Hungrig stets und stets gesättigt, trübt ihr Sehnen keine Noth,

Fühlen nie der Sattheit Ekel, auch die Qual des Hungers nie,

Athmend essen sie beständig, ha und essend athmen sie!

Ewig blüht die Rosenknospe hier im ew'gen Frühling auch

Weiß die Lilie, roth der Krokus, duftend träuft der Balsamstrauch,

Grün die Wiesen, grün die Saaten, und von Honig rinnt der Bach.

Das Aroma süßer Blumen haucht und duftet tausendfach.

Blühnde Wälder tragen Aepfel, deren Stengel nimmer bricht.

Und nicht Sonne, Mond noch Sterne wechseln dorten mehr ihr Licht.

Denn ihr Licht, das nimmer schwindet, ist des Lammes Angesicht.

 

13 Ein Busen, den der Peenefluß in der Nähe bildet.

 

 

Capitel 8.

Wie unsere Noth immer größer wird, ich die alte Ilse mit einem andern Schreiben gen Pudgla sande, und was mir daraus noch für ein größer Leid erfolget.

Als ich des andern Tags mit gemeinem Geschrei, des ganzen Dorfs die elenden Leichname beerdiget (merke, da wo die Linde1 über die Mauer schattet, seind sie alle begraben) hörete ich mit vielen Seufzern, daß auch weder die Sehe noch das Achterwasser etwas hergeben gewöllt. Dies dauerte bei zehn Tagen, daß das arme Volk fast kein Fisches Auge nit kunnte fangen. Ging dahero auf das Feld, und sanne, wie der Zorn des gerechten Gottes über uns zu wenden wär, dieweil der harte Winter vor der Thür und kein Korn, kein Fisch, kein Apfel, kein Fleisch nicht sowohl im Dorfe als im ganzen Kapsel mehr zu finden. Denn Gewilde hatte es zwar genugsam in der Coserowschen und Uekeritzer Heiden, aber der alte Heidenreuter Zabel Nehring war im verschienen Jahr an der Pestilenz gestorben, und noch kein neuer daselbsten. Auch war im ganzen Kapsel keine einige Mousquete oder Kraut dazu aufzufinden, sintemalen der Feind alles geraubet und zubrochen. Wir mußten dahero alle Tage ansehen, wie Hirsche, Rehe, Haasen, Schweine et cet. uns fürbei sprangen, da wir sie doch lieber in unserm Magen gehabt, aber in unserer Unmacht sie nicht gewinnen kunnten. Und in Gruben wollten sie sich nicht fahen lassen. Doch hatte Claus Peer ein Rehe darin gefangen, und mir auch ein Stück davon verehret, was ihm Gott lohnen wölle. Item an zahmen Vieh war fast gar nichtes mehr in Kapsel fürhanden, auch kein Hund, weder eine Katze, welche das Volk in der großen Hungersnoth zum Theile gegessen, zum Theile aber vorlängst geschlagen oder versäufet. Doch hatte der alte Bauer Paassch noch zwei Kühe item soll in Uekeritze noch ein alter Mann ein Ferkelken gehabt haben, das war Alles. Darumb lebete fast alles Volk von Brummel- und andern Waldbeeren, welche aber auch schon begunnten seltsam zu werden, wie man leichtlich gießen mag. Auch hatte sich dabei allbereits ein Knabe bei 14 Jahren verloffen, (den alten Labahn sein Junge) und nie nichtes wieder von sich hören lassen, so daß ich schier befahre, daß ihn die Wülfe gefressen.

Hieraus möge nun ein christlich Herze vor sich selbsten abnehmen, in was Gram und Trübsal ich meinen Stecken zur Hand genommen, angesehen mein Töchterlein für den leidigen Hunger wie ein Schatten verging, obschon ich selbsten als ein alter Körper, durch die Gnade des barmherzigen Gottes noch keinen sonderbaren Abgang meiner Kräft verspürete. Indeme ich nun so ginge im fortwähren zu dem Herrn wimmernd, gewahrete ich auf dem Wege gen Uekeritze so ich eingeschlagen, einen Bettlersmann, der saß mit seinem Ränzel auf einem Stein und verzehrete ein Stücklein seltene Gottesgabe, verstehe ein Stücklein Brod. Ach, da liefen mir armen Mann die Backen so voll Wassers, daß ich mich erst bücken und es zur Erde mußte laufen lassen, ehe ich fragen kunte: »wer bistu, und wo kommstu her, daß du Brod hast?« Worauf er antwortete: daß er ein armer Mann aus Bannemin sei, deme der Feind Allens genommen, und da er erfahren, daß der Lieper Winkel2 fast lange Frieden gehabt, hätt' er sich aufgemacht daselbsten zu schnurren. »Nunsage ich darauf: du armer Bettlersmann, so theile einem betrübten Diener Christi der ärmer ist denn du, nur eine kleine Schnede3 Brodt für sein armes Töchterlein ab, denn du sollt wissen, ich bin ein Pfarrherr hier im Dorf und mein Kind will sterben für Hunger. Ich beschwere dich bei dem lebendigen Gott, daß du mich nit gehen lässest, ohne dich mein zu erbarmen, wie man sich dein erbarmet hat.« Aber der Bettlersmann wollte mir nichts abtheilen, sprechende: daß er selbsten ein Weib und vier Kinder hätte, die auch dem bittern Hungerstode zuwanketen, massen die Noth in Bannemin noch viel größer sei, denn hier, wo wir doch Beere hätten. Ob ich nit erfahren, daß vor wenig Tagen dort ein Weibsbild (die er auch nennete, hab es aber für Schrecken nicht gleich beachtet) ihr eigen Kind geschlachtet, und für Hunger aufgezehret4? Könne mir dahero nicht helfen und möchte ich selbsten nach dem Lieper Winkel gehen.

