastischen Art.

»Ich muß zurück, um die Personalien der Leiche festzustellen.« Als er das bleiche Gesicht des Mädchens sah, entschuldigte er sich: »Das war nur ein Scherz! Ungefähr eine Meile von hier entfernt ist ein Schießstand, und ich wette, daß irgendein schieläugiger Rekrut uns mit einem feindlichen Flugzeug verwechselt hat!«

Sie ließ sich nicht täuschen, zwang sich jedoch zu einem Lächeln, und sie lächelte noch mechanisch, als der Zug wieder anfuhr.

»Hanswurst!« schalt der Wetter sich selbst ärgerlich aus, als der letzte Wagen hinter der Biegung verschwand. »Sensationsjäger! Mädchenschreck!«

Er nahm ein Taxi, fuhr zum Polizeiposten von Bourne End, wo ein Wachtmeister zustieg, und ließ sich zu der Stelle zurückfahren, an der der Schuß gefallen sein mußte. Er brauchte nicht lange, um den Platz ausfindig zu machen. Als die Kugel einschlug, war der Zug an einer Baracke vorbeigefahren, die von Streckenarbeitern benutzt wurde. Es gab kein anderes Haus in der Nähe. Parallel zum Bahndamm und zur Landstraße verlief ein Haferfeld. Long erwartete, den Schützen bei der Baracke zu finden, doch dann täuschte er sich. Etwas abseits, hinter dem Haferfeld, bei einem Teich und einer kleinen Böschung, entdeckte er zwischen wucherndem Unkraut den unbeweglichen Körper. Die Kleidung war ärmlich - irgendein Landstreicher, früherer Soldat, denn schmutzige Medaillenbänder zierten die zerlumpte Weste. »Hinterrücks erschossen«, sagte der Wetter nach kurzem Augenschein. »Armer Teufel! - Was ist das für ein Buch, Wachtmeister?«

Der Beamte reichte ihm das schäbige Notizbuch, das er aufgehoben hatte. Die letzte, mit Bleistift gemachte Eintragung lautete:

›Dritter Wagen von Lokomotive. Zweites Fenster.

Nicht schießen, wenn Mädchen am Fenster.‹

Long blätterte die übrigen Seiten durch. Er fand den Namen ›Joe Hanford‹ und zwei Adressen, eine in Essex und eine in London.

»Dieser Kerl war sehr genau«, sagte er, »sonst hätte er seine Instruktionen nicht eingetragen. Wie aber hat er die Anweisung erhalten?«

Er blickte sich prüfend um - in diesem Augenblick sah er in einer Entfernung von etwa drei Meilen auf dem Hügelkamm einen Lichtstrahl. Sechsmal leuchtete es auf.

»B-C-N-F-L-D«, buchstabierte er. »Beaconsfield!« Irgend jemandem wurde mit einem Heliographen eine Botschaft übermittelt. Es konnte sich auch um eine militärische Übung handeln. Aber dann flackerten die Lichtstrahlen wieder auf.

›L-N-G-U-N-T-R-S-C-H-T-F-L-D.‹ »Long untersucht Feld!«

Der Wetter hätte viel für ein starkes Fernglas gegeben.

Weitere Signale unterblieben. Wahrscheinlich hatte der Hügelposten bemerkt, daß Long aufmerksam geworden war, und rechnete nun damit, daß seine Botschaften verstanden würden.

Der Wetter überlegte. Die Signale reichten sehr weit und konnten auch jenseits der Stadt Marlow noch verstanden werden. Das nächste zugängliche Telefon befand sich zweifellos in Bourne End. Er mußte es wagen, durfte auch nicht die kleinste Möglichkeit unversucht lassen. Den Wachtmeister ließ er beim Toten und lief zum wartenden Taxi, das ihn nach Bourne End zurückbrachte.

Nach einigen Schwierigkeiten bekam er Verbindung mit der Beaconsfielder Polizei und erfuhr, wie nicht anders erwartet, daß dort jede Minute durchschnittlich zehn Wagen durchführen. »Können Sie mir eine annähernde Beschreibung des Wagens geben?« fragte der Diensthabende.

»Nein, aber beauftragen Sie einen Mann, die Nummern sämtlicher Wagen aufzuschreiben, die in der nächsten Viertelstunde durchfahren!«

Der Wetter gab sich keinen Illusionen hin, daß dies zu etwas führen würde, denn aller Wahrscheinlichkeit nach war der Wagen schon vor seinem Anruf durch Beaconsfield gekommen.

Es dunkelte bereits, als er Bourne End verließ. Gegen Mitternacht erhielten sämtliche Londoner Zeitungen folgenden Anruf, mit dem dringenden Ersuchen, ihn im Nachrichtenteil zu veröffentlichen:

›Warnung an entlassene Soldaten!

Die Kriminalpolizei macht darauf aufmerksam, daß in unserem Lande eine Organisation obskurer Existenzen versucht, arbeitslosen, entlassenen Soldaten, vorzugsweise guten Schützen, hohe Geldsummen anzubieten.