Die dafür geforderten Dienste sind ungesetzlicher und verbrecherischer Art. Es wird vor Annahme der verhängnisvollen Aufträge ausdrücklich gewarnt. Nach jedem Mittäter wird unweigerlich polizeilich gefahndet. Entlassenen Soldaten, denen solche Anerbieten gemacht werden, sollen sich sofort mit Inspektor Long, Zimmer 709, Scotland Yard, in Verbindung setzen. Eine Belohnung von 500 Pfund Sterling wird für Informationen ausgesetzt, die zur Verhaftung und Verurteilung der gesuchten Auftraggeber führen.‹
Am folgenden Morgen entfaltete Mr. Jackson Crayley die Zeitung, klemmte das Monokel ein und las die Bekanntmachung. Während des Lesens zupfte er nachdenklich an seinem Schnurrbart. Er ließ sein Frühstück stehen, ging hinunter in seine großzügig eingerichtete Bibliothek mit dem Ausblick in den Mustergarten, den Nora Sanders so sehr bewundert hatte. Er nahm den Telefonhörer, wählte die Nummer und fragte, als der Angerufene sich meldete:
»Haben Sie schon die Zeitung gelesen? - Ja, wir müssen die Herren vom Militär fallenlassen. Der Wetter wird noch Schwierigkeiten bereiten.« Er hörte eine Weile dem Mann am ändern Ende zu. »Natürlich, ich bin damit einverstanden - ich denke, nächste Woche. Wir können dann beide zusammen...«
Mit einem Gefühl der Beruhigung kehrte er an den Frühstückstisch zurück.
Auf dem Telefonamt hatte ein Mann von Scotland Yard die Unterhaltung mitgehört. Nur - er wußte nachher nicht mehr als zuvor, denn die Unterhaltung war in dänischer Sprache geführt worden.
10
Nichts vermochte Miss Revelstoke aufzuregen. Ihr Gleichmut war so unerschütterlich, daß sie selbst ein Erdbeben als interessante Abwechslung empfand. Man erzählte sich von ihr, daß sie bei einem der schlimmsten Luftangriffe auf London nicht einmal die feine Näharbeit aus der Hand legte, mit der sie sich gerade beschäftigte.
Mit einer gewissen Spannung hörte sie jetzt der Erzählung ihrer Angestellten zu.
»Äußerst dramatisch!« meinte sie trocken. »Wirklich, Nora, Sie fangen an, ein gefährliches Leben zu führen! Wie hieß dieser sonderbare Detektiv?« Als Nora den Namen nannte, nickte sie. »Ich erinnere mich, er hatte die Shelton-Sache unter sich. Hoffentlich ist es Ihnen kalt über den Rücken gelaufen, als Sie dieses schauerliche Boot besuchten! Mr. Long interessiert mich, wir wollen ihn an einem Abend zum Essen einladen -doch jetzt müssen wir uns beeilen, unser Gast wartet schon ungeduldig.«
Frederick Henry, ein Rechtsanwalt, der sich auch schriftstellerisch betätigte, zog Nora weder an noch stieß er sie ab. Er war ein guter Unterhalter, sah gut aus und galt als tüchtiger Anwalt. Daß seine häufigen Besuche in Colville Gardens hauptsächlich ihr galten, berührte sie wenig.
Sie zog sich schnell um und folgte dann Miss Revelstoke ins Speisezimmer. Mr. Henry stand an den leeren Kamin gelehnt, die Hände auf dem Rücken, und starrte auf den Teppich. Offenbar beschäftigte ihn ein schwerwiegendes Berufsproblem, denn als die beiden Frauen eintraten, schrak er zusammen und entschuldigte sich.
Sie setzten sich.
»Ich habe da«, begann Mr. Henry bei der ersten Gelegenheit, »eine recht verzwickte Sache übertragen bekommen. Es handelt sich eigentlich um eine eher grausige Geschichte! Haben Sie von Wallis gehört?«
»Ich habe nicht das Vergnügen gehabt«, sagte Miss Revelstoke ohne sonderliches Interesse, »aber ich nehme an, daß es sich um eine berühmte Person handelt, wenn Sie ihn nur beim Familiennamen nennen.«
»Berüchtigt ist ein besserer Ausdruck.« Mr. Henry räusperte sich. »Er war der amtliche Henker. Wallis lebte in Oldham, wir sind die Vertreter seines Anwalts - wenn Sie aber gegen dieses unangenehme Thema etwas einzuwenden haben, rede ich lieber über Schmetterlinge!« Er wandte sich mehr an Nora als an Miss Revelstoke. »Er scheint ein ziemlich liederlicher, in mancher Hinsicht aber auch wieder sehr sparsamer Mensch gewesen zu sein.
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