Aber der gute Kerl ist, wie ich hernachmals erfahren in Stettin an der Pest mit seinem Gesellen verstorben, welches ich ihm nicht gewünschet.9 Darauf wäre bald in große Ungelegenheit kommen. Denn da ich mich sehnete auf meine Kniee zu fallen, und die Zeit nit abwarten konnte, wo ich meine Herberge erreichet, lief ich die Schloßtreppe bei vier Stufen hinauf, und trat in ein klein Gemach, wo ich mich für dem Herrn demüthigte. Aber der Wirth Niclas Gräke folgte mir alsbald, und vermeinete, daß ich ein Dieb sei und wollte mich fest halten, wußte dahero nicht anders los zu kommen als, daß ich fürgabe, ich wäre trunken worden von dem Wein, so mir die fremden Kaufleute gespendet (denn er hatte gesehen, welchen trefflichen Zug ich gethan) angesehen ich heute Morgen noch nüchtern gewesen, und hätte mir ein Kämmerlein aufgesucht umb ein wenig zu schlummern, welche Lüge er auch gläubete (so es anders eine Lüge war; denn ich war ja auch in Wahrheit trunken, obgleich nit vom Wein, sondern von Dank und Andacht zu meinem Schöpfer) und mich derohalben lauffen ließ. –
Doch nun muß ich erstlich meine Historie mit Sr. fürstlichen Gnaden verzählen, wie mir oben fürgenommen. Als ich Anno 22 von ungefährlich mit mein Töchterlein, so damals ein Kind bei 12 Jahren war, hier in Wolgast in dem Schloßgarten lustwandelte, und ihr die schönen Blumen zeigete, so darinnen herfürgewachsen waren, begab es sich, als wir umb ein Buschwerk lenketen, daß wir meinen gnädigen Herrn Herzog Philippum Julium mit Sr: fürstlichen Gnaden dem Herzogen Bogislaff so hier zum Besuche lag, auf einem Hügel stehen und disputiren sahen, wannenhero wir schon umbkehren wollten. Da aber meine gnädige Herren alsbald fürbaß schritten, der Schloßbrücken zu, besahen wir uns den Hügel, wo dieselben gestanden, und erhobe mein klein Mädken alsbald ein laut Freudengeschrei, angesehen, sie einen kostbaren Siegelring an der Erden liegen sahe, so Ihro fürstliche Gnaden ohn Zweifel verloren. Ich sagete dannenhero: komme, wir wollen unsere gnädigen Herren ganz eilend nachgehen, und sagstu auf lateinisch: Serenissimi principes quis vestrum hunc annulum deperdidit10? (Denn wie oben bemeldet hatte ich mit ihr die lateinische Sprach schon seit ihrem siebenten Jahr traktiret) und sagt nun einer: ego; so giebstu ihm den Ring. Item fräget er dich auf lateinisch, wem du gehörest, so sei nit blöde und sprich: ego sum filia pastoris Coserowiensis11 siehe so werden Ihre fürstlichen Gnaden ein Wohlgefallen an dir haben, denn es seind beide freundliche Leute, insonderheit aber der große, welches unser gnädiger Landesherr Philippus Julius selbsten ist.
Solliches versprach sie zu thun; doch da sie im Weiterschreiten merklich zitterte, redete ich ihr noch mehr zu und versprach ihr ein neu Kleid so sie es thäte, angesehen sie schon als ein klein Kind viel umb schöne Kleider gegeben. Als wir dahero auf dem Schloßhof kommen, blieb ich bei der Statue Sr: fürstlichen Gnaden des Herzogen Ernst Ludewig12 stehen, und blies ihr ein, nunmehro dreust nachzulaufen, da Ihre f.G. nur wenige Schritte für uns gingen, und sich schon gegen die große Hauptthüre wendeten. Solliches thät sie auch, blieb aber plötzlich stehen und wollte wieder umbkehren, weil sie sich vor den Sporen Ihrer f.G. gefürchtet, wie sie nachgehends sagete, maßen dieselben fast heftig geknarret und gerastert.
