Mich und die Stube hier und überhaupt ...“

„Aber, liebe ...“

Frau Malcorn drückt das Gesicht an die starke, bewegte Brust des Mädchens und klagt, wie vor sich selbst beschämt: „O, warum hasst er mich?“

„Um Gotteswillen, Frau Malcorn, Sie versündigen sich ja! Wissen Sie, wie Harald von Ihnen spricht?“ –

„Wie von einem Traum. Wie von einem Märchen, von dem schönsten Märchen, das man als Kind gehört hat und das man wiederfindet in jedem Schönen, immer und immer.“ Ganz weich ist Mariens Stimme jetzt, ganz sanft.

„Wirklich?“ Zaghaft hebt Frau Malcorn die verweinten Augen.

„Wie von einem Kleinod, das man am sichersten Platz verwahrt hält, – wie von einem Feiertag.“

„O, mehr, mehr!“

„Ich hab' Sie doch schon so lieb gehabt, Frau Malcorn, lang, ehe mich Harald zu Ihnen führte. Lang, bevor ich Sie kannte. Woher sollte mir das gekommen sein?“

Ungeduldig und glücklich, bittet die zarte Frau: „Was hat er Ihnen von mir erzählt?“

„O, alles. Von seiner Kindheit. Wie die Tage waren. Und was Sie ihm am Abend vorlasen. Und welches Kleid Sie in die Kirche trugen ...“

„Das schwarze mit dem Spitzeneinsatz, – ja?“

„Eben das. Oft unterwegs begann er davon zu sprechen. So, unvermittelt. Und seine Stimme war ganz anders dann, wärmer ...“

„Nicht wahr? Seine Stimme kann seltsam werden?...“

„Ja. So, als ob sie weit her käme ...“ Pause.

„Sehen Sie, Marie, einmal war Harald so wie diese Stimme ... Eh' das ihn erfasste, das Fremde, Neue, Unruhige, das ich nicht begreife ...“

„Eh' er ein Mann wurde, Frau Malcorn; eh' er einen Beruf auf sich nahm, eine Pflicht, – eh' er ins Leben sprang, Frau Malcorn.“

„Ja,“ nickt Frau Malcorn traurig – „ins Leben ...“

„O, fürchten Sie nicht für ihn! Er ist Einer, der es über sich hat, das Leben. Es ist keine Gefahr für ihn. Er hat es umgenommen wie einen Mantel, wie einen Purpurmantel ...“

„Das Leben?“ fragt die Andere befremdet.

„Das moderne Leben, ja. Dieses ungestüme, stündliche Werden. Diese Hast eines Frühlingssturmes: alle Himmel über einem Tag. O, Sie glauben gar nicht, wie lieb man es hat, wenn man erst mitten drin steht. Wie man sich eins fühlt mit ihm ...“

„Wissen Sie das durch sich selbst, Marie?“

„Ja, Frau Malcorn. Ich gehöre ihm ja ganz. Das Schicksal hat mich so mittenhinein geworfen. Zeitig schon, als meine Mutter starb. Das Schicksal und – die Sehnsucht ...“

„Sehnsucht, wonach?“

„Nach Macht.“

„Macht?“

„Ja, über sich und – über das Leid.“

Pause. „Sie haben Ihre Mutter lieb gehabt?“

„O ja. Aber wir waren sehr arm. Wir haben nie Zeit gehabt, es uns zu sagen. – Ich glaube, sie hat es nie gewusst.“

Pause. Und Marie Holzer fühlt eine Bangigkeit kommen. Und sagt rasch, wie jemand, der sich versprochen hat, nie traurig zu sein: „Aber wollen wir nicht die Lampe anzünden?“

„Ja, bitte, Marie. Uebrigens sollte doch Harald schon zurück sein!“

„O, Sie wissen ja, wie das geht.“

„Aber es ist halb sieben?“

Marie hat hinten auf der Kommode die Lampe angezündet und bringt sie zum Sofatisch, wo man abends zu sitzen pflegt.

„Er wird jemanden getroffen haben,“ beruhigt sie, und ihr Gesicht, das sich über die Lampe neigt, beweist, dass sie nicht besorgt ist.