DER PAPST.

Wie brandet ihre Leidenschaft an mir

Hinauf! So glaubt ihr beide, und ihr alle glaubts,

Ich müsse überzeugt sein, wie ihrs längst schon seid

Daß man den Torrigiano nicht beseitigen darf,

Um reinen Handel zu gewinnen? Glaubt vielmehr,

Daß ich in Form und Würde, wies dem Papst geziemt;

In einem feierlichen Spruche, den der Schreiber

Euch eilends zu copieren und besiegeln hat,

Das Gegenteil davon erkläre und somit

Die Narretei dahier vergrößere, anstatt

Sie wegzuräumen?

TORRIGIANO.

Meinen Schutzbrief hab ich noch!

Der bändigt ihn.

MICHELANGELO.

Für den Cellini steh ich ein!

Das Volk wird sich verlaufen. Noch ist nichts geschehn!

DER PAPST.

Was ist doch eine Nase? Laßt uns sehn! Zwar blies

Der Schöpfer uns durch dies Organ die Seele ein,

Und seitdem fährt der Odem auf dem Nasenweg,

Wenn er die Lebensgeister füttert, aus und ein.

Das zeugt fürwahr von ganz besondrer Auszeichnung.

Ein Knorpel aber bleibt ein Knoten. So auch hier.

Ein Sündenfall im kleinen ward es mit der Nase.

Nach hastigen Genüssen, unzufrieden, zog

Sie aus: Nach Rosen, einer Hammelskeule, der

Geliebten Spur, und mußt insofern büßen, als

Sie jetzt zum Rauchfang an dem kleinen Hause ward,

Das Mensch sich nennt; zum Rauchfang ward, und Rauchfang blieb;

Daß ihrer Urbestimmung sich ein Fluch verband,

Der alle Riecherei versalzt, und Schnupfen heißt!

Ein dritter Fluch, der jede Art Zusammenschlaf

Gefährdet und im Schnarchen sein Verhängnis zeigt.

Und nun um solch Organ, das zwar die Daseinsglut

Behütet, doch auch Schornstein ist und Rasselwerk

Und Abzugsrohr gemeinster Säfte, dreht sich das

Geschrei ringsum. Versucht ihr immer noch, ihr Herrn,

Die Schellenkappe mir auch auf das Haupt zu tun,

Weil eurem Mummenschanz nur noch die Krone fehlt?

 

Zum Gefolge zurücksprechend.

 

Wie hieß die Meldung doch vorhin? Der Pöbelhauf –

KARDINAL.

Sei mit den Wachen handgemein geworden.

 

Michelangelo erschrickt. Eine neue Meldung erfolgt.

 

Die Kapelle ist enthüllt. Das Volk ist unterwegs

Hierher, wie mir ein zweiter Bote sagt.

DER PAPST.

Und dein

Cellini, Michelangelo?

MICHELANGELO halb für sich.

Ich fürchte fast,

Daß er, verführt, der Führer war!

TORRIGIANO.

Ich hin gefaßt

Auf alles! Was vermag jetzt noch ein Stück Papier?

DER PAPST.

Der niedre Mensch nur, dacht ich, lärmt, um das Gefühl

Zu haben, daß er lebt. Ei, wieviel Lärm erschallt!

Jawohl, der Papst, ich bins; doch das bedeutet hier,

Daß ich um einen Nasenvorsprung, ders Gesicht

Mit Habicht, Fuchs und Maus noch in Verwandtschaft zeigt,

Nun länger nicht mehr Schwank und Unruh dulden kann.

Ich bin es, der das rechte Maß hier noch vertritt.

Und mir obliegt die Pflicht, es wiederherzustellen.

Somit erkläre ich: Was der und jener glaubt,

Erscheint mir Torenwahn. Man droht mir mit Gewalt,

Darauf erwidre ich: Pietro Torrigiano,

Von meinem Vorfahr einst aus lächerlichem Grund

Verbannt –

TORRIGIANO.

Aus lächerlichem Grund, sagt er –

MICHELANGELO.

Nur zu!

DER PAPST.

Derselbe Torrigiano, der in Zwist steht mit

Buonarotti aus privaten Gründen, ist

In all sein Mann- und Bürgerrecht restituiert

Von Staates wegen.