Dieses sahe aber meine gnädige Frau, die Herzoginne Agnes aus dem offenen Fenster, in welchem sie lage und rief, S.f.G. zu: »mein Herre, es ist ein klein Mädchen hinter Euch, so Euch sprechen will, wie es mir scheinet«, worauf Sr.f.G. sich gleich niedlich lächelnd umwendete, so daß meinem kleinen Mädken der Muth alsobald wiederkehrete und sieden Ring in die Höhe haltende auf lateinisch sagete, wie ihr geboten. Darüber verwunderten sich beide Fürsten über die Maßen, und nachdeme Se. fürstliche Gnaden, mein gnädiger Herzog Philippus sich an den Finger gefühlet, antwortete er: Dulcissima puella, ego perdidi13 worauf sie ihm solchen reichete. Davor klopfete er ihr die Wangen und fragte abermals: Sed quaenam es et unde venis?14 worauf sie dreust ihre Antwort thät, und zugleich nach mir an der Statuen mit dem Finger wiese, worauf Se. fürstliche Gnaden mir winketen, näher zu kommen. Dieses Alles hatte auch meine gnädige Frau aus dem Fenster mitgesehen, war aber mit einem Male wegk. Doch kam sie schon zurücke, ehe ich noch zu meinen gnädigen Herren demüthig herangetreten, winkete alsbald meinem Töchterlein, und hielt ihr eine Blinsche15 aus dem Fenster welche sie haben sollte. Da ich ihr zuredete lief sich auch hinan, aber Ihre fürstliche Gnaden kunnte nit so tief niederlangen, und sie nit so hoch über sich umb selbige zu greifen, wannenhero meine gnädige Frau ihr gebot, sie sölle in das Schloß kommen und da sie sich ängstlich nach mir umbschauete mich auch heranwinkete, wie mein gnädiger Herr selbsten, der alsobald die kleine scheue Magd bei der Hand fassete und mit Sr: fürstlichen Gnaden dem Herzogen Bogislaff vorauf ging. Meine gnädige Frau kam uns aber allbereits bei der Thüren entgegen, liebkosete und umbfing mein klein Töchterlein, so daß sie bald dreust wurde, und die Blinsche aß. Nachdem nun mein g. Herr mich gefraget, wie ich hieße, item warumb ich seltsamer Weiß meinem Töchterlein die lateinische Sprache gelernet, antwortete ich: daß ich gar viel durch einen Vetter in Cöln von der Schurmannin16 gehöret und da ich ein fast trefflich ingenium bei meinem Kinde verspüret, auch in meiner einsamen Pfarren genugsam Zeit dazu gehabt, hätte ich nit angestanden, sie von Jugend auf fürzunehmen und zu unterweisen, maßen ich keine Knäblein beim Leben hätte. Darüber verwunderten sich I.I.f.f.G.G. und thaten annoch einige lateinische Fragen an selbige, welche sie auch beantwortete, ohne daß ich ihr etwas einbliese, worauf mein gnädiger Herr, Herzog Philippus auf deutsch sagete: wenn du groß geworden bist und einmal heirathen wilt, so sags mir, dann solltu von mir wieder einen Ring haben und was sonsten noch vor eine Braut gehöret, denn du hast mir heute einen guten Dienst gethan, angesehen mir dieser Ring ein groß Kleinod ist, da ich ihn von meiner Frauen empfangen. Ich blies ihr darauf ein, Sr: fürstlichen Gnaden vor solches Versprechen die Hand zu küssen, was sie auch thät.
(Aber, ach, du allerliebster Gott, versprechen und halten, seind zweierlei Ding! Wo ist jetzt Se: fürstlichen Gnaden? Darumb laß mich immer bedenken: nur Du bist allein wahrhaftig und was Du zusagst hälltstu gewis. Ps. 33, 4.
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