Nun gut - jedenfalls können wir uns nicht auf Vermutungen verlassen!«
Jim stimmte ihm bei. In letzter Zeit war aber so viel passiert, daß er einfach nicht mehr daran gedacht hatte.
»Je länger ich über den Fall nachdenke, um so nutzloser kommen mir meine Nachforschungen vor, Mr. Salter, und selbst wenn ich Lady Mary finden sollte - Sie sagen ja selbst, daß ich auch dann den Groats das Vermögen noch lange nicht abjagen könnte!«
Mr. Septimus Salter antwortete nicht sofort. Er hatte sich ja eigentlich gar nicht mehr auf die Geschichte einlassen wollen. Doch - Theorien waren keine Tatsachen, und er konnte sich der Einsicht nicht verschließen, daß man der endgültigen Lösung vieler Geheimnisse um ein gutes Stück näherkommen würde, wenn erst einmal das Verschwinden Lady Marys aufgeklärt wäre.
»Also, kümmern Sie sich um die Firma Selenger!« rief Salter schließlich. »Vielleicht finden Sie heraus, daß Ihre Nachforschungen doppelt nützlich sind, sowohl um Lady Mary aufzufinden als auch um die Identität Ihrer jungen Freundin festzustellen. Verderben können Sie jedenfalls nichts, wenn Sie es versuchen!«
17
Eunice hörte um zwölf Uhr nachts einen Wagen vor dem Haus halten. Sie war noch nicht zu Bett gegangen, darum sah sie vom Balkon aus nach, wer es war. Sie erkannte Digby Groat, der eben die Stufen zur Haustür emporstieg.
Sie schloß die Tür wieder und zog die Vorhänge vor. Da sie noch nicht müde war, kramte sie noch in ihren Sachen und räumte ein wenig auf. Dann stand sie unschlüssig da, in irgendeine Überlegung vertieft, als sie draußen ein Geräusch hörte. Jemand schlich leise über den Steinboden des Balkons, sie täuschte sich nicht. Schnell drehte sie das Licht aus, trat ans Fenster, zog geräuschlos die Vorhänge zurück und horchte. Wieder hörte sie Schritte. Sie fürchtete sich nicht, nur die Gewißheit, jetzt gleich eine wichtige Entdeckung zu machen, erregte sie. Mit einem Ruck riß sie die Balkontür auf und trat hinaus. Zunächst konnte sie nichts erkennen, erst als sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah sie eine Gestalt, die an der Wand lehnte.
»Wer ist da?« rief sie.
Erst nach einer Weile kam Antwort.
»Es tut mir furchtbar leid, daß ich Sie erschreckt habe, Eunice!«
Es war Jim Steele.
»Jim!« rief sie ungläubig. Aber dann packten Sie Ärger und Empörung. Es war also immer Jim gewesen und nicht die schwarze Dame! Jim, der seine Verdächtigungen durch diese gemeinen Tricks untermauern wollte. Sie fühlte sich betrogen und enttäuscht. Sein Erstaunen über die nächtlichen Besuche, das er ihr vorgeheuchelt hatte, kam ihr in den Sinn. Die ganze Zeit also hatte er sie zum besten gehalten!
»Es wäre besser, wenn Sie sich jetzt entfernten«, sagte sie kühl.
»Lassen Sie mich Ihnen erklären, Eunice ...«
»Es ist keine Erklärung nötig, Jim - Sie spielen eine jämmerliche Rolle!«
Sie ging ins Zimmer zurück. Ihr Herz klopfte wild, ihr war ganz elend vor Verzweiflung. Jim - der Mann mit der blauen Hand! Wahrscheinlich hatte er auch den Brief geschrieben und war damals nachts in ihrem Zimmer gewesen. Sie stampfte vor Ärger mit dem Fuß auf. Sie haßte ihn, weil er sie hintergangen, und sie haßte ihn noch mehr, weil er das Bild von ihm in ihrem Herzen zerstört hatte. Noch nie in ihrem Leben hatte sie sich so verraten gefühlt. Sie warf sich aufs Bett und weinte, bis sie vor Erschöpfung einschlief.
Jim verließ das Haus auf dem gleichen Weg, auf dem er es betreten hatte.
»Verdammt!« sagte er zu sich selbst, als er in seinen alten Wagen stieg. In gefährlichem Tempo bog er um eine Ecke und wäre beinah in ein anderes Auto hineingerast.
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