Siehe auf den Abend desselbigen Tages kommt der alte Paassch angelaufen klagende, daß all sein und mein Korn im Felde umbgehaket und elendiglich zerstöret sei, und müsse dies schier der leidige Satan gethan haben, angesehen nicht die Spur eines Ochsen weder eines Rosses zu sehen wär. Für solche Rede schriee mein arm Kind laut auf und fiel in Unmacht. Wollte ihr dahero zu Hülfe springen, aber ich erharrete nit ihr Lager, sondern fiel für gräulichen Jammer selbsten zur Erden. Als nun die Magd wie der alte Paassch ein laut Geschrei herfurstießen, kamen wir zwar wieder bei uns, aber ich konnte mich nit allein mehr von der Erden erheben, so hatte der Herr meine Gebein zermalmet. Bate daher, als sie mir beisprangen, so wöllten mich nur liegen lassen, und als sie solches zu thun sich wegerten, schriee ich, daß ich doch gleich wieder zur Erden müßt' ümb zu beten und möchten sie nur Alle bis auf mein Töchterlein aus der Stube gehn. Solliches thäten sie, aber das Beten wollte nit gehen. Ich geriethe in schweren Unglauben und Verzweiflung, und mürrete wieder den Herrn, daß er mich härter plagete denn Lazarum und Hiob. Denn dem Lazaro schriee ich Elender, hattest du doch die Brosamen und die barmherzigen Hündlein gelassen, aber mir hast du nichts gelassen, und bin ich selber schlechter vor dir, denn ein Hund geachtet, und den Hiob hast du nicht gestrafet, ehe du gnädiglich ihm seine Kinder genommen, mir aber lässest du mein arm Töchterlein, daß ihre Qual meine eingene noch tausendfältiglich häufen muß. Siehe darumb kann ich dich nichts mehr bitten, denn daß du sie bald von dieser Erden nimmst, damit mein graues Haubt ihr freudig nachfahren könne in die Grube! Wehe ich ruchloser Vater, was hab' ich gethan? Ich hab Brod gessen und mein Kindlein hungern lassen! O Herr Jesu, der du sprichst: welcher ist unter euch Menschen, so ihn sein Sohn bittet um Brod, der ihm einen Stein biete? Siehe ich bin dieser Mensch, siehe ich bin dieser ruchlose Vater, ich habe Brod gessen und meinem Töchterlein Holz geboten, strafe mich, ich will dir gerne stille halten! O mein gerechter Jesu, ich habe Brod gessen und meinem Töchterlein Holz geboten! – Als ich solliches nicht redete sondern laut herfürschrie, indem ich meine Hände range, fiel mir mein Töchterlein schluchzend umb den Hals, und strafete mich, daß ich gegen den Herrn murrete, da doch sie selbsten als ein schwach und gebrechlich Weib gleichwohl nicht an seiner Gnade verzweifelt sei; so daß ich bald mit Schaam und Reue wieder zu mir selbsten kam, und mich vor dem Herrn demüthigte für solche Sünden.
Hierzwischen war aber die Magd mit großem Geschrei in das Dorf gerannt, ob sie ein wenig für ihre arme Jungfer gewinnen möcht. Aber die Leute hatten ihr Mittag schon verzehret und die Meisten waren auf der Sehe, sich die liebe Nachtkost zu suchen; dahero sie nichts gewann, angesehen die alte Sedensche so allein noch einen Fürrath gehabt, ihr nichts hätte verabreichen wöllen, obschon sie selbige um die Wunden Jesu gebeten.
