MICHELANGELO.
Das Volk wird still
Und vor dem Papst vermag er nichts! Du hast mein Wort,
Und dabei bleibts.
TORRIGIANO.
Der Jugend, dem Cellini und
Den Wetterfahnen trau ich nicht! –
Horcht.
Ein zweiter Freund?
Dritter Auftritt
EIN HEROLD.
Der Künstler Michelangelo Buonarotti
Bereite sich für seine Heiligkeit den Papst!
MICHELANGELO.
Dank für die Ehre! Ich erwarte ihn.
Der Herold ab.
Besuch
Vom Papst? Was soll mir das?
TORRIGIANO.
Das Volk kam uns zuvor.
MICHELANGELO.
So kennt er schon den Handel und wir brauchen ihn
Nicht nochmals durchzukäun.
TORRIGIANO.
Ja, ja! So kennt er ihn!
DER PAPST tritt auf in pontificalibus mit einem mäßigen Gefolge, das ungefähr dieselbe Zahl aufweist wie die auf der entgegengesetzten Seite erschienenen Schüler des Michelangelo, die sich in einiger Entfernung hinter Michelangelo und Torrigiano aufstellen.
Den Gruß erlaß ich euch. Das Schauspiel auf dem Weg
Hierher tat mir genug.
Zurücksprechend.
Naiver Witz! Man knickt
Ein Bein ein, um geköpft zu scheinen! Apropos,
Herr Kardinalbischof, ist auch gesorgt dafür,
Daß nur ein simpler Priester nun das Opfer bringt,
Und den paar alten Weibern, die noch drüben knieen,
Den Gott zu essen gibt, nach dem es sie verlangt?
KARDINAL AUS DEM GEFOLGE.
Es ist gesorgt dafür!
DER PAPST zu Michelangelo.
So komm ich, Meister, denn
Zu Euch! Schon wieder schwingt die Luft von dem Geschrei:
»Der Torrigiano ist in Rom!«, als hätte man,
Wie von dem sonderbaren Fisch der neuen Welt
Geschrieben steht, die Eier, die man jüngst gelegt,
Im Maul nun ausgebrütet. Galts das vorige Mal,
Erst noch nach ihm zu suchen, so heißts heut: er steht
Leibhaftig in Buonarottis Werkstatt. Schon
Will ich, als Pontifex zum Peterpaulstag, sehn
An meiner Kirchengängerzahl, was im Bericht
Von Auflauf und Gezeter übertrieben war,
Da poltert mir der Abt Sangallo ins Gemach,
Steht da, pumpt sich den Schweiß heraus, und sagt zerrissen:
»Der Michelangelo hat sich mit ihm versöhnt!
Der Pofel will Buonarottis Bilder sehn!
Den Torrigiano hängt man, wenn man ihn erwischt!«
MICHELANGELO.
Das Zweite, heiliger Vater –
DER PAPST.
Unbesorgt! Es soll
Uns vor ein Werk, in dem ihr sieben Jahre lang
Dem Schöpfer seine ersten Menschen nachgeäfft
Und ihm sein jüngst Gericht vorweggenommen habt,
Kein andrer als ihr selber führen. Dreifach ward
Sogleich die Wache aufgestärkt. Ich aber sprach,
Als draußen ich den schwarzen Teig sich wälgern sah:
Gebt mir, beim Behmot und Leviathan, den Stab!
Da muß ich eilends doch zu Michelangelo,
Um selbst zu sehn!
MICHELANGELO verbeugt sich.
DER PAPST mit dem Stab stampfend.
Nun, nun? Anstatt zu reden, beugt
Ihr euch, zerdrückt die Worte vollends, die im Bauch
Sich bilden wollten, um herauszukommen? Als
Man die Durchstöberung der Katakomben jüngst
Von mir erzwang, da war ich lächerlich. Da hat
Nur die vereinte Schwadronnade aller Kanzeln
Des Abendlands mein Ansehn wiederhergestellt.
Seid ihr von Sinnen, daß ihr glaubt, um einen Schnack
Werd ich ein zweites Mal mir allerorts Tumult
Und Glaubensstreit heraufbeschwören? Unser Volk,
Vernehme ich, und Michelangelo sind nicht
Ganz einig. Was ist dran, und worum handelt sichs?
Wer schlichten will, muß beides wissen, und ich wills!
MICHELANGELO.
Wohl! So vernehmt in Unterwerfung!
DER PAPST.
Aber faßt
Euch kurz! Man könnte kommen, eh wir fertig sind.
MICHELANGELO.
Hier steht Pietro Torrigiano aus Florenz
Und er bewies es, daß ers ist.
Hebt die Zeichnung auf.
DER PAPST fixiert den Torrigiano.
Durch ein Papier
Erst noch? Du hast ein trotziges Gesicht, mein Sohn!
TORRIGIANO.
Nicht trotziger als mein Geschick erbärmlich war!
MICHELANGELO.
Ich weiß nicht, was man Euch von ihm berichtet hat.
Vor grellen Taten werden Haß und Liebe blind
Und deshalb reden sie auch irr davon. Wahr ist:
TORRIGIANO.
Daß ich
Auf Michelangelo deutend.
dem Manne, als er noch ein Knabe war.
Der, als Charakter, in Florenz bei weitem nicht
So viel wie ich, der üble Torrigiano galt,
Das Nasenbein zerschmetterte – im Jähzorn wars –
Weil er ein Bild mir schmähte. Wahr ist:
MICHELANGELO.
