«
Ich sagte bang: »Die sind schon tot. «



Mein Wort war lauter Weinen. – In den Äthern
stand kindisch lächelnd schon ein blasser Stern.
Der matte Tag ging sterbend zu den Vätern,
und eine Dohle schrie von fern. –



XVIII

Im Frühling oder im Traume
bin ich dir begegnet einst,
und jetzt gehn wir zusamm durch den Herbsttag,
und du drückst mir die Hand und weinst.



Weinst du ob der jagenden Wolken?
Ob der blutroten Blätter? Kaum.
Ich fühl es: du warst einmal glücklich
im Frühling oder im Traum …



XIX

Sie hatte keinerlei Geschichte,
ereignislos ging Jahr um Jahr –
auf einmal kams mit lauter Lichte …
die Liebe oder was das war.



Dann plötzlich sah sie’s bang zerrinnen,
da liegt ein Teich vor ihrem Haus …
So wie ein Traum scheints zu beginnen,
und wie ein Schicksal geht es aus.



XX

Man merkte: der Herbst kam. Der Tag war schnell
erstorben im eigenen Blute.
Im Zwielicht nur glimmte die Blume noch grell
auf der Kleinen verbogenem Hute.



Mit ihrem zerschlissenen Handschuh strich
sie die Hand mir schmeichelnd und leise. –
Kein Mensch in der Gasse als sie und ich …
Und sie bangte: Du reisest? »Ich reise. «



Da stand sie, das Köpfchen voll Abschiedsnot
in den Stoff meines Mantels vergrabend …
Vom Hütchen nickte die Rose rot,
und es lächelte müde der Abend.



XXI

Manchmal da ist mir: Nach Gram und Müh
will mich das Schicksal noch segnen,
wenn mir in feiernder Sonntagsfrüh
lachende Mädchen begegnen …
Lachen hör ich sie gerne.



Lange dann liegt mir das Lachen im Ohr,
nie kann ichs, wähn ich, vergessen …
Wenn sich der Tag hinterm Hange verlor,
will ich mirs singen … Indessen
singens schon oben die Sterne …



XXII

Es ist lang, – es ist lang …
wann – weiß ich gar nimmer zu sagen …
eine Glocke klang, eine Lerche sang –
und ein Herz hat so selig geschlagen.
Der Himmel so blank überm Jungwaldhang,
der Flieder hat Blüten getragen, –
und im Sonntagskleide ein Mädchen, schlank,
das Auge voll staunender Fragen …
Es ist lang, – es ist lang …



ADVENT

(1897)

ADVENT



Es treibt der Wind im Winterwalde
die Flockenherde wie ein Hirt,
und manche Tanne ahnt, wie balde
sie fromm und lichterheilig wird;
und lauscht hinaus. Den weißen Wegen
streckt sie die Zweige hin – bereit,
und wehrt dem Wind und wächst entgegen
der einen Nacht der Herrlichkeit.



Gaben
an verschiedene Freunde



Das ist mein Streit:
Sehnsuchtgeweiht
durch alle Tage schweifen.
Dann, stark und breit,
mit tausend Wurzelstreifen
tief in das Leben greifen –
und durch das Leid
weit aus dem Leben reifen,
weit aus der Zeit!







Du meine heilige Einsamkeit,
du bist so reich und rein und weit
wie ein erwachender Garten.
Meine heilige Einsamkeit du –
halte die goldenen Türen zu,
vor denen die Wünsche warten.







Der Bach hat leise Melodien,
und fern ist Staub und Stadt.
Die Wipfel winken her und hin
und machen mich so matt.



Der Wald ist wild, die Welt ist weit,
mein Herz ist hell und groß.
Es hält die blasse Einsamkeit
mein Haupt in ihrem Schooß.







Ich liebe vergessene Flurmadonnen,
die ratlos warten auf irgendwen,
und Mädchen, die an einsame Bronnen,
Blumen im Blondhaar, träumen gehn.