TORRIGIANO.

Hör ich recht?

MICHELANGELO.

Dies Wort hat hier

Niemand erwartet. Der selbst, dens zunächst angeht,

War schon aufs Gegenteil gefaßt. Und ich gesteh,

Daß ichs auch fürchtete. Doch war er nun verdammt,

Ich hätte, eh mans ihm bestätigt, protestiert,

Wie ich dagegen protestiere, daß man ihm

Jetzt ohne Rücksicht auf den anhängenden Streit

Den Bann erläßt, bevor Cellini hier erschien.

Pietro Torrigiano hat mein Wort darauf,

Daß ich mit allen Kräften für ihn wirke, doch

Es stellt sich grade das als übereilt heraus,

Daß ich es gab, und hatte nicht das Recht dazu,

Weil er im Künstler auch das Volk beleidigte.

Drum ehe Ihr dem Florentiner Euer Wort

Bestätigt durch den Handschlag und durch Vorführung,

Hört an, was doch die Stadt, die sich so aufgeregt

Gebahrt, durch eines Mannes Mund, dem sie vertraut,

Gen Torrigiano vorbringt, wenn ich selbst mich für

Ihn in die Schanze schlage.

DER PAPST.

Was ein Bildhauer

Mit einem andern für verzwickte Händel hat,

Das ist ein Fall für sich, der nicht im Brennpunkt steht.

Jetzt sehe ich von Tollheit meine Stadt beherrscht

Und auf den Kopf gestellt, indem man revoltiert.

Da hab ich Ruh zu schaffen und zwar so: Ihr dreist

Ins Angesicht! Drum abermals: Ich lasse hier

Pietro Torrigiano, den ihr alle seht,

 

Er führt ihn vor.

 

Frei gehn, wohin er will. Dem Michelangelo

Empfehle ich Geduld und mehr Bescheidenheit;

Doch den Cellini, der aufrührerisch den Zank

Zu Unruhen benutzte – holt ihn mir hierher!

 

Man eilt, den Befehl zu vollziehn. Aufregung für und wider.

 

TORRIGIANO.

Buonarottis Groll verflog, und nun fiel auch

Die andre Schranke, die von Rom mich fernehielt?

MICHELANGELO zum Papst.

Der Friede einer Stadt kommt vor den Künstlernasen.

Und doch! Nimm dich in Acht vor einer Menge, die

Ein Schwärmer führt! Du forderst die Gewalt heraus.

TORRIGIANO.

Was ist das für ein Wirbel, der mich niederreißt?

Was ists, daß jedes Wenn und Aber schwand? Das Herz

Den Steinwall von sich sprengt, mit dem ichs steinigte,

Und mir wie eine Sonne in der Brust erglüht?

Die Qual ist groß, weil längst der Tränenquell versiegt

Ist, der da Lindrung schauen könnte. Größer ist

Die Lust, Wollust! So mag allein der Kreatur

Zumute sein, die sich in einem finstren Leib

Vergebens zu bewegen trachtete, und doch

Am End aus dem gespreizten Bein der Mutter dringt.

Was stöhnst du, meine Brust? Italien, du Land

Des Aetna und Vesuv, um die herum ein Volk

Von Faunen, heiter auf die Brust dahingestreckt,

Im Sonnenstrahl mit grünen Echsen spielt, dich hab

Ich wieder! Heimatland der unterirdischen Feuer,

Die jetzt, in sich versunken, jäher Säfte Glut

Auskochen in dein Menschen, Taumel in der Frucht,

Gleichdrauf in urvererbtem Haß das Land erschüttern

Und der Orange Goldball, unreif noch, zerschmeißen,

Ich kehrte dir nun doch zurück, du Sehnsuchtsland.

DER PAPST.

Wer heult da wie ein richtiges Vierlippenweib

Und trägt doch einen Bart?

MICHELANGELO ärgerlich zu Torrigiano.

Steh auf!

 

Von draußen rasch anschwellender Lärm.

 

TORRIGIANO stehend.

Rauscht nur herein,

Granate, Myrth und Lorbeer, die ich lang genug

Nicht sah! Ihr drängt euch vor den Fenstern. Seid gegrüßt!