Für solche Rede entsatzte ich mich, wie leicht zu erachten, da in unserer Noth noch nichts daran vernommen, auch wenig oder gar kein Wanken ist, von einem Dorf in das andere, und an Jerusalem gedenkend5 und schier verzweifelnde, daß uns der Herr heimsuchete, wie weiland diese gottlose Stadt, wiewohl wir ihn nicht verrathen noch gekreuziget, vergaß ich fast meiner Noth, und setzte meinen Stecken an, umb fürbast zu gehen. Doch war ich kaum ein paar Ehlen geschritten, als mir der Bettlersmann nachrief, daß ich stehen söllte. Wanndte mich dahero wieder als er mir mit einer guten Schnede Brod, so er aus seinem Queersack gehohlet entgegentrat und sprach: Da! äwer bedet uck för mi, datt ick to Huuse kame, denn wenn se unnerweges rücken, datt uk Brod hebbe, schleht mi min egen Broder dod, köhnt gi glöwen.6 Solliches versprach mit Freuden, und kehrete flugs um, meinem Töchterlein den heiligen Christ zu bringen, so ich in meiner Rocktaschen verborgen. Doch siehe, als ich gegen die Straßen komme, so vom Wege nach Loddin führet (vorhero hatt' ich es in meiner Betrübniß übersehen) trauete kaum meinen Augen, als ich alldorten mein Ackerstück bei sieben Scheffeln groß, begatet7 besäet und bestaudet antraff, so daß die liebe Roggensaat, schon bei eines Fingers Länge lustig aus der Erden geschossen war. Konnte nicht anders gläuben, als daß der leidige Satan mir ein Blendwerk fürgespielet; doch wie ich mir auch die Augen riebe, es war Roggen und bliebe Roggen. Und weilen den alten Paassch sein Stück so daneben stieß imgleichen besäet und die Hälmlein zu gleicher Höhe mit den meinigen geschossen waren, kunnte gar leicht bei mir abnehmen, daß der gute Kerl solliches gethan, anerwogen die andern Stücken allesammt wüste lagen. Verziehe ihm dahero gerne, daß er den Morgenseegen nit gewußt und dem Herrn dankend vor so viel Liebe bei meinen Kapselkindern und ihn brünstiglich anflehend: er wölle mir Kraft und Glauben gewehren, bei ihnen nunmehro auch unverdrossen auszuhalten, und alle Kümmernüß und Trübsal so er nach seinem grundgütigen Willen uns ferner auferlegen söllte, williglich zu tragen, lief ich mehr denn ich ginge in das Dorf zurücke und auf den alten Paassch seinen Hof, wo ich ihn antraf, daß er eben seine Kuh zuhauete, so er für grimmigem Hunger nunmehro auch geschlachtet. »Gott hilf dir!« sage ich »du frommer Kerl, daß du mir meinen Acker begatet hast, wie soll ich dir's lohnen?« Aber der alte Mann gab zur Antwort: Lat he dat man wesen und bede he man för uns8 und als ich solliches gerne zusagete und ihn fragete: wie er sein Korn für dem grimmigen Feind geborgen, verzählete er mir, daß er es in der Höhlen im Streckelberge heimlichen versteckt gehabt, nunmehro aber auch all sein Fürrath aufgezehret sei. Inzwischen schnitt er ein groß schön Stück Fleisch dem Haubt aus der Lenden und sprach: da hett he uck wat, und wenn et All iß, kann he noch eiß kamen.9 Als ich nun mit vieler Danksagung gehen wölk, griff mich seine kleine Marie bei der Hand, ein Kindlein bei sieben Jahren, so im Streckelberge das Gratias gebetet und wollt mit zu meiner Tochter nach der Schulen. Da, wie vorbemeldet, mein custos in der Pestzeit auch dieses Zeitliche gesegnet, muß sie die Paar kleinen Kinder im Dorf informiren, welches aber seit lange unterblieben. Wollt es ihr dahero nicht wegern, obwohl ich gleich besorgete, daß mein Töchterlein das Brod mit ihr theilen würd, angesehen sie das Mägdlein sehr lieb hatte, da es ihre Päthe war. Und so geschahe denn auch. Denn als das Kind sahe, daß ich das Brod herfürlangete, schriee es gleich für Freuden auf und begunnte auf die Bank zu klettern.