Denn hätte Gottes Sohn einmal das Wasser in Wein gewandelt, könnt er's auch öftermalen. Hätt' ich keinen Kelch sollt ich meine Schaaf aus einem Eimer tränken, wie er's auch thät, und was solcher Gotteslästerungen mehr waren, so er mir nachgehends auch selbsten schriebe, und wovor ich mich, wie leicht abzunehmen, auf das erschröcklichste entsatzte. Von dem Mistkorn verzählete sie, hätte er gar Nichtes gesagt. In solcher meiner großen Seelen- und Leibesnoth kam der liebe Sonntag heran, wo fast die ganze Gemeind zu Gottes Tisch gehen wollt, aber nicht kunnte. Ich sprach dannenhero über die Worte St. Augustins: crede et manducasti12 wobei ich fürstellete, daß die Schuld nit mein und treulichen erzählete, wie es meiner armen Magd in Pudgla ergangen, doch dabei noch Vieles verschwiege, und nur Gott bate, er wölle das Herz der Obrigkeit zu unserm Frommen erwecken. Kann auch in Wahrheit sein, daß ich härter gesprochen, denn ich gegläubet, was ich nit mehr weiß, sintemalen ich sprach: wie mir umb's Herze war. Zum Schluß mußte die ganze Gemeine auf ihre Knie fallen bei einer Stunde lang und den Herrn umb sein heilig Sacrament anrufen, item umb Linderung ihrer Leibesnoth, wie solliches zeithero auch alle Sonntage und sonsten in den täglichen Betstunden geschahe, so ich seit der schweren Festzeit zu halten gewohnt gewest. Endelichen stimmte ich noch das feine Liedlein an: wenn wir in höchsten Nöthen sein, worauf nicht sobald geschlossen als mein neuer Fürsteher Claus Bulk von Uekeritze, so früher ein Reutersmann bei Sr. Gestrengen gewesen, und den er nunmehro zu einem Bauern eingesetzet, gen Pudgla rannte, und avertirte, was in der Kirchen fürgefallen. Solliches verdroß Sr. Gestrengen heftiglichen, so daß er den ganzen Kapsel, noch bei 150 Köpfen stark, die Kinder ungerechnet, zusammenrief, und ad protocollum diktirte, was sie von der Predigt behalten, maßen er Seiner fürstlichen Gnaden dem Herzogen von Pommern zu vermelden gesonnen, welch gotteslästerliche Lügen ich gegen ihn ausgespieen, wovor ja ein christlich Herz erschrecken müßt; item welch ein Geizhals ich wär, daß ich nur immer von ihm haben wöllt, und ihn in dieser harten und schweren Zeit, sozusagen tagtäglich mit meinen Sudelbrieffen anrennete, wo er selbsten vor sich nichts zu essen hätte. Das söllte dem Pfaffen den Hals brechen, da Se. fürstliche Gnaden alles thät, was er fürzustellen käme, und brauchte Niemand im Kapsel mir Nichtes mehr zu verabreichen sondern sie söllten mich nur lauffen lassen. Er wölle schon sorgen, daß sie einen ganz andern Priester wieder erlangeten, denn ich wär.
(Möchte den aber wohl sehen, der sich in sollich Unglück hineinzubegeben entschlossen gewesen wär.) Diese Botschaft wurde mir aber noch in selbiger Nacht hinterbracht, wovor ich fast heftig erschrack, angesehen ich wohl einsahe, daß ich nun nit einen gnädigen Herrn an Sr. Gestrengen bekommen, sondern Zeit meines erbärmlichen Lebens, wenn ich es anderst söllte fristen können, eine ungnädige Herrschaft haben würd. Doch tröstete mich bald ein Etwas, als Chim Krüger aus Ueckeritze, so mir solches hinterbrachte, ein Stücklein von seinem Ferkel aus der Taschen zog, das er mir verehrete. Darüber kam auch der alte Paassch hinzu, welcher dasselbe sagte, und noch ein Stücklein von seiner alten Kuh herfürlangte, item mein anderer Fürsteher Hinrich Seden mit einer Schnete Brod, und einem Braxen13, so er in den Reusen gehabt, alle sagende: daß sie keinen bessern Priester wöllten, als ich, und möchte ich nur bitten, daß der barmherzige Gott mehr bescheeren wölle, wo es mir dann auch an Nichtes fehlen söllt, inzwischen aber söllte ich stille sein, und sie nit verrathen. Solliches gelobte ich Alles zu thun, und mein Töchterlein Maria hob alsobald die liebe Gottesgab von dem Tische und trug sie in die Kammer. Aber o Jammer, des andern Morgens als sie das Fleisch in den Grapen thun wollte, war Allens fort! Weiß nichtwer mir dieses neue Herzeleid bereitet doch meine fast, daß es Hinrich Seden sein böses Weib gethan, sintemalen er nicht schweigen kann, und ihr wie gläublich, wohl alles wiedererzählet. Auch hat Paasschen sein klein Töchterlein gesehen, daß sie zum andern Mittag Fleisch in dem Topf gehabt, item daß sie mit ihrem Mann gehaddert, und nach ihme mit dem Fischbrett geschmissen, auf welchem noch frische Fischschuppen gesessen; hätte aber sich gleich begriffen, als sie ihrer gewahr worden. (Pfui dich alte Hexe, es wird genug wahr sein!) Dahero blieb uns nichts übrig, als unsere arme Seele mit Gottes Wort zu speisen. Aber auch diese war so verzaget, daß sie nichts mehr annehmen wöllte, so wenig als der Magen. Denn mein arm Töchterlein insonderheit, ward von Tag zu Tag blasser, grauer und gelber, und spiee immer wieder die Speiß aus, da sie Allens ohne Salz und Brod genoß. Wunderte mich schon lange, daß das Brod aus der Liepe nit wollte all werden, sondern ich alle Mittag bisher ein Stücklein gehabt. Hatte auch öftermalen gefraget, wo hastu denn immerfort das liebe Brod her, am Ende hebest du Alles vor mich allein auf, und nimmst weder vor dich ein Stücklcin, noch vor die Magd. Aber beide hoben dann immer ein Stücklein tannen Bork14 in die Höhe, so sie zurecht geschnitten und vor ihren Teller gelegt, und da es dunkel war in der Stuben, merkete ich die Schalkheit nit, sondern gläubete sie äßen auch Brod. Aber endiglichen zeigt es mir die Magd an, daß ich es nit länger leiden söllte, dieweil mein Töchterlein ihr selbsten nit hören wölle. Da kann nun männiglich abnehmen, wie mir um das Herze war, als ich mein arm Kind auf ihr Moosbett liegen und ringen sah mit dem grimmigen Hunger. Aber es sollte noch härter kommen, denn der Herr wollte mich ganz zerschlagen in seinem Zorn wie einen Topf.
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