Gesetzt, daß auch meine Christiane in dem ersten Jahre nicht so würde, als es meine Liebe verlangt: so werde ich Ihnen die Schuld nicht beimessen. Ich belohne nicht den Ausgang der Sache, sondern Ihre edlen Absichten.
LORCHEN. Überhäufen Sie mich nicht mit Wohltaten. Ich verlange den Reichtum ebensowenig als die Armut. Fünftausend Taler würden mich beunruhigen, wenn ich sie behielte; und sie würden mich auch beunruhigen, wenn ich sie nicht allemal wohl anwendete. Und so viel traue ich mir nicht zu. Nein, Herr Simon, machen Sie mich nicht reich. Geben Sie mir nur so viel, als man braucht, wenn man nicht gehorchen und nicht befehlen will. Es ist Glück genug, wenn ich in die Umstände komme, daß ich mir von der Frau Richardin keine Wohltaten mehr erweisen lassen darf und die unschuldige Christiane so erziehen kann, als ich wünsche. Ich will gehen und ihr unsern Vorschlag eröffnen. Kommen Sie mit, Herr Ferdinand, damit es mehr Eindruck hat! Sie aber, Herr Simon, können indessen zu Ihrer Frau Schwiegermama[464] ins Betzimmer gehen. Sie wird Ihnen die Zeit nicht lang werden lassen. Doch in ihrer Betstunde wird sie Ihren Besuch wohl nicht annehmen. Suchen Sie sie nur auf: sie wird doch wenigstens mit Ihnen in diese Stube gehen müssen.
Ende des ersten Aufzugs.[465]
Zweiter Aufzug
Erster Auftritt
Frau Richardin. Simon.
FRAU RICHARDIN. Sie kamen, als wenn Sie gerufen wären. Ich wollte eben gern ein Wort mit Ihnen allein reden. Nehmen Sie es mir nicht übel, daß ich Sie nicht in meine Betstube geführt habe, es sieht nicht gar zu ordentlich darinnen aus. Ist mir's doch recht lieb, daß Herr Ferdinand nicht bei Ihnen ist. Wo ist er denn?
SIMON. Er hat, glaube ich, noch einige Kleinigkeiten wegen unserer morgigen Abreise zu besorgen. Er wird gar nicht lange außen bleiben.
FRAU RICHARDIN. Nun! Sie sollen meine Tochter haben, wenn Sie sie in Ehren halten und ihr treu und gewärtig sein wollen.
SIMON. Ich danke Ihnen unendlich für dieses Geschenk. Sie können versichert sein, daß ich Ihre Jungfer Tochter wie mich lieben werde.
FRAU RICHARDIN. Ja, das ist alles gut. Die Ehen werden im Himmel geschlossen, und durch Beten und Singen kömmt Liebe und Segen in die Ehe. Halten Sie ja meine Tochter zum Gebete an, und lassen Sie sie die gottlosen Moden in Kleidern nicht mitmachen. Ich habe noch ganz hübsche Kleider. Von diesen will ich ihr etliche mitgeben, und sie kann sie mir und meinen Großeltern zu Ehren noch zeitlebens tragen.
SIMON.
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