Solliches verzählete sie noch, als wir es in der Kammer poltern höreten, und alsobald ihr guter alter Ehekerl, der dorten heimlich in das Fenster gestiegen war, einen Topf mit einer kräftigen Suppen uns brachte, so er seinem Weibe von dem Feuer gehoben, die nur einen Gang in den Garten gethan. Er wisse wohl, daß sein Weib ihm dieses baß vergelten würde, aber das söllt ihn nicht verdrießen, und möchte die Jungfer nur trinken, es wäre gesalzen und Allens. Er wölle nur gleich wieder durchs Fenster eilen und sehen, daß er vor seinem Weibe ins Haus käme, damit sie es nicht merken thät, wo er gewesen. Aber mein Töchterlein wollte den Topf nit nehmen, was ihn sehr verdroß, so daß er ihn fluchend zur Erden setzte und wieder in die Kammer lief. Nicht lange, so trat auch sein gluderäugigt Weib zur Vorderthüren herein, und als sie den Topf auf der Erden noch dampfen sahe, schriee sie: »du Deef15 du verfluchtes deefsches Aas« und wollte meiner Magd in die Mütze fahren. Ich bedräuete sie also, und verzählete, was fürgefallen; wöllte sie es nit gläuben so möcht sie in die Kammer gehen und durchs Fenster schauen, wo sie ihren Kerl vielleicht noch laufen säh. Sollichtes that sie, und höreten wir sie auch alsogleich ihrem Kerl nachschreien: Teuf di sall de Düwel de Arm utrieten, kumm mie man wedder int Huus16 worauf sie wieder hereintrat, und mummelnd den Topf von der Erden hob. Ich bat sie umb Gottes willen, sie wölle meinem Töchterlein ein wenig abtheilen, aber sie höhnete mich und sprach: ji koehet ehr jo wat vör prädigen, aß ji mie dahn hebt17 und schritt mit dem Topf zur Thüren. Zwar bat mich mein Töchterlein ich söllte sie lassen, aber ich konnt nicht umbhin, daß ich ihr nachschrie: um Gottes willen nur einen guten Trunk, sonst giebt mein armes Kind den Geist auf; willtu, daß Gott sich dein am jüngsten Tage erbarme, so erbarme dich heute mein! Aber sie höhnete uns abermals und rief: he kann sich jo Speck kaken18, und schritt aus der Thüren. Sandte ihr also die Magd nach mit der Sanduhr, so vor mir auf dem Tische stund, daß sie ihr selbige bieten möcht' vor einem guten Trunk aus ihrem Topf. Aber die Magd kam mit der Sanduhren wieder und sagte: sie hätt es nicht gewollt. Ach wie schriee und seufzete ich nun abermals, als mein arm sterbend Kind den Kopf mit einem lauten Seufzer wieder in das Moos steckete! – Doch der barmherzige Gott war gnädiger, als ich es mit meinem Unglauben verdient. Denn, da das hartherzige Weibsbilde dem alten Paassch ihrem Nachbarn ein wenig Suppen mitgetheilt, bracht' er sie sogleich vor mein Töchterlein, da er von der Magd wußte, wie es umb sie stünde, und achte ich, daß diese Suppen, nebst Gott, ihr allein das Leben erhalten, dieweil sie gleich wieder das Haupt aufreckte, als sie selbige genossen, und nach einer Stunden schon wieder im Hause umbhergehen konnte. Gott lohn's dem ehrlichen Kerl! Hatte dahero noch heute große Freud in meiner Noth; doch als ich am Abend beim Kaminfeuer niedersaß, und an meine Verhängnüß gedachte, brach wieder der Schmerz herfür, und beschloß nun mehro mein Haus und meine Pfarre selbst zu verlaufen, und als ein Bettlersmann mit meiner Tochter durch die weite Welt zu ziehen. Ursache kann man genugsam denken. Denn da nunmehro alle Hoffnung mir weggestochen war, massen mein ganzes Feld geruiniret, und der Amtshaubtmann mein ergrimmter Feind worden war, ich auch binnen fünf Jahren keine Hochzeit, item binnen einem Jahr nur zwo Taufen gehabt, sahe meinen und meines Kindes Tod für Augen, dieweil gar nit abzusehen, daß es vors Erste besser söllte werden. Hiezu trat die große Furcht in der Gemein. Denn obwohl sie durch Gottes wunderliche Gnade schon anfingen manchen guten Zug beides in der Sehe wie im Achterwasser zu thun, auch mancher in den andern Dörfern sich schon Salz, Brod, Grütze etc. von den Anklammschen und Lassanschen Pöltern und Quatznern19 vor seine Fische hatten geben lassen, brachten sie mir doch Nichtes, weil sie sich scheueten, daß es möcht gen Pudgla verlauten, und sie einen ungnädigen Herrn haben. Winkete dannenhero mein Töchterlein neben mich, und stellte ihr für, was mir im Gedanken lage. Der grundgütige Gott könne mir ja immer eine andere Gemeinde wieder bescheeren, so ich sollte solcher Gnade würdig vor ihm befunden werden, angesehen die grimmige Pest- und Kriegeszeit manchen Diener seines Worts abgerufen, ich auch nicht, wie ein Miethling von seiner Heerde flöhe, besondern bis dato Noth und Tod mit ihr getheilet.
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