Er zog das Heft heraus, schlug die erste Seite auf und las: Einige Bemerkungen über die Bande der Dreizehn.
3
Am Nachmittag dieses Tages steckte Jim den Kopf in Mr. Salters Büro.
»Ich gehe jetzt zum Tee!«
Salter schaute auf die altmodische Uhr an der gegenüberliegenden Wand.
»Es ist gut. Sie gehen in letzter Zeit immer sehr pünktlich zum Tee, Steele! - Warum werden Sie denn rot? Handelt es sich um ein Mädchen?«
»Nein«, rief Jim etwas zu laut und schnell. »Ich treffe zwar ab und zu eine Dame beim Tee, aber ... «
»Machen Sie, daß Sie wegkommen - grüßen Sie sie von mir!«
Jim mußte lachen, er eilte die Treppe hinunter und trat auf die Marlborough Street hinaus. Er beeilte sich, es war schon spät. Erleichtert atmete er auf, als er das ruhige Lokal betrat und den Tisch, an dem er gewöhnlich saß, noch unbesetzt fand. Die Kellnerin kam freudig auf ihn zu, um seine Bestellung aufzunehmen.
»Ihre junge Dame ist noch nicht gekommen, Sir!« sagte sie beflissen.
Es war das erste Mal, daß sie Eunice Weldon, Jims Teebekanntschaft, erwähnte, und es war ihm höchst peinlich.
»Die junge Dame, die manchmal mit mir Tee trinkt, ist nicht meine junge Dame.«
»Ich bitte um Verzeihung.« Verlegen kritzelte die Kellnerin auf ihrem Notizblock. »Bestellen Sie wie gewöhnlich?«
»Ja, bitte, bringen Sie alles wie sonst.«
In diesem Augenblick erschien eine junge Dame in der Tür. Jim erhob sich, um sie zu begrüßen. Sie war schlank, eine elegante, außerordentlich schöne Erscheinung, nach der sich auf der Straße die Männer umsahen. Sie hatte ein weißes, sanftes Gesicht, ihre glänzenden blauen Augen blitzten fröhlich. Mit ausgestreckter Hand kam sie Jim entgegen.
»Ich bin etwas spät dran«, entschuldigte sie sich. »Wir hatten eine langweilige Herzogin im Atelier, die ich in siebzehn verschiedenen Posen aufnehmen mußte - sie sah nicht gerade schön aus, aber mit häßlichen Menschen hat man die größte Mühe.«
Eunice Weldon arbeitete in einem bekannten Fotoatelier in der Regent Street. Jim hatte sie hier in diesem Lokal, in dem sie jetzt saßen, vor einiger Zeit beim Tee kennengelernt, und zwar bei einer besonderen Gelegenheit. Die Gardinen des Fensters, bei dem sie saß, hatten Feuer gefangen. Jim löschte die Flammen und verbrannte sich dabei die Hand. Und Miss Weldon hatte ihn verbunden.
Wenn ein Herr einer Dame einen Dienst erweist, dann führt das nicht unbedingt zu einer näheren Bekanntschaft. Wenn aber umgekehrt eine junge Dame einem Mann hilft, so hat dies unweigerlich Folgen.
Seit diesem Tag trafen sich die beiden täglich hier beim Tee. Einmal wollte sie Jim ins Theater einladen, aber sie lehnte ab.
»Haben Sie weiter nach der verschwundenen Dame geforscht?« fragte Miss Weldon, während sie Marmelade nahm.
Jim verzog das Gesicht.
»Mr. Salter hat mir heute klargemacht, daß es wenig an den Verhältnissen änderte, wenn sie gefunden würde.«
»Es wäre aber doch wundervoll, wenn das Kind gerettet worden wäre. Haben Sie je an diese Möglichkeit gedacht?«
»Leider dürfen wir uns keine Hoffnung in dieser Richtung machen, so schön es auch wäre.« Er lachte. »Es sei denn - Sie wären die vermißte Erbin!«
»Ich? Da brauchen Sie sich erst recht keine Hoffnungen zu machen -ich bin das Kind armer, aber ehrlicher Eltern, wie es so schön heißt!«
»Ihr Vater lebte immer in Südafrika?«
»Ja. Er war Musiker. An meine Mutter kann ich mich fast nicht mehr erinnern.«
»Wo wurden Sie denn geboren?«
»In Kapstadt-Rondebosch, um genau zu sein. - Aber sagen Sie, warum geben Sie sich eigentlich eine solche Mühe mit dieser Geschichte?«
»Weil ich nicht will, daß dieser schreckliche, ungebildete Mensch das Erbe der Danton-Millionen antreten soll.«
»Wer ist dieser schreckliche Mensch? Sie haben bis jetzt seinen Namen nicht erwähnt.«
Das stimmte. Jim hatte ihr überhaupt erst vor ein paar Tagen von diesen Dingen, die ihn so stark beschäftigten, erzählt.
»Der junge Mann heißt Digby Groat.«
Sie schaute verwirrt auf.
»Was haben Sie?« fragte er erschrocken.
»Als Sie vorhin den Namen Danton erwähnten, erinnerte ich mich, daß einer unserer Fotografen neulich sagte, Mrs. Groat sei die Schwester Jonathan Dantons.« »Kennen Sie die Familie Groat?«
»Ich kenne sie nicht - wenigstens nicht gut.« Sie zögerte. »Aber ich werde eine Stellung bei Mrs. Groat als Sekretärin annehmen.«
Er sah sie groß an.
»Und davon haben Sie mir gar nichts gesagt?« Als sie schwieg und auf ihren Teller blickte, fügte er schnell hinzu: »Natürlich, es liegt ja kein Grund vor, warum Sie es mir sagen sollten.«
»Ich weiß es selbst erst seit heute.
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