Machst dus so?
Dann fahr auch hin!
Sucht den Meisel.
TORRIGIANO.
Ja dreimal wahr ist, daß ich dann
Bei dreißig Jahre lang verkommen mußte; wahr,
Daß ich, als schon mein Bein zur Grube schlotterte,
Mich doch noch auf – und hierher raffte, abzurechnen.
Eh ich verfaulte, mit den Scharlatanen, die
Die Gläubiger meines Lebens spielten. Innen spürt
Ich: Richtigkeit muß sein!
DER PAPST.
Du schweigst! Wer fragte dich?
Du, Michelangelo, kehr mir an deinen Platz
Zurück! Das ist er schon, der Rohling, wie man ihn
Mir schilderte! Doch das zu wissen, tut nicht not.
Was ist vielmehr geschehn, wie er nun hier erschien?
MICHELANGELO.
Er schlug von Anfang bis zu End die Karten auf,
Die so verzerrt uns zeigen. Ja, er litt. Ich kann
Nur schwer verwinden, doch ich reich ihm meine Hand.
TORRIGIANO.
Was ich jetzt sage, das beweise ich! Er spricht,
Als hab ers aus Barmherzigkeit getan. Indes
Verfluchte er sich nur, daß er nicht langer könnt
Um eine Bagatelle einen wackren Mann
Mit übermenschlicher Unmenschlichkeit verfolgen.
MICHELANGELO.
Ich reich ihm also meine Hand, verspreche ihm,
Vor meinen Freunden ihn zu schützen, und schon sind
Wir auf dem Weg zu euch, daß ihr gesetzlich auch
Ihn wieder sässig machtet, eh das Volk ihn säh –
TORRIGIANO.
Da taucht, als wär er vorm Taranteltanz gezeugt
Mit einem schwärmenden Bajazz, ein Jüngling auf,
In buntem Zeug und ein Gehäng im Ohr, der sich
Cellini nennt. Er mag bekannt sein als mein Feind.
Dem werde ich entdeckt. Wars nicht Verrat? Der darf
Mit seinem Degen nach mir haun; auf Stelzen gen
Den Meister selber fechten. Wie er geht, soll er
Das Volk beruhigen, das nur von ihm verhetzt
Doch, als mein Name fiel, sich in die Stadt ergoß,
Und soll dafür vor Euch, den Papst hinkommen, wo
Sich mein Geschick entscheide. Folge davon ist:
Daß Euer Zorn uns aufsucht, statt wir selber Euch.
Wer sieht da nicht: Nur weil Buonarotti vor
Cellini seinem alten Hasse noch einmal
Verfiel, kams soweit, daß mein Leben nun, trotzdem
Ich seinen Handschlag hab, auf Messerschneide steht.
Er, zwischen zwei Partein, kann nicht mein Anwalt sein,
Und deshalb sprech ich selbst.
MICHELANGELO.
Versuch es, Bestie!
DER PAPST schlägt den Torrigiano.
Wirst du wohl schweigen, lächerlicher Nasenheld?
Indem er ihn beständig schlägt.
Corpus delicti also ist ein Stücklein Mensch,
Von dessen Niedertracht und Kleinigkeit sich mit
Dem Schnupftuch jeder greifbar überzeugen kann.
TORRIGIANO.
Nun schlägst du mich? Wer bist du denn? Spring mir doch auf
Den Rücken, wies der Affen Rottenführer tun
Im Zorn, und mach mich vor der Rotte hier zum Weib!
DER PAPST dem ein Kardinal die Nachricht eines Boten ins Ohr geflüstert hat, zu Michelangelo.
An der Sixtina gehen schlimme Dinge vor.
Was glaubst du, Künstlereitelkeit, daß ich nun tu?
Du größte Eitelkeit, die, weil der Schnupftabak
Im rechten Nasenloch nun breitre Gasse fand
Als wie im Linken; weil bei Frösten das Organ
Nun unsymmetrisch schnaubt, es dahin kommen läßt,
Daß unsre Heiligkeit in eigener Person
Am Feiertag in einer Werkstatt stehen muß?
Tritt einen Schritt zurück.
TORRIGIANO.
Du bist der Papst, den wir dazu gemacht, daß er
Nach Recht und nach Gesetz, und nicht nach Willkür uns
Behandelt.
MICHELANGELO.
Ich verwahre mich dagegen, daß
Hier Eitelkeit im Spiele ist. Ein Zwiespalt ist
Der Grund, daß wir hier stehn. Ich gebe zu, ich hab
Dem Manne mehr versprochen, als ich halten konnte.
Ein Irrturn wars! Ich überschätzte meine Macht,
Und unterschätzte wohl mein Herz. Der Streit ist echt,
Der draus entsprang und ausgetragen sei, doch nicht
Geknickt, wie man für Torrigiano fürchten muß.
TORRIGIANO.
Seit ich Buonarottis Handschlag hab, wich auch
Der Schein von einer Schuld von mir. Ich bin aus der
Gemeinde nicht mit Recht mehr ausgestoßen, und
So fordre ich, daß auch der Bannfluch von mir fällt,
Den Euer Vorfahr gegen mich erlassen hat.
Ich habe lang genug mich wie ein Wurm ums Recht
Gekrümmt. Ich bin kein Scheusal, das man unbesehn
Zertritt.
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