Und als mein kleingläubig Herz darüber seufzete, wiewohl ich nichts sagete, lächelte sie, und sprach: darumb sorget nicht für den andern Morgen, denn der morgende Tag wird für das Seine sorgen.4

Solche Weissagung thät der heilige Geist aus ihr, wie ich nit anders gläuben kann, und Du auch nitmein Lieber, denn merke, was geschah: Zu Nachmittag war sie, verstehe mein Töchterlein, in den Streckelberg gegangen, um Brommelbeeren zu suchen, weilen der alte Paassch ihr hatte durch die Magd sagen lassen, daß es dorten noch einige Büsche hätte. Die Magd hackete Holz auf dem Hofe, wozu sie sich den alten Paassch sein Beil geliehen, denn meines hatten die kaiserlichen Schnapphähne verworfen, da es nirgend nit zu finden; ich selbsten aber wandelte in der Stuben auf und ab und sanne meine Predigt aus: als mein Töchterlein mit hoher Schürzen bald wieder in die Thüre fuhr, ganz roth und mit funkelnden Augen, konnte aber für Freuden nichts mehr sprechen denn: »Vater, Vater, was hab ich?« »Nun«, geb ich zur Antwort, »was hastu denn mein Kind?« worauf sie die Schürze von einander thät, und trauete kaum meinen Augen, als ich vor die Brommelbeeren, so sie zu hohlen gangen war, darinnen zween Stücke Bernstein glitzern sah ein jegliches fast so groß, denn ein Mannskopf, die kleinen Stücklein nit gerechnt, so doch auch mit unter die Länge meiner Hand hatten, und habe ich weiß Gott keine kleine Hand. Schriee also: »Herzenskind, wie kömmstu zu diesen Gottesseegen?« Worauf sie, als sie gemach wieder zu Athem kame, verzählete wie folgt:

Daß sienach den Beeren suchende in einer Schlucht nahe dem Strande zu, etwas in der Sonnen hätte glizzern gesehen, und als sie hinzugetreten, hätte sie diesen wunderlichen Fund gethan, angesehen der Wind den Sand von einer schwarzen Birnsteinader fortgespielet.5 Hätte sofort mit einem Stöcklein diese Stücken herausgebrochen, und wäre noch ein großer Fürrath vorhanden, massen es unter dem Stocke rings umbher gebullert, als sie ihn in den Sand gestoßen, auch hätte selbiger nit tiefer, als zum höchsten einen Schuh sich in den Boden schieben lassen. Item verzählete sie: daß sie die Stätte wieder mit Sand überschüttet, und darnach mit ihrer Schürzen überwedelt, damit keine Spur nit übrig bliebe.