Umschließt mich grün und fest! Ich glaubs ja kaum, daß ich,

Von Fluch und Bann erlöst, nichts mehr zu fürchten hab,

Als dies: Daß man mir nicht vergönnt, den Lebensrest,

Der mir noch blieb, für meine Dankbarkeit zu nutzen,

DER PAPST.

Mißtraut mir mehr! Ich bin zuerst ein kluger Papst.

 

 

Vierter Auftritt

Von beiden Seilen drängt viel Volk herein.

 

STIMMEN AUS DEM VOLK.

Heil Michelangelo! Dem Torrigiano Tod!

Er ist ein Schuft! Ein Totschläger ist er! Er pökelt

Sich Kindernasen ein und ißt sie dann! Greift an!

MICHELANGELO.

Dies Haus ist meines. Auch beherbergt es den Papst.

Hinaus!

 

Kniefälle. Mürrisches Zurückweichen der Menge.

 

Wo ist Cellini?

STIMMEN.

Heil! Cellini Heil!

Der Torrigiano wars auch, der vergangnes Jahr

Den Meister überfiel nachts beim Nachhausegehn!

Dem Torrigiano Tod! Heil Michelangelo!

MICHELANGELO.

Es ehrt mich euer Ruf. Doch kommt ihr mir jetzt nicht

Zu Paß. Verlaßt darum das Haus und schweigt!

CELLINI arbeitet sich durch die Menge.

Nein, bleibt!

Bleibt alle und vernehmt von mir, wie ich den hier

Verehre, unsrer abendländischen Kunst Großmeister,

Den Schirm- und Ahnherrn kommender Jahrtausende!

Mit Namen heißt er Michelangelo. So sehr

Verehr ich ihn, daß ich – nein, habt Geduld, ich muß

Das Ganze euch erzählen.

MICHELANGELO nachdem auf einen Wink den Papstes hin die Türen geschlossen wurden.

Sprich, wo kommst du her?

CELLINI.

Von dir, Gewaltigster!

MICHELANGELO.

Wir werden drüber reden.

Sag, was du willst!

CELLINI.

Dich selbst!

MICHELANGELO.

Sonst nichts?

CELLINI.

Dich selbst, sonst nichts!

Und ich umarmte dich, verbot es nicht die Scheu.

So wunderbar führt jeder Weg zu dir zurück.

MICHELANGELO.

Solange meine Türen nicht verschlossen sind.

CELLINI.

Wozu der Spott? Noch weißt du nichts, als daß das Volk

Mit mir in die Sixtina drang. Vernimm zuerst,

Wie mir geschah! Wohl ging ich, um die Aufregung

Zu dämpfen; doch den Groll trug ich nicht minder noch

Im Herzen gegen den Verstümmler, wie zuvor.

Ich suche zu beschwichtigen. Man höhnt mich aus

Voll Ungeduld und Neugier und Soldatenhaß.

Ich rufe: »Michelangelo hat mich geschickt!«

Mit Schlägen stößt man mich zur Seite. »Drauf und dran!«,

So schrei ich denn, »ich prüft euch nur. In Dreck die Wachen!«

Doch wie man nun dein Werk vor mir entkleidete,

Vergaß ich alles, was da um mich wob und stob:

Den Torrigiano und den Nasenstreit; das Blut,

Das von mir rann; die Welt und allen Zubehör.

Mach, was du willst mit ihm; mach ihn zum Freund und setz

Ihn über mich, nur gönn mir ein vergebend Wort!

MICHELANGELO.

Ein andrer ists, der Aufruhr zu vergeben hat.

Daß du mein Werk enthülltest und die höchste Lust

Daran mir raubtest – seis drum! Was den Torrigiano

Betrifft, so geh ich dir sogar das Wort zurück,

Das du im Überschwange sprachst. Der Papst –

CELLINI sieht den Papst erst jetzt.

Der Papst?

MICHELANGELO.

Nahm sich des Streits inzwischen an und hat den Mann

In alle seine Rechte wieder eingesetzt.

Dir selber als dein Ruhestörer hat zunächst

Er Schloß und Riegel zugedacht.