Denn da er nunmehro schon zu tief fiele, und wir nicht wußten, wo wir mit dem Aufwurf bleiben söllten, daß es nit verrathen würd, nahm ich mir für, den Herrn nicht zu versuchen, besondern zu warten, bis mein Fürrath an Gelde fast klein würde, bevorab wir wieder grüben.

Solliches thät sie aber nicht, wiewohl sie es versprochen, und ist aus diesem Ungehorsamb all unser Elend herfürgegangen. (Ach du lieber Gott, welch ein ernst Ding ist es doch umb dein heilig viertes Gebot!) Denn da Ehre Johannes Lampius von Crummin, so mich im Frühjahr heimbgesuchet, mir verzählet, daß der Cantor in Wolgast die opp. St. Augustini2 verkaufen wölle, und ich in ihrer Gegenwärtigkeit gesaget, daß ich solche wohl vor mein Leben gerne kaufen möchte, aber das Geld davor nit übrig hätte, stunde sie ohne mein Wissen des Nachts auf, umb nach Birnstein zu graben, solchen auch so gut sie könnte in Wolgast zu versilbern und zu meinem Geburtstag welcher den 28sten mensis Augusti einfällt, mir heimlich die opp. St. Augustini zu verehren. Den Aufwurf hat sie aber immer mit tännin Zweigen bedecket, so es genugsam in der Heiden hat, damit Niemand nichtes verspüren möchte.

Hierzwischen aber begab sich, daß der junge nobilis Rüdiger von Nienkerken eines Tages angeritten kam, um Kundschaft von dem großen Zauber zu überkommen, so hier im Dorfe sein sölle. Als ich ihme nun solchen verzählet, schüttelte er ungläubig das Haupt und vermeinete daß es mit aller Zauberei fast Lüg und Trug wäre wovor ich mich heftiglich perhorrescirete angesehen ich diesen jungen Herrn für einen klügeren Mann gehalten, und nun sehen mußte, daß er ein Atheiste war. Solches aber merkete er und gab lächelnd zur Antwort, ob ich jemals den Johannem Wierum3 gelesen, so nichts wissen wölle von der Zauberei, und argumentire daß alle Hexen melancholische Personen wären, die sich selbsten nur einbildeten, daß sie einen pactum mit dem Teufel hätten und ihm mehr erbarmens – denn strafwürdig furkämen? Hierauf gabe ich zur Antwort, daß ich solchen zwar nit gelesen, (denn sage, wer kann Allens lesen, was die Narren schreiben?) aber der Augenschein zeige ja hier und aller Orten, daß es ein ungeheurer Irrthumb sei, die Zauberei zu leugnen, inmassen man alsdann auch leugnen könnte, daß es Mord, Ehebruch und Diebstahl gäb.

Aber dieses Argumentum nannte er ein Dilemma4 und nachdeme er viel von dem Teufel gedisputiret, so ich vergessen, da es arg nach Ketzereien roche, sagete er: er wölle mir von einem Zauber in Wittenberg erzählen, so er selbsten gesehen.

Als dorten nämblich ein kaiserlicher Haubtmann vor dem Elsterthore eines Morgens sein gutes Roß bestiegen, um sein Fähnlein zu inspiciren, hebet solches alsobald an, so grimmig zu toben bäumet, schüttelt mit dem Kopfe, prustet, rennet und brüllet, nit wie Pferde sonst thun, daß sie wiehern, sondern es ist anzuhören gewest als wenn die Stimm aus einem Menschenhalse käme, so daß männiglich sich verwundert, und Allens das Rößlein für bezaubert gehalten. Es hätte auch alsobald den Haubtmann abgeworfen, ihm mit seinem Huf den Schädel eingeschlagen, daß er da gelegen und gezappelt, und hätte nunmehro ins Weite wöllen. Da hätte ein Reutersmann sein Handröhr auf das verzauberte Roß abgedrucket, daß es gleich auf den Weg zusammengeschossen und verrecket sei. So wäre er auch mit vielen hinzugetreten dieweil der Obrist alsofort Befehlig an den Feldscheerer gegeben, das Roß aufzuschneiden, umb zu sehen, wie es innerlich mit ihm stünde. Wäre aber alles gut gewest, und beide der Feldscherer und Feldmedicus hätten testificiret daß es ein kern gesund Roß sei, wannenhero denn Allens noch weit heftiger über Zauberei geschrieen. Hierzwischen aber hätte er selbsten (verstehe den jungen Nobilis) gesehen daß dem Rößlein ein feiner Rauch aus der Nasen gezogen, und als er sich niedergebucket, hätte er alsobald einen Lunten herfürgezogen, fast bei eines Fingers Länge, so noch geschwelet, und ihme ein Bube mit einer Nadel heimlich zur Nasen hineingestoßen. Da wäre denn die Zauberei auf einmal vergeschwunden, und man hätte den Thäter nachgespüret, so auch alsobald gefunden wär, nämblich der Reutknecht von dem Haubtmann selbsten. Denn da sein Herr ihm das Wammes ausgeklopfet, hätte er einen Eid gethan, es ihm zu gedenken, so aber der Profost selbsten gehöret, der von ungefährlich am Stall gestanden und geharnet. Item hätte ein anderer Kriegsknecht bezeuget, daß er gesehn wie der Kerl ein Stück von der Lunten geschnitten, kurz zuvor ehe denn er seinem Herren das Roß vorgeführet. – Also meinte nun der junge Edelmann wär es mit jeglicher Zauberei, so man damit auf den Grund ginge, wie ich ja auch selbsten in Gützkow gesehen, wo der Teufelsspök ein Schuster gewest, und würd es auch hier im Dorf wohl auf gleiche Weiß zugestehn. Vor solche Rede wurde ich aber dem Junker von Stund an, als einem Atheisten abhold, wiewohlen ich in Zukunft leider Gottes gesehen hab, daß er fast recht gehabt, denn wäre der Junker nit gewest, wo wäre dann mein Kind?

