Er hats getan.

DER PAPST.

Ihn fragte ich. Sprich selbst!

TORRIGIANO.

Wozu! Was solls? Ich soll

Hier nicht gerichtet, hingerichtet soll ich werden.

Was änderts da, wenn ich mich wehre? Schwiege ich,

So säh es aber wie ein Zugeständnis aus.

Ich will es euch gestehn, worin ich schuldig bin!

Ich kam nach Rom, nicht um zu leben, sondern um

Zu sterben. Ich wars, den nach Abrechnung verlangte,

Abrechnung mit euch allen, wie ihr auch hier steht.

Doch, hatte ich mein Recht erlangt, so wollt ich selbst

Mich töten. So Stands fest bei mir, noch hier in Rom.

Ich war verhetzt und müde, krank von Lebensneid;

Statt eines Herzens spürt ich einen Ziegel in

Der Brust, und Lumpen hüllten einen siechen Leib.

Mir ziemte nur der Tod, Und das ist nun die Schuld,

Von der ich sprach: Daß ich, als Michelangelo

Mir neue Lebenshoffnung weckte, als der Papst

Mir seinen Bann abnahm, mich doch verführen ließ,

Mein mir gegebnes Wort für nichts zu achten, um

Mit frommer Selbsttäuschung mich drüberwegzusetzen.

So kams, daß ich nun euer Angeklagter bin,

Als ob zu Recht bestünde, daß man mich verfolgt.

Da raffe ich mich mit dem letzten Rest von Kraft,

Und wärs nur so viel, als den Toten, wie man sagt,

Die Nägel und das Haar noch etwas weitertreibt,

Zusammen, und schreis noch einmal hinaus: mir soll

Ein lebenslänglich Unrecht widerfahren sein.

Mich riß man wie ein Unkraut aus der Welt heraus.

Mich will man nun, trotzdem mir Michelangelo

Vergab, trotzdem der Papst den Streit für lachhaft hielt,

Und mich restituierte in mein Bürgerrecht,

Auch noch zertreten, weil man fürchtet, daß ich mir

Mit einem Weibe oder Steine einen Sohn

Noch zeugen möchte, der den Namen weiterträgt.

Ja, ich zerschlug einmal dem Michelangelo

Den Nasenknorpel, daß sein Antlitz Krüppel ward.

Doch führt ich jenen Hieb nur, weil man meinen Fleiß

Verspottete. So ists, und so war ich gesinnt.

Von einer Gotteslästrung kann schon deshalb nicht

Die Rede sein, weil Michelangelo damals

Noch erst ein Knabe war. – Der Künstler selbst bezeugt

Das eine wie das andere.

MICHELANGELO.

Nehmt euch in Acht

Und pfuscht mir nicht! Ich sage mehr: Er hat gebüßt

Wie keiner noch für einen Knabenstreich. Mehr war

Das nicht, was zu Florenz geschah. Ich selbst, indem

Ich ihn verfolgte, bauschte unsern Zwist erst auf.

DER PAPST.

Cellini, wirst du dich verteidigen?

 

Indem er auf einen Schöffen zeigt.

 

Dem dünkt,

Daß Michelangelo damals noch Knabe war,

Das werfe die Bezichtigung ins Nichts zusammen.

MICHELANGELO.

Das ist hier ein Verfahren, wies die Wilden pflegen,

Wenn Kläger und wenn Richter sich verschwägert sind.

Wer hat da noch Geduld?

DER PAPST zu Michelangelo.

Die Unterbrechung ist

Mir stark zuwider,

 

Zu Cellini.

 

Sprich nur zu, mein Sohn!

Wie wirst

Du dich verteidigen? Du weißt, wenn dirs nicht glückt,

Ists um dich selbst geschehn.

CELLINI.

Verteidigen? Dahin

Müßts kommen; daß die Welt vollkommen auf den Kopf

Zu stehen käm! Ich, der in jenem Geisterdom,

Darin der Mensch vorm Menschen bebt, und doch ihn liebt,

Euch bis zur Spitze führte, müßte nun erleben,

Daß man mich droben hinterrücks herunterstürzt,

Weil einen ich verfolge, dem ihr Schutz gewährt

Und der an meinem Heiligtume sich vergriff.

Der Ehrfurcht hab ich Michelangelo geopfert.

Der Ehrfurcht gab ich meinen eignen Leib dahin.

Denn für die Ehrfurcht macht ich Aufruhr, wie mans nannte.

Wer darf mir sagen, daß es nur ein Hirngespinst,

Wenn ich der Ehrfurcht Priester und Prophet mich nenne?

MICHELANGELO.

Was sagt er da?

TORRIGIANO.

Es schwindelt ihm! Es schwindelt ihm!

DER PAPST indem er aufsteht.

Du wirst wohl an dir selber irr?

 

Plötzlich.

 

Wer hilft ihm jetzt?

 

Murren und Unruhe, bis Cellini weiterspricht.

 

CELLINI.

In was für eine Welt schau ich hinein! Was hat

Das Leben noch für einen Sinn für mich, was gilt

Mir noch des Torrigiano Tod, wenn das, was man

Die Scheu nennt, nichts mehr gilt? Ein Stich durch meine Brust,

Und Frechheit und Gemeinheit fallen sich ans Herz.

Nein! Dreimal nein. Sieht auch die Gegenwart an mir

Vorbei, die Zukunft, wenn sie zu zerfallen droht,

Erinnert sich an meine Unerbittlichkeit!

DER PAPST.

Des Jünglings Heroismus scheint mir echt zu sein.

CELLINI.

Sagt Torrigiano nicht, daß Michelangelo

Ein Kind noch war, als er ihn traf? Und sagt er nicht,

Er hab ihm seinen Spott nur heimgezahlt? Was floh

Er dann vor dem Lorenzo Medici, wenn er

Die Schwere des Verbrechens nicht ermaß? Was nahm

Er Kriegsdienst bei Cesare Borgia, wenn er nicht

Als Schlächter sich erschien? Was trieb nach Spanien

Ihn hin, wenn nicht der allgemeine Haß auf ihn,

Der zwar nicht frägt »Warum?«, doch immer richtig fühlt?

Wer ist denn noch so tief verrottet, daß er sich

In Deutschland Henker schelten läßt und Schindersmann?

Wer ist kein Ketzer, den der König Englands schützt?

Und nicht von frechestem Gemüt, daß er es wagt,

Trotz alledem nach Rom um Wiedereinsetzung

Zu kommen? Wiederholt: Das Rad hat er verdient!

 

Tumult.

 

TORRIGIANO.

Der Streit ist aus! Ich geb ihn auf!

MICHELANGELO schiebt ihn beiseite.

Du bist ein Laffe!

Der Streit, beginnt! Denn ich behaupte, daß ein Mann

Hier steht, in dem ein wunderbarer Geist sich bricht

Wie im Kristall der Sonnenstrahl, und daß für Recht

Ein Mord an ihm geschäh, wenn er verurteilt würde.

Was man als angeborne Skrupellosigkeit

An ihