»Sie waren schon immer eine kleine, grausame Kanaille, und wenn Ihrer Mutter etwas passiert, gehe ich zur Polizei und zeige Sie an!«

»Es wäre besser, Sie gingen jetzt, bevor ich einen Polizisten hole!« schrie Digby wütend zurück.

»Ich kenne Sie!« Sie drohte mit der Faust nach oben. »Ich habe Sie schon vor dreiundzwanzig Jahren gekannt, mein Junge! Ein gemeinerer, niederträchtigerer Bengel hat noch nie gelebt!«

Digby kam langsam die Treppe herunter. Er lächelte spöttisch.

»Wirklich, Mrs. Weatherwale, Sie benehmen sich wieder einmal recht unvernünftig. Ich kann nicht dulden, daß meine Mutter sich mit Leuten Ihres Schlages abgibt. Für ihren Geschmack bin ich zwar nicht verantwortlich, wohl aber für alles, was hier in meinem Hause passiert.«

Das rosige Gesicht der Frau lief dunkelrot an.

»Sie gemeiner Ausländer! Sehen Sie - das sitzt! Ich kenne Ihr Geheimnis, Mr. Groat!«

Digby warf ihr einen fürchterlichen Blick zu, ging durch die Halle zum Laboratorium und schmetterte die Tür hinter sich zu.

»Wenn Sie wissen wollen, was da drinnen vorgeht...« Mrs. Weatherwale zeigte auf die Tür, hinter der Digby verschwunden war. »Ich kann Ihnen Auskunft geben! Ich habe Briefe von seiner Mutter, als er noch ein Kind war... Wenn Sie die Briefe lesen, stehen Ihnen die Haare zu Berge, meine Liebe!«

Als endlich der Wagen kam und sie wieder abfuhr, atmete Eunice erleichtert auf.

Da habe ich also ein weiteres Familiengeheimnis kennengelernt! dachte sie. Am liebsten wäre sie ebenfalls weggefahren wie Mrs. Weatherwale.

21

»Jim!«

Eunice lief quer über den Rasen, obwohl sie wußte, daß die Spaziergänger sie beobachteten.

Jim ergriff ihre beiden Hände. Sie war glücklich. Sie sprachen gleichzeitig, entschuldigten sich, und beide überboten sich in Bekenntnissen der Reue und Zerknirschung.

»Jim, ich habe gekündigt!«

»Gott sei Dank!«

Sie hatte ihm so viel zu erzählen, daß sie nicht wußte, wo sie anfangen sollte.

»Waren Sie sehr traurig, daß wir uns so lange nicht gesehen haben?

- Ach ja, bevor ich es vergesse - Mrs. Weatherwale ist schon wieder fort!«

»Mrs. Weatherwale?« fragte er.

»Ach ja, Sie kennen die Geschichte ja gar nicht! Also - Mrs. Groat hatte mich beauftragt, an diese Frau - sie ist eine alte Freundin von ihr - zu schreiben und sie zu bitten, zu ihr zu kommen und bei ihr zu bleiben. Ich glaube, Mrs. Groat hat große Angst vor Digby.«

»Und sie ist gekommen?«

»Ja, aber nur eine Stunde geblieben. Mr. Groat setzte sie ohne Umschweife wieder auf die Straße. Es geht wirklich sonderbar zu in dem Haus! Die alte Mrs. Weatherwale haßt Digby furchtbar. Sie war reizend zu mir.«

»Wer könnte Digby Groat schon lieben? Erzählen Sie bitte weiter -hat sie etwas über ihn gesagt?«

»Sie ist über alles im Bild, sie kennt auch die Geschichte mit Estremeda. Glauben Sie übrigens, daß sich dadurch die Sache mit dem Testament ändert?«

»Nein, Digby bleibt immer ihr Sohn. Wenn sie das Geld erst einmal hat... Die Tatsache, daß er nicht der Sohn von John Groat ist und vor der Ehe geboren wurde, ändert daran überhaupt nichts.«

»Wann werden die Groats nun in den Besitz des großen Vermögens kommen?«

»Am nächsten Donnerstag«, seufzte Jim. »Und es gibt noch nicht die geringste gesetzliche Handhabe, um es zu verhindern.«

Er sagte ihr nicht, daß er Lady Mary Danton gefunden hatte. Er durfte von sich aus dieses Geheimnis nicht lüften, und darum konnte er ihr auch nicht sagen, daß Lady Mary die Dame war, die sie gewarnt hatte.

Als sie weiter durch den Park gingen, hängte sie sich an Jims Arm ein. Sie lachte ihn aus, weil er noch immer nicht von seiner alten Idee ablassen konnte, sie mit der Dantonschen Erbschaft in Verbindung zu bringen.

»Ich möchte gar niemand anders sein als die, die ich bin.