Und Kinder, die in die Sonne singen
und staunend groß zu den Sternen sehn,
und die Tage, wenn sie mir Lieder bringen,
und die Nächte, wenn sie in Blüten stehn.







Warst du ein Kind in froher Schar,
dann kannst du’s freilich nicht erfassen,
wie es mir kam, den Tag zu hassen
als ewig feindliche Gefahr.
Ich war so fremd und so verlassen,
daß ich nur tief in blütenblassen
Mainächten heimlich selig war.



Am Tag trug ich den engen Ring
der feigen Pflicht in frommer Weise.
Doch abends schlich ich aus dem Kreise,
mein kleines Fenster klirrte – kling –
sie wußtens nicht. Ein Schmetterling,
nahm meine Sehnsucht ihre Reise,
weil sie die weiten Sterne leise
nach ihrer Heimat fragen ging.







Pfauenfeder:



In deiner Feinheit sondergleichen,
wie liebte ich dich schon als Kind.
Ich hielt dich für ein Liebeszeichen,
das sich an silberstillen Teichen
in kühler Nacht die Elfen reichen,
wenn alle Kinder schlafen sind.



Und weil Großmütterchen, das gute,
mir oft von Wünschegerten las,
so träumte ich, du Zartgemute,
in deinen feinen Fasern flute
die kluge Kraft der Rätselrute –
und suchte dich im Sommergras.



Oft denk ich auf der Alltagsreise
der Nacht, und daß ein Traum mir frommt,
der mir mit Lippen, kühl und leise,
die schwüle Stirne küssen kommt.



Dann sehn ich mich, die Sterne glänzen
zu sehn. – Der Tag ist karg und klein,
die Nacht ist weit, hat Silbergrenzen
und könnte eine Sage sein.







Damit ich glücklich wäre –



Das müßte sein von jenen blanken
Lenztagen einer, da die Kranken
man vor die dunklen Türen bringt.
Im Flieder ist ein Spatzenzanken,
weil keinem rechter Sang gelingt.
Der Bach, dem alle Bande sanken,
weiß nicht, was tun vor Glück, und springt
bis aufwärts zu den Bretterplanken,
dahinter Beete, kiesumringt,
und Blumenblühn und Birkenschwanken.
Und vor dem Häuschen, goldbezinkt,
um das der Frühling seine Ranken
wie liebeleise Arme schlingt, –
ein blondes Kind, das in Gedanken
das schönste meiner Lieder singt.







An manchem Tag ist meine Seele still:
Ein Gotteshaus, draus alle Beter gingen.
Ein Engel nur wehrt mit den goldnen Schwingen
dem Weihrauch, der mit seinen leisen Ringen
den Jubel seiner Arme fesseln will.



Verträumte Heiligenbilder dunkeln drin
in ratlos-sehnendem Erhörenwollen:
Sie warten auf den Sonntag mit den vollen
Gestühlen und dem großen Orgelrollen –
und blasse Ampeln schwanken her und hin.



Nennt ihr das Seele, was so zage zirpt
in euch? Was, wie der Klang der Narrenschellen,
um Beifall bettelt und um Würde wirbt,
und endlich arm ein armes Sterben stirbt
im Weihrauchabend gotischer Kapellen, –
nennt ihr das Seele?



Schau ich die blaue Nacht, vom Mai verschneit,
in der die Welten weite Wege reisen,
mir ist: ich trage ein Stück Ewigkeit
in meiner Brust. Das rüttelt und das schreit
und will hinauf und will mit ihnen kreisen …
Und das ist Seele.







Die hohen Tannen atmen heiser
im Winterschnee, und bauschiger
schmiegt sich sein Glanz um alle Reiser.
Die weißen Wege werden leiser,
die trauten Stuben lauschiger.



Da singt die Uhr, die Kinder zittern:
Im grünen Ofen kracht ein Scheit
und stürzt in lichten Lohgewittern, –
und draußen wächst im Flockenflittern
der weiße Tag zur Ewigkeit.