Doch will ich Nichtes übereilen! – Summa: ich ging fast verdrüßlich über diese Wort in der Stuben umbher, und fing der Junker nunmehro an mit meinem Töchterlein über die Zauberei zu disputiren, bald deutsch und bald lateinisch, wie es ihm ins Maul kam, und sollte sie auch ihre Meinung sagen. Aber sie gab ihm zur Antwort, daß sie ein dumm Ding sei und keine Meinung haben könnte, daß sie aber dennoch gläube, der Spök hier im Dorfe ginge nit mit rechten Dingen zu. Hierüber rief mich die Magd abseiten (weiß nit mehr was sie wollte) doch als ich wieder in die Stuben kam, war mein Töchterlein so roth, wie ein Schaarlachen und der Junker stunde dicht vor ihr. Fragete sie dannenhero gleich als er abgeritten, ob etwas fürgefallen, so sie aber leugnete und erst nachgehends bekannte: daß er in meinem Abwesen gesaget, daß er nur einen Menschen kenne, so zu zaubern verstünde, und als sie ihn gefraget, wer derselbige Mensch denn wäre, hätte er sie bei der Hand gegriffen und gesaget: »Sie ist es selbsten liebe Jungfer, denn sie hat meinem Herzen etwas angethan, wie ich verspüre!« Weiteres aber hätte er nichtes gesaget, als daß er sie dabei mit brennenden Augen ins Angesicht geschauet und darüber wäre sie so roth worden.

Aber so seind die Mädchens, sie haben immer ihre Heimblichkeiten, wenn man den Rücken drehet, und ist das Sprüchwort wahr:

 

Mätens to höden

Un Kücken to möten

Sall den Düwel sülfst vertreten!5

 

wie man leider nachgehends noch weiter finden wird.

 

Fußnoten

 

1 Jesaias 54, 7.

 

2 Die Werke des heiligen Augustin.

 

3 Ein niederländischer Arzt, der lange vor Spee und Thomasius das Unwesen des Zauberglaubens seiner Zeit in der Schrift confutatio opinionum de magorum Daemonomia Frankfurth 1590 angriff, dafür aber von Bodinus und andern, selbst für den ärgsten Hexenmeister verschrieen wurde. Und allerdings ist es auffallend daß derselbe freidenkende Mann früher in einer andern Schrift de praestigiis Daemonum, die Beschwörung der Geister gelehrt, und darin die ganze Hölle mit dem Namen und Zunamen ihrer 572 Teufelsfürsten beschrieben hatte.

 

4 verfänglicher Schluß.

 

5 d.i. etwa Mädchen und Küchlein zu hüthen; soll (wohl) den Teufel selbst verdrießen wobei jedoch zu bemerken, daß die hochdeutsche Sprache das malerische Wort »möten« nicht ausdrücken kann, welches eigentlich bedeutet, mit vorgestreckten Armen das Korn oder irgend einen andern lockenden Gegenstand vor dem Andrange der Thiere zu schützen.

 

Capitel 14.

Wie der alte Seden plötzlich verschwindet, item der große Gustavus Adolphus nachher Pommern kömmt, und die Schanze zu Peenemünde einnimmt.

Mit der Zauberei war es nunmehro eine Zeitlang geruhlig1 so man die Raupen nicht in Anrechnung zeucht, welche mir meinen Obstgarten gar jämmerlich geruiniret, und welches sicherlich ein seltsam Ding war. Denn die Bäumleins blüheten alle so lieblich und holdseelig, daß mein Töchterlein eines Tages sagte, als wir darunter umbher gingen, und die Allmacht des barmherzigen Gottes preiseten, »so uns der Herr weiter gesegnet, ist es diesen Winter bei uns alle Abend heiliger Christ!« Aber es sollte bald anders kommen. Denn es befanden sich im Umbsehen so viele Raupen (große und kleine, auch von allerhand Farb und Colör) auf den Bäumen, daß man sie fast mit Scheffeln messen mochte, und währete nit lange, als meine arme Bäumekens, allesammt wie die Besenreiser aussahen, und das liebe Obst, so angesetzet, abfiel, und kaumb vor meinem Schwein zu gebrauchen war. Will hierbei auf Niemand rathen, doch hatte gleich dabei meine eigenen Gedanken, und habe sie noch. Sonsten stand mein Gerstenkorn, so ich bei 3 Scheffeln in die Worth gestreuet sehr lieblich. Auf dem Felde aber hatte ich nichtes ausgeworfen, angesehen ich die Bosheit des leidigen Satans scheuete. Auch hatte die Gemeine heuer nit viel Seegen an Korn, inmassen sie zumb Theil aus großer Noth keine Wintersaat gestreuet, und die Sommersaat auch nit fort wollte.