Daher bekam sie einen Theil von der Schnede, einen Theil unsere Magd und den dritten Theil steckte mein Töchterlein in den Mund, da ich Nichtes haben wollte, sondern sprach: ich verspüre keinen Hunger und wölle warten bis sie das Fleisch gesotten, welches ich nunmehro auf die Bank wurf. Da hätte man sehen sollen, welche Freude mein armes Kind empfund, zumalen ich ihr nun auch von dem Roggen verzählete. Sie fiel mir umb meinen Hals, weinete, schluchzete, hob alsdann das kleine Mägdlein auf ihre Arme, tanzete mit selbiger in der Stuben und recitirete nach ihrer Weiß dazu allerhand lateinische versus so sie auswendig wußte. Nun wollte sie uns auch ein recht schön Abendbrod zurichten, da in einer Fleischtonnen, so die Kaiserlichen zuschlagen, noch ein wenig Salz auf dem Boden geblieben. Ließ sie also ihr Wesen treiben, und kratzete etwas Ruß aus dem Schornstein, so ich mit Wasser vermengete, riß alsdann ein fast weißes Blatt aus dem Virgilio und schriebe an den pastorem Liepensem, Ehre Abrahm Tiburtius: Daß er umb Gottes willen sich wölle unsere Noth zu Herzen gehen lassen, und seine Kapselleute vermahnen, daß sie uns für dem grimmigen Hungertod schützen und mildthätiglich an Speise und Trank abtheilen wöllten, was der grundgütige Gott ihnen gelassen, angesehen ein Bettlersmann mir verzählet, daß sie seit langer Zeit Friede für dem erschröcklichen Feind gehabt. – Wußte aber nit, womit ich den Brief verschließen söllte, als ich in der Kirchen noch ein wenig Wachs an einem hölzernen Altarleuchter funde, so die Kaiserlichen nicht werth geachtet, daß sie ihn aufhüben, und nur die messingschen mit sich geführet hatten. Mit solchem Brief mußten sich drei Kerls und der Fürsteher Hinrich Seden in ein Boot setzen und nach der Liepe aufmachen.

Eher noch stellte aber meiner alten Ilsen für so aus der Liepe bürtig war, ob sie nit lieber wöllte mit in ihre Heimath ziehen, maßen sie sähe, wie es stünd, ich ihr auch vors Erste keinen Witten an Lohn geben künnte. (Merke: sie hatte sich ein schön Sümmlein ersparet, angesehen sie länger denn 20 Jahre bei mir in Dienst gewest, aber das Kriegsvolk hatte ihr Allens abgenommen.) Aber ich kunnte sie nicht dazu bringen, sondern sie weinete bitterlich und bate, daß ich sie nur bei der guten Jungfer lassen söllte, so sie schon in der Wiegen gekennet. Wöllte gerne mit uns hungern, wenn es sein müßt, möchte sie nur nit verstoßen. Dahero ließ ich sie und fuhren die Andern allein ab.