Der Abend kommt von weit gegangen
durch den verschneiten, leisen Tann.
Dann preßt er seine Winterwangen
an alle Fenster lauschend an.



Und stille wird ein jedes Haus:
die Alten in den Sesseln sinnen,
die Mütter sind wie Königinnen,
die Kinder wollen nicht beginnen
mit ihrem Spiel. Die Mägde spinnen
nicht mehr. Der Abend horcht nach innen.
Und innen horchen sie hinaus.



Das Wetter war grau und grell;
der Abend ist lichter und leiser.
Sicher kommt irgendein Kaiser:
Alle Häuser sind hell.
Und so festlich und weich
war das Abendgebimmel;
die Alten schaun in den Himmel,
und die Kinder sind reich.







Sonne verlodert am Himmelsrain.
Durch ernteverarmte Krumen
waten die Weiber feldein.
An den verschimmernden Schienenreihn
beim Bahnhüterhäuschen, sommerallein,
sinnen Sonnenblumen.







Du arme, alte Kapelle
mit deiner verstaubten Zier –
der Frühling baut eine helle
Kirche neben dir.



Viel frierende Frauen hinken
in deine Weihrauchruh,
draußen die Kinder winken
allen Rosen zu.







Die Mädchen singen:



Alle Mädchen erwarten wen,
wenn die Bäume in Blüten stehn.
Wir müssen immer nur nähn und nähn,
bis uns die Augen brennen.
Unser Singen wird nimmer froh.
Fürchten uns vor dem Frühling so:
Finden wir einmal ihn irgendwo,
wird er uns nichtmehr erkennen.



Lehnen im Abendgarten beide,
lauschen lange nach irgendwo.
»Du hast Hände wie weiße Seide … «
Und da staunt sie: »Du sagst das so … «



Etwas ist in den Garten getreten,
und das Gitter hat nicht geknarrt,
und die Rosen in allen Beeten
beben vor seiner Gegenwart.







Eine der weißen Vestageweihten
lächelte Gnade dem Todbereiten,
löste ihm von der Stirn die Schmach.



Dann sehnte sie wie eine Sklavin dem Schreiten
des todbefreiten, schulterbreiten
Epheben nach.







Im Kreise der Barone
der König ritt zur Jagd.
Ihm wohnte in roter Krone
ein einsamer Smaragd.



Da giebts unter hellen Hufen
Wege so weit und weiß;
keiner hört Hilfe rufen,
und der Mittag ist heiß …



Ob einer den König erkannte?



Die Dohlen im Abend schrien.
Die allerkühnste spannte
den Flug schon über ihn:
Auf des Königs Stirne brannte
ein einsamer Rubin.



Ein weißes Schloß in weißer Einsamkeit.
In blanken Sälen schleichen leise Schauer.
Todkrank krallt das Gerank sich an die Mauer,
und alle Wege weltwärts sind verschneit.



Darüber hängt der Himmel brach und breit.
Es blinkt das Schloß. Und längs den weißen Wänden
hilft sich die Sehnsucht fort mit irren Händen …
Die Uhren stehn im Schloß: es starb die Zeit.







Irgendwo muß es Paläste geben,
drin die Fenster von Staub verschnein;
in der Säle hallende Reihn
tauchen tote Tage hinein:
Gestalten wallen, es warnt der Schrein;
und kein lustiger Leuchterschein
reicht in das einsame Seltsamsein …



Dorten wollen wir Feste geben –
märchenallein.







Im Schlosse mit den roten Zinken
wär ich so gern des Abends Gast.
Die Fenster glühn, die Falten sinken,
und meine weißen Wünsche winken
mir aus dem lodernden Palast.



Ich will durch lange Hallen schleichen
und in die tiefen Gärten schaun,
die über alle Marken reichen.
Und Frauen lächeln an den Teichen,
und in den Wiesen prahlen Pfaun …







Einmal möcht ich dich wiederschauen,
Park, mit den alten Lindenalleen,
und mit der leisesten aller Frauen
zu dem heiligen Weiher gehn.



