o diese englischen Namen ...«
»Vielleicht Shakespeare?« hilft ihr der Arzt.
»Shakespeare,« wiederholt der Bezirksrichter, »das ist ein ziemlich bekannter Dichter.«
»Ja, ein recht hübsches Talent!« meint der Doktor, ernst wie ein Grab.
»Richtig, Shakespeare!« fährt Frau Emilie fort, »und das Stück heißt: ›Der Kaufmann von Venedig‹. Da kommt ein Jud' vor – er heißt Shylock – dem auch seine Tochter entführt wird und dem auch sein Geld lieber ist als sein Kind! Und da schlage ich nun vor, wir nennen den Freudenthal von heute ab nicht mehr bei seinem Namen, sondern« – die Sprecherin macht eine Kunstpause – den »Shylock von Barnow!«
Und der Aktuar ist stolz auf seine geistreiche Frau, und die Herren lachen und die Damen kichern und selbst die dicke Direktorsfrau lächelt:
»Ha! ha! ha! Der Shylock von Barnow!«
*
Am nächsten Morgen lachten sie nicht mehr. Sie lachten auch fürderhin nie mehr über den Shylock. Sie nicht und kein anderer Mensch.
Dieser Morgen, der Sabbathmorgen, hatte etwas Entsetzliches mit seinem fahlen Lichte beschienen. Es war ein nasser, nebeliger, unfreundlicher Morgen. Nach Mitternacht hatte der Wind, der sich erst leise, dann immer stärker erhoben, Wolken zusammengetrieben, schwere, schwarze Wolken, die den Mond verhüllten und sich herabsenkten auf das öde Gelände. Dann hatte der Wind geschwiegen, und die Wolken waren immer schwerer herabgesunken und hatten endlich als dichter, kalter Nebel die Ebene bedeckt und das düstere Städtchen.
In den kleinen Häusern schlief alles. Kein Schritt tönte in den engen Gassen. Nur die Hunde wachten in den Hofräumen und der Nachtwächter vor dem Rathause. Dieser würdige Beamte schlief gegen seine Gewohnheit nicht, weil ihn die Hunde nicht schlafen ließen. Diese bellten unaufhörlich. Zuerst die Hunde am Eingang des Städtchens, dann der riesige Hofhund der Dominikaner, endlich der schwarze »Britan« des Moses Freudenthal. Daraus schloß der erfahrene Mann, daß wahrscheinlich ein fremder Mensch durch die Gasse gehe, an dem Kloster vorüber und auf das Haus des Juden zu. Aber es fiel ihm nicht ein, nachzusehen. Der Nebel machte die Nacht sehr dunkel, die Gassen schlüpfrig. Und der Beamte der Stadt blieb in seiner Nische vor dem Rathause. »Der Britan bellt laut genug,« tröstete er sich, »der Jude wird es hören.«
Er täuschte sich nicht. Man hörte im Hause des Freudenthal das wütende Gebelle. Die alte Dienerin erwachte davon und erhob sich, um nachzusehen oder den Knecht zu wecken. Als sie an dem Zimmer des Herrn vorüberging, sah sie einen Lichtschein durch die Thürspalte fallen, und auf das Geräusch ihrer Schritte trat der alte Moses selbst heraus. Er war angekleidet; er hatte offenbar noch nicht die Ruhe gesucht, obwohl es gegen die zweite Morgenstunde ging. Auch sah er sehr angegriffen aus. »Geht wieder zur Ruhe,« sagte er der alten Frau, »ich will selbst nachsehen.«
In diesem Augenblick schlug der Hund noch einmal laut an, dann verwandelte sich das Gebell in freudiges Gewinsel. Man hörte, wie das mächtige Tier hin und her sprang und an der Thür kratzte. Es hatte den Ankömmling offenbar erkannt und suchte nun zu ihm zu kommen.
Der alte Mann war totenbleich. »Wer mag das sein?« murmelte er. Dann ging er schwankenden Schrittes auf den Hausflur. Die Dienerin wollte ihm folgen. »Zurück!« rief er ihr heftig zu. Eine Kerze nahm er nicht mit, es war ja Sabbath.
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