Im Uebrigen würde dorthin auch kein Fremder so leichtlich kommen, angesehen keine Brommelbeeren in der Nähe ranketen, und sie mehr aus Fürwitz und um nach der Sehe überzuschauen, den Gang gethan, denn aus Nothdurft. Sie selbsten wolle aber schon die Stätte wiederfinden, alldieweilen sie sich dieselbige durch drei Steinlein gemerket. Was nun unser Erstes gewesen, nachdeme der grundgütige Gott uns aus sollicher Noth gerissen, ja uns, wie es der Anschein war, mit großem Reichthumb begabet hatte, kann sich ein Jeglicher selbsten fürstellen. Als wir endlich wieder von unsern Knieen aufstunden, wollte mein Töchterlein zuerst zur Magd laufen und ihr unsere fröhliche Zeitung hinterbringen. Aber ich untersagete es ihr, massen wir nit wissen könnten, ob die Magd es ihren Freundinnen nicht wieder verzählete, obwohl sie sonsten ein treu und gottesfürchtig Mensch sei. Thät sie aber soliches, so würde es sonder Zweifel der Amtshaubtmann erfahren, und unsern Schatz vor Se. fürstliche Gnaden den Herzog, will sagen vor sich selbstenaufheben, und uns nichts nit, denn das Zusehen verbleiben, und darumb unsere Noth bald wieder von vornen beginnen. Wöllten dannenhero sagen, wenn man uns nach unserm Seegen fragen würde, daß mein seliger Bruder so ein Rathsherr in Rotterdamm gewesen uns ein gut Stück Geldes hinterlassen, wie es denn auch wahr ist, daß ich für einem Jahre bei 200 Fl. von ihme geerbet, welche mir aber das Kriegsvolk, wie oben bemeldet, jämmerlich entwendet. Item ich wölle morgen selbsten nach Wolgast gehen und die kleinen Stücklein verkaufen, so gut es müglich wäre, sagende, du hättest sie an der Sehe gefunden; solches kannstu auch meinethalben der Magd sagen, und sie ihr zeigen, aber die großen Stücke zeigestu Niemand nit, die will ich an deinen Ohm gen Hamburg senden, uns solche zu versilbern. Vielleicht, daß ich auch eins davon in Wolgast verkaufe, so ich Gelegenheit hab, umb Dir und mir die Winternothdurft auf den Leib zu schaffen, dahero du mitgehen kannst. Die Witten, so die Gemein zusammengebracht, nehmen wir vors Erste für Fährgeld, und kannstu die Magd uns auf den Abend nachbestellen, daß sie auf der Fähren auf uns harre, umb die Alimenten zu tragen. Dieses Allens versprach sie zu thun, meinete aber, wir könnten erst mehr Birnstein brechen, damit wir was Rechtes in Hamburg kriegeten, was ich auch thate, und dannenhero des andern Tages noch zu Hause verblieb, maßen es uns noch nit an Kost gebrach, mein Töchterlein auch sowohl als ich, uns erst wieder gänzlich recreiren wollten, bevorab wir die Reis' anträten, item wir auch bedachten, daß der alte Meister Rothoog in Loddin, so ein Tischler ist, uns bald ein Kistlein zusammenschlagen würd, um den Birnstein hineinzuthun, dannenhero ich zu Nachmittag die Magd zu ihm schickete, unterdessen wir selbsten in den Strekelberg schritten, allwo ich mir mit meinem Taschenmesser, so ich für dem Feinde geborgen, ein Tännlein abschnitte, und es wie einen Spaten formirete, damit ich könnte besser damit zur Tiefen fahren. Sahen uns aber vorher auf dem Berge wohl umb, und da wir Niemand nit gewahreten, schritt mein Töchterlein voran, zu der Stätte, welche sie auch alsofort wiederfunde. Großer Gott, was hatts hier für Birnstein! – Die Ader ging bei 20 Fuß Länge, wie ich ungefährlich abfühlen mochte, die Tiefe aber kunnte ich nicht ergründen. Doch brachen wir heute außer vier ansehnlichen Stücken, doch fast nit so groß, als die von gestern seind, nur klein Gruuswerk, nicht viel größer als was die Apotheker zu Stänkerpulver6 zustoßen. Nachdeme wir nun den Ort wieder mit äußerstem Fleiß bedecket und bewedelt, wär uns bald ein großer Unfall zugestoßen. Denn uns begegnete Witthansch ihr Mädken, so Brummelbeeren suchte, und da sie fragete, was mein Töchterlein in der Schürzen trug und diese roth würde und stockete, wäre alsobald unser Geheimniß verrathen, hätte ich mich nicht begriffen und gesaget: was gehts dich an, sie träget Tannenzapfen umb damit einzuheitzen, was sie auch gläubte. Wir satzten uns dahero für, in Zukunft nur des Nachts und bei Mondenschein auf den Berg zu steigen, und kamen noch vor der Magd zu Hause woselbst wir unsern Schatz in der Bettstätt verburgen, damit sie es nicht merken sollte.

 

Fußnoten

 

1 stöhnte.

 

2 schicklicher.

 

3 betteln.

 

4 Matth. 6, 34.

 

5 Kommt auch jetzt noch öfter vor, und ist dem Herausgeber selbst begegnet. Doch enthielt die kleine schwarze Ader nur wenige Stücken Bernstein mit Holzkohle vermischt, letzteres ein sicheres Zeichen seines vegetabilischen Ursprungs, worüber beiläufig gesagt, jetzt auch kaum ein Zweifel obwaltet, seitdem man in Preußen sogar ganze Bernsteinbäume aufgefunden hat, und auf dem Museum zu Königsberg bewahrt.

 

6 Wahrscheinlich Räucherpulver.

 

 

Capitel 10.

Wie wir nach Wolgast reisen und daselbsten gute Kaufmannschaft halten.

Zwei Tage darauf, sagt mein Töchterlein, die alte Ilse aber meint drei Tage (und weiß ich nit was wahr ist) seind wir endiglichen zur Stadt gewest, angesehen Meister Rothoog die Kiste nit eher fertig hatte. Mein Töchterlein deckete ein Stück von meiner seeligen Frau ihrem Brautkleid darüber so die Kaiserlichen zwar zerfetzet, doch als sie es darauf wohl draußen liegen lassen, von dem Winde in den Pfarrzaum war getrieben, wo wir es wiederfunden. War auch schon vorher ziemlich unlieblich, sonst achte ich, hätten sie es wohl mit sich geführet. – Umb der Kisten willen aber nahmen wir die alte Ilse gleich mit, so selbige tragen mußte, und da Birnstein eine fast leichte Waare ist, gläubete sie es leichtlich, daß nur etwas Eßwaar in selbiger vorhanden sei. Setzeten also bei Tages Anbruch mit Gott unsern Stecken vor uns. Bei dem Zitze1 lief ein Haase vor uns über den Weg, was nichts Gutes bedeuten soll; ach ja! – Als wir darauf gen Bannemin kamen, fragte ich einen Kerl, ob es wahr sei, daß hier eine Mutter ihr eigen Kind für Hunger geschlachtet, wie ich vernommen. Er sagte ja, und nannte das alte Weib Zissesche.