Schimmernde Schwäne in prahlenden Posen
gleiten leise auf glänzendem Glatt,
aus der Tiefe tauchen die Rosen
wie Sagen einer versunkenen Stadt.



Und wir sind ganz allein im Garten,
drin die Blumen wie Kinder stehn,
und wir lächeln und lauschen und warten,
und wir fragen uns nicht, auf wen …







Es kommt in prunkenden Gebreiten
der Abend wie ein leiser Gott.
Den Rappen vor! Jetzt will ich reiten
durch purpurbunte Einsamkeiten
in bügelleichtem Träumertrott.



Ich atme tief. Ich werde Kaiser.
Mein heller Helm ist losgeschnallt,
und meine Stirne streifen Reiser
und rauschen so. Und leiser, leiser
hallt Huf und Ruf im roten Wald.







Horch, verhallt nicht ein scheuer
Schrei von den Hängen her?
Aus dem morschen Klostergemäuer
kann der Abend nicht mehr.
Er sucht sich wund an der Wand.
Und mit hilfloser Hand
in das Säulengedränge,
in ewige Gänge,
wirft er den Brand.



Feuer. –



In schlichtem Gewand
flieht er, der Heimkehr singender Heuer
leise gesellt, ins verlöschende Land.



Der König Abend weiß sich schwach
und satt, und ihm geschieht:
Er schenkt sein Gold dem jungen Bach,
der einem Hirtensingen nach
in Menschenlande zieht.



Jetzt ist der Bach ein Königskind.
Er jubelt laut Alarm
und gibt den wunden Krumen blind
sein Gold. – Und wo die Hütten sind,
dort ist er wieder arm.







Der Tag entschlummert leise, –
ich walle menschenfern …
Wach sind im weiten Kreise
ich – und ein bleicher Stern.



Sein Auge lichtdurchwoben
ruht flimmernd hell auf mir,
er scheint am Himmel droben
so einsam, wie ich hier …



Fahrten



VENEDIG



I

Fremdes Rufen. Und wir wählen
eine Gondel, schwarz und schlank:
Leises Gleiten an den Pfählen
einer Marmorstadt entlang.



Still. Die Schiffer nur erzählen
sich. Die Ruder rauschen sacht,
und aus Kirchen und Kanälen
winkt uns eine fremde Nacht.



Und der schwarze Pfad wird leiser,
fernes Ave weht die Luft, –
traun: Ich bin ein toter Kaiser,
und sie lenken mich zur Gruft.



II

Immer ist mir, daß die leisen
Gondeln durch Kanäle reisen
irgend jemand zum Empfang.
Doch das Warten dauert lang,
und das Volk ist arm und krank,
und die Kinder sind wie Waisen.



Lange harren die Paläste
auf die Herren, auf die Gäste,
und das Volk will Kronen sehn.
Auf dem Markusplatze stehn
möcht ich oft und irgendwen
fragen nach dem fernen Feste.



III

Mein Ruder sang:



Poppé, fahr zu!
Ein Volk von Sklaven
drängt sich im Hafen
um nüchterne Feste.
Und die Paläste
können nicht schlafen.
Poppé, fahr zu!



Eisige Ruh
in Marmorgliedern
mit matten Lidern
erschauern die Plätze.
Im Gassennetze
betteln die Niedern.
Poppé, fahr zu!



Sag mir, weißt du
noch von den Toten,
die hier geboten
in köstlichen Kronen?
Wo sie jetzt wohnen,
die Purpurroten?
– – – – – – –
Poppé, fahr zu!



IV

Ave weht von den Türmen her.
Immer noch hörst du die Kirchen erzählen;
doch die Paläste an stillen Kanälen
verraten nichts mehr.



Und vorbei an der Traumesruh
ihrer schlafenden Stirnen schwanken
leise Gondeln wie schwarze Gedanken
dem Abend zu.