Unterdeß war auch die Suppen gar worden. Doch als wir kaum das Gratias gebetet, und zulangen wollten, kamen alle Kindlein aus dem ganzen Dorfe bei sieben an der Zahl zur Thüre herein, und wollten Brod haben, welches sie von meiner Tochter ihrer kleinen Päthe gehöret. Da brach selbiger nun wieder das Herze, und obgleich ich sie bate, sich hart zu machen, vertröstete sie mich doch mit der Lieper Bothschaft, und kellete einem jeden Kindlein sein Theil Suppen auf einen hölzernen Teller (denn diese hatte der Feind nicht geachtet) und stach ihm auch ein wenig Fleisch in die Händeken, sodaß unser Fürrath mit einmal aufgezehret ward. Blieben dahero des andern Morgens wieder nüchtern bis gegen Mittag, wo das ganze Dorfsich auf der Wiesen am Ufer versammblet hatte, als das Boot zurücke kam. Aber Gott erbarm's, wir hatten fast umbsonst gehoffet! – Nur sechs Brode und ein Hammel item ein Viert Backäpfel war allens was sie hatten. Denn Ehre Abraham Tiburtius schriebe mir, daß, nachdem das Geschrei von ihrem Reichthumb über die ganze Insel erschollen, soviel Bettlersleute bei ihnen umbgingen, daß sie ihnen unmüglich gerecht werden künnten, angesehen sie selbsten nicht wüßten, wie es noch mit ihnen in dieser schweren betrübten Zeit ablaufen würd. Indessen wöllte er sehen, ob er noch mehr auftreiben künnte. Ließ also den kleinen Fürrath mit vielem Seufzen in die Widemen tragen, und obgleich zwei Brode wie pastor lipensis schriebe, vor mich allein sollten, gabe ich sie doch mit in die Theilung, womit auch Alle sich zufrieden stellten, ausgenommen den alten Seden sein gluderäugigt Weib nit, so noch apart für ihren Mann seine Reise etwas haben wollte, was aber, wie leicht zu erachten, nit geschah, weshalben sie wieder, da sie abzoge, etzliche Worte zwüschen die Zähne mummelte, die aber Niemand nit verstand. Es war ein schier verrucht Weib, so sich durch Gottes Wort nicht beikommen ließ.

Nun kann aber männiglich von sich selbsten abnehmen daß solcher Fürrath nit lange aushielt. Da nun zugleich auch bei allen Kapselleuten ein brünstig Verlangen nach der geistlichen Speise sich verspüren ließ; ich selbsten und die Fürsteher aber nur 8 Witten10 im ganzen Kapsel auftreiben kunnten, so nit auslangeten, umb Brod und Wein anzuschaffen, kam ich auf die Gedanken, abermals dem Herrn Ambthaubtmann unsere Noth zu vermelden. Mit wie schwerem Herzen ich solliches that, kann man leicht erachten. Aber Noth kennt kein Gebot. Riße dahero auch das Hinterblättlein aus dem Virgilio und bate, ümb der heiligen Dreieinigkeit willen, daß Seine Gestrengen sich meiner und des ganzen Kapsels gemeine Noth wöllte zu Herzen gehen lassen, und ein wenig Geld hergeben, zum Trost der betrübten Seelen das heilige Sacrament zu halten, auch wo müglich einen Kelch zu kaufen, so er auch nur von Zinne sein söllte, sintemalen der Feind die fürhandenen geraubet, und ich sonsten gezwungen wär das heilige Nachtmal in einem Topf zu consacriren. Item möcht er sich auch unserer leiblichen Noth erbarmen, und mir endiglichen mein, seit so viel Jahren hinterstelliges Mistkorn verabreichen. Wölke es nicht allein vor mich selbsten haben sondern es gern mit dem ganzen Kapsel theilen, bis der grundgütige Gott mehr bescheeren würd.

Hierzwischen fiel mir aber ein stattlicher Kläcks auf das Papier. Denn da die Fenster mit Brettern verspundet waren, ware das Zimmer tunkel und nur ein wenig Licht kam durch zwei kleine Scheiblein Glas, so ich aus der Kirchen gebrochen, und hineingesetzet. Solliches mochte wohl die Ursache sein, daß ich mich nit besser fürsah. Da ich aber kein neues Stücklein Papier mehr auftreiben kunnte, ließ ich es passiren, und befahle der Magd, so ich mit dem Brieflein gen Pudgla sandte, solliches bei Sr. Gestrengen, dem Herrn Ambtshaubtmann zu entschuldigen, welches sie auch zu thun versprach; angesehen ich selbsten kein Wörtlein mehr auf dem Papier beisetzen kunnte, dieweil alles beschrieben war. Siegeln thät ich es, wie vorbemeldet.

Allein die arme Person kehrete zitternd für Angst und weinend zurücke, und sprach: Seine Gestrengen hätte sie mit dem Fuß aus der Schloßpforten gestoßen und gedräuet, sie in den Ganten11 setzen zu lassen, so sie wiederumb vor ihn käme. Ob der Pfaffe gläube, daß ihm das Geld so loose säß, wie mir die Tinte, hätte ja Wasser genug das Abendmahl zu halten.