Sehen Sie, ich habe gerade kein butterweiches Herz, aber wie ich mir damals so die Esther ansah – ich war hinuntergegangen, weil ich auf die Ceremonie neugierig war – da hatte ich fast Mitleid mit dem Mädel. ›Warum zwingen Sie Ihre Tochter?‹ fragte ich den Alten. Aber der wurde fast grob und erwiderte: ›Verzeihen Sie, aber das verstehen Sie nicht; das ist bei uns ganz anders wie bei Ihnen. Bei uns ist das Ei nicht klüger als die Henne. Und dann kennen wir auch gottlob die Dummheiten von Liebe und dergleichen nicht. Bei uns gehört nur zweierlei zur Ehe: Gesundheit und Geld. Und das ist hier vorhanden. Die Esther hat insoweit ihren Willen, als die Hochzeit erst in einem Jahre stattfinden wird. Bis dahin wird sie sich fügen lernen. Es ändert sich Manches in einem Jahre.‹
Das Wort des Alten ist wahr geworden; es hat sich wirklich Manches in dem einen Jahre geändert, besonders was die hübsche Esterka betrifft, aber in ganz anderem Sinne, als er es gemeint hatte. Sehen Sie, unser Doktor da hält mich für eine Judenfeindin, aber dennoch bin ich gerecht und sage: das Mädchen, obwohl innerlich verderbt, hatte sich bis dahin äußerlich sehr brav gehalten. Und doch war die Versuchung sehr groß gewesen. Im ganzen Kreise kannte man sie, im ganzen Kreise nannte man sie nur die ›schönste Jüdin.‹ Das Einkehrhaus und die Weinstube unten hatten damals mehr Gäste, als dem Besitzer lieb war. Wenn die jungen Edelleute zum Bezirksamt kamen, so hielten sie nicht einen, sondern drei Gerichtstage; die ledigen Beamten vom Gericht und Steueramt saßen in der Weinstube ihre Amtsstunden ab, und erst die Husarenoffiziere – nun, die hatten dort gar ihre beständige Garnison. Alle kümmerten sich um die Esther, aber sie um Keinen. Sie traf selten mit den Gästen zusammen, dafür sorgte der Vater. Begegnete sie ihnen zuweilen, so erwiderte sie höflich ihren Gruß. Aber all die plumpen und feinen Schmeicheleien prallten an ihr ab, als wäre sie taub, und wollte ihr Einer ungebührlich begegnen, so kam er kurios weg. Davon weiß der junge Baron Starsky ein Lied zu singen – Sie kennen ihn vielleicht – der lange blonde Mensch, dem die merkwürdige Geschichte mit der Gräfin Jadwiga Bortynska passiert ist. Nun, dem begegnete sie einmal, als er eben angetrunken aus der Weinstube kam. Er wird an diese Begegnung denken, er verdankt ihr die schallendste Ohrfeige seines Lebens.
Aber seit ihrer Verlobung wurde das anders. Nicht etwa, als ob sie gegen alle freundlicher geworden wäre. Aber gegen Einen wurde sie es, mehr als notwendig. Dieser Eine war der Rittmeister Graf Géza Szapany von den Württemberg-Husaren. Er war kein gewöhnlicher Mann, dieser Rittmeister, wahrhaftig! Hoch, schlank, mit dunklen Haaren, interessanten, schwarzen Augen und einem allerliebsten Schnurrbärtchen. Ich schmeichle ihm nicht, unsere Freundin Hortensia wird es bestätigen, sie hat ihn auch gekannt ...«
Frau Hortensia, die Gattin des Bezirksadjunkten, eine üppige Blondine, wird blutrot und wirft ihrer »Freundin«, der Hausfrau, einen giftigen Blick zu. Dann sagt sie möglichst gleichgültig: »Ich erinnere mich, er war ein hübscher Mann.«
»Hübsch?« fragt die Erzählerin. »Schön war er, sehr schön. Und so interessant! Und das feine Benehmen! Ich sage Ihnen, der verstand sich auf die Frauen, er hatte freilich auch schon genug Erfahrung. Auch die schöne Esterka wußte er bald zu fangen.
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