ENGLAR IM EPPAN



Später Weg. Die Hütten kauern,
und das dumpfe Dorf schläft ein.
Ernste Türme seh ich dauern,
weit aus weißen Blütenschauern
wächst ihr Weltverlorensein.



Abendbrand in brachen Zinnen,
und der Wind fährt durch den Saal.
Und für wen im Burghof drinnen
immer noch die Brunnen rinnen –
keiner weiß es dort im Tal.



TENNO



Der Kirchhof hoch im Sommerschnee
gehört zum Bergdorf hin;
wie über einen Hochlandsee
wacht Frieden über ihn.
Da weiß kein Blühn vom Frühlingsstrahl.
Der Rasen schüchtert frühfrostfahl,
die Kreuze arm, die Hügel kahl,
und sacht und selten wächst die Zahl:
einmal.



Der Weg ist schlecht, der Weg ist schmal.
Im kleinen Dorf ist kleine Wahl
und kleines Glück und kleine Qual, –
drum läuten sie so fern im Tal:
einmal, – einmal, – einmal –



CASABIANCA



Am Berge weiß ich trutzen
ein Kirchlein mit rostigem Knauf,
wie Mönche in grauen Kapuzen
steigen Zypressen hinauf.



Vergessene Heilige wohnen
dort einsam im Altarschrein;
der Abend reicht ihnen Kronen
durch hohle Fenster hinein.



ARCO



Die Hochschneezinne, schartig scharf,
loht auf wie eine Mauerkrone,
in die der lachende Nerone,
der Morgen, seine Fackel warf.



Und wie die Flammen bis ins Blau
sich zu verblühten Sternen strecken,
erwacht das Tal in schönem Schrecken
und taucht empor aus Traum und Tau.



I MULINI



Du müde, morsche Mühle,
dein Moosrad feiert Ruh,
aus der Olivenkühle
schaut dir der Abend zu.



Der Bach singt wie verloren
Menschenlieder nach,
tiefer über die Ohren
ziehst du dein trutziges Dach.



BODENSEE



Die Dörfer sind wie im Garten.
In Türmen von seltsamen Arten
klingen die Glocken wie weh.
Uferschlösser warten
und schauen durch schwarze Scharten
müd auf den Mittagsee.



Und schwellende Wellchen spielen,
und goldene Dampfer kielen
leise den lichten Lauf;
und hinter den Uferzielen
tauchen die vielen, vielen
Silberberge auf.



KONSTANZ



Dem Tag ist so todesweh.
Müd gießt er aus goldenen Kelchen
Wein in den Bergesschnee.



Hoch schüchtert, scheu wie ein Reh,
ein Stern überm Uferschleh,
und ziere, zitternde Wellchen
gittern den Abendsee.



Funde



Wenn wie ein leises Flügelbreiten
sich in den späten Lüften wiegt, –
ich möchte immer weiter schreiten
bis in das Tal, wo tiefgeschmiegt
an abendrote Einsamkeiten
die Sehnsucht wie ein Garten liegt.



Vielleicht darf ich dich dorten finden,
und zage wird dein erstes Mühn
die wehen Wünsche mir verbinden,
du wirst mich führen tief ins Grün –
und heimlich werden weiße Winden
an meinem staubigen Stabe blühn.







Ich möchte draußen dir begegnen,
wenn Mai auf Wunder Wunder häuft,
und wenn ein leises Seelensegnen
von allen Zweigen niederträuft.



Wenn bis zum Wegkreuz auf, zum schlanken,
Jasmin die weißen Arme streckt
und lind den ewgen Wehgedanken
der Stirne Christi überdeckt.







Ich mußte denken unverwandt,
wie ich einst zwischen schwarzen Pinien
den tiefen Frühling sinnen fand,
als ich vor deiner Schönheit stand,
und durch der Scheitel dunkle Linien
dein Antlitz träumte wie ein Land.



Es schlich von deiner Lippen Saum
ein Lächeln auf verlornem Pfade –
ganz leis. Die andern merktens kaum.
So weht ein Blatt vom Blütenbaum:
nur Einer schaut die Frühlingsgnade,
und der sie schaut, ist wie im Traum.



Fremd ist, was deine Lippen sagen,
fremd ist dein Haar, fremd ist dein Kleid,
fremd ist, was deine Augen fragen,
und auch aus unsern wilden Tagen
reicht nicht ein leises Wellenschlagen
an deine tiefe Seltsamkeit.



Du bist wie jene Bildgestalten,
die überm leeren Altarspind
noch immer ihre Hände falten,
noch immer alte Kränze halten,
noch immer leise Wunder walten –
wenn längst schon keine Wunder sind.







Du bist so fremd, du bist so bleich.
Nur manchmal glüht auf deinen Wangen
ein hoffnungsloses Heimverlangen
nach dem verlornen Rosenreich.



Dann sehnt dein Auge, tief und klar,
aus allem Müssen, allem Mühen
ins Land, wo nichts als stilles Blühen
die Arbeit deiner Hände war.







Weißt du, ich will mich schleichen
leise aus lautem Kreis,
wenn ich erst die bleichen
Sterne über den Eichen
blühen weiß.



Wege will ich erkiesen,
die selten wer betritt
in blassen Abendwiesen –
und keinen Traum, als diesen:
Du gehst mit.



Bei dir ist es traut:
Zage Uhren schlagen
wie aus weiten Tagen.
Komm mir ein Liebes sagen –
aber nur nicht laut.



Ein Tor geht irgendwo
draußen im Blütentreiben.
Der Abend horcht an den Scheiben.
Laß uns leise bleiben:
Keiner weiß uns so.







Die Nacht holt heimlich durch des Vorhangs Falten
aus deinem Haar vergeßnen Sonnenschein.
Schau, ich will nichts, als deine Hände halten
und still und gut und voller Frieden sein.



Da wächst die Seele mir, bis sie in Scherben
den Alltag sprengt; sie wird so wunderweit:
An ihren morgenroten Molen sterben
die ersten Wellen der Unendlichkeit.







Du, Hände, welche immer geben,
die müssen blühn von fremdem Glück.
Zart wie ein zages Birkenbeben
bleibt von dem gebenden Erleben
ein Rhythmenzittern drin zurück.



Das sind die Hände mit den schmalen
Gelenken, die sich leise mühn;
und wüßten die von Kathedralen,
sie müßten sich in Wundenmalen
vor allem Volke heiligblühn.







Bist gewandert durch Wahn und Weh,
kommst aus meinen dunkelsten Tagen,
hast dir eine Brücke geschlagen
bis zu mir über Schuld und Schnee.



Lenkst mich lächelnd mit leisem Gebot,
und auf kronengoldenen Locken
trägst du flüchtige Feberflocken
in den fröhlichen Frühlingstod.







Will dir den Frühling zeigen,
der hundert Wunder hat.
Der Frühling ist waldeigen
und kommt nicht in die Stadt.



Nur die weit aus den kalten
Gassen zu zweien gehn
und sich bei den Händen halten –
dürfen ihn einmal sehn.







Und dieser Frühling macht dich bleicher,
in weite Wiesen will dein Fuß,
dein Lied wird leis, dein Wort wird weicher,
und deine Hände werden reicher
mit jedem Wink, mit jedem Gruß.



Du holst aus düfteschwüler Lade
dein Konfirmandenkleidchen dreist
und trägst es in die wilden Pfade
und schmückst dich für die große Gnade,
die deine Seele blühen heißt.







Mir ist: ich muß dir den Brautnachtstrauß
weit aus dem Abend bringen.
Ich geh in die goldene Stunde hinaus,
und die Fenster leuchten am letzten Haus,
drin spielende Kinder singen.



Und ich geh an dem einsamen Haus vorbei,
drin singende Kinder wohnen,
und mein Wandern wächst und wächst in den Mai
und kann nicht zurück, – und die Blüten, verzeih,
die wind ich mir alle zu Kronen.







Bist du so müd? Ich will dich leise leiten
aus diesem Lärm, der längst auch mich verdroß.
Wir werden wund im Zwange dieser Zeiten.
Schau, hinterm Wald, in dem wir schauernd schreiten,
harrt schon der Abend wie ein helles Schloß.



Komm du mit mir. Es solls kein Morgen wissen,
und deiner Schönheit lauscht kein Licht im Haus …
Dein Duft geht wie ein Frühling durch die Kissen:
Der Tag hat alle Träume mir zerrissen, –
du, winde wieder einen Kranz daraus.







Du:

ein Schloß an wellenschweren,
atlasblassen Abendmeeren –
und in seinen säulenhehren
Sälen warten Preis und Prunk,
uns zu ehren:

Weil wir beide wiederkehren –
ohne Kronen und mit leeren
Händen –
aber jung.



Purpurrote Rosen binden
möcht ich mir für meinen Tisch
und, verloren unter Linden,
irgendwo ein Mädchen finden,
klug und blond und träumerisch.



Möchte seine Hände fassen,
möchte knieen vor dem Kind
und den Mund, den sehnsuchtblassen,
mir von Lippen küssen lassen,
die der Frühling selber sind.



Ein Händeineinanderlegen,
ein langer Kuß auf kühlen Mund,
und dann: auf schimmerweißen Wegen
durchwandern wir den Wiesengrund.



Durch leisen, weißen Blütenregen
schickt uns der Tag den ersten Kuß, –
mir ist: wir wandeln Gott entgegen,
der durchs Gebreite kommen muß.



Du willst dir einen Pagen küren?
Mich komm erküren, Königin.
Mir klingt aus alten Aventüren
ein Sang in Saitenspiel und Sinn.



Ich will ins weiße Schloß dich führen,
in dem ich selber König bin, –
und singen hinter tausend Türen
für meine weiße Königin.



Abend hat mich müd gemacht.
Und in meinen Sinnen schrillen
kleine Wünsche mit den Grillen.



Wo das blasse Land verflacht,
liegen lauter weiße Villen
hinter roter Rosenpracht.



Liegen wie auf leiser Wacht
weiße Villen an dem stillen
Uferrand der Frühlingsnacht.



Was reißt ihr aus meinen blassen, blauen
Stunden mich in der wirbelnden Kreise
wirres Geflimmer?
Ich mag nicht mehr euren Wahnsinn schauen.
Ich will wie ein Kind im Krankenzimmer
einsam, mit heimlichem Lächeln, leise,
leise – Tage und Träume bauen.



Mir war so weh. Ich sah dich blaß und bang.
Das war im Traum. Und deine Seele klang.



Ganz leise tönte meine Seele mit,
und beide Seelen sangen sich: Ich litt.



Da wurde Friede tief in mir. Ich lag
im Silberhimmel zwischen Traum und Tag.



Wie meine Träume nach dir schrein.
Wir sind uns mühsam fremd geworden,
jetzt will es mir die Seele morden,
dies arme, bange Einsamsein.



Kein Hoffen, das die Segel bauscht.
Nur diese weite, weiße Stille,
in die mein tatenloser Wille
in atemlosem Bangen lauscht.



Und du warst schön. In deinem Auge schien
sich Nacht und Sonne sieghaft zu versöhnen.
Und Hoheit hüllte wie ein Hermelin
dich ein: So kam dich meine Liebe krönen
Und meine nächteblasse Sehnsucht stand,
weißbindig wie der Vesta Priesterin,
an deines Seelentempels Säulenrand
und streute lächelnd weiße Blüten hin.



Du hast so große Augen, Kind.
Du siehst gewiß oft nachts Gestalten,
die, fremd und bleich, in marmorkalten
Traumhänden rote Kronen halten,
um die ein Leuchten leise rinnt.
Dann ist dein Blick am Tag wie blind
und deine Seele wie zerspalten,
dann bangt dir vor dem Alltagsalten,
wenn Wünsche sich in dir entfalten,
die allen andern Wahnsinn sind.



Dann ist die Sehnsucht dir erwacht,
stolz zu entfliehn den eitlen Schreiern,
die plump, mit Händen, blöd und bleiern,
auf deiner Silberseele leiern
das irre Lied, das sterblich macht;
zu fliehn in eine blaue Nacht,
drin alle Wipfel lauschend feiern;
der Glieder Hymne zu entschleiern
und scheu im Schooß von weißen Weihern
zu finden ihre nackte Pracht.



Du sahst in hohe Lichthofmauern
und spieltest still in dumpfem Raum,
es lag ein unverstandnes Trauern
auf deinem blassen Kindheitstraum.



Und deine Tage waren bleiern,
die Mutter krank, der Vater roh;
und manchmal kam ein Krüppel leiern, –
dann lauschtest du und weintest so.



Was kann dir nun der Sommer taugen?
Müd, wie mit scheuem Schwingenschlag,
durchirren deine Heimwehaugen
den uferlosen Sonnentag.



Sie war:



Ein unerwünschtes Kind, verstoßen
auch aus der Mutter Nachtgebet,
und ewig fern von jenem Großen,
das gebend durch die Zeiten geht.



Sie wünschte wenig – und nur selten
kam wie ein Weinen über sie
nach einem Land mit Purpurzelten,
nach einer fremden Melodie,



nach weißen Wegen, die nicht stauben –
dann bog sie Rosen sich ins Haar,
und konnte doch nie Liebe glauben,
auch wenn es tief im Frühling war.



Wenn ich dir ernst ins Auge schaute,
klang oft dein Wort so kummerkrank
wie eine leise Liebeslaute,
die einsam einst ein Meister baute,
als seine Seele Sehnsucht sang.



Sie lernte seither leichte Lieder
und tönte gern zu Tag und Tanz, –
da greift ein Träumer ihre Glieder:
und wie erwachend weint sie wieder
das Heimweh ihres Heimatlands.



Ja, früher, wenn ich an dich dachte,
wie Wunder wars: ein Mai erwachte
um dich im Aureolenglanz,
und meine Sehnsucht träumte sachte
um deine Stirne einen Kranz.



Jetzt seh ich dich: du senkst dein Weinen
ins Herz den herbstverhangnen Hainen,
und dir zuseiten, wegentlang,
schleicht an den bleichen Meilensteinen
ein wunder Sonnenuntergang.



Ich ging durch ein Land, durch ein trauriges Land.
Wie auf leerer Wiege ein Wiegenband
lag der blasse Fluß auf dem flachen Sand,
darüber aus nassem Nebelgewand
reckte die Weide die Totenhand.



Mir war so traurig. Ich starrte und stand.
Ich sah dich kauern am Wegesrand.
Einst hab ich dich und das Glück gekannt.
Du weintest wühlend und unverwandt,
und ich fragte dich: Ist das dein Heimatland?



Du nicktest, du nicktest wie traumgebannt …
Da hab ich dich wieder wie einst genannt;
doch dein Bild zerrann mir, dein Bild entschwand.
Die Pappeln kohlten im Abendbrand,
und der Tod ging rot durch dein Heimatland.



Weißt du, daß ich dir müde Rosen flechte
ins Haar, das leis ein weher Wind bewegt –
Siehst du den Mond, wie eine silberechte
Merkmünze, und ein Bild ist eingeprägt:
ein Weib, das lächelnd dunkle Dornen trägt –
Das ist das Zeichen toter Liebesnächte.



Fühlst du die Rosen auf der Stirne sterben?
Und jede läßt die Schwester schauernd los
und muß allein verdarben und verderben,
und alle fallen fahl in deinen Schooß.
Dort sind sie tot. Ihr Leid war leis und groß.
Komm in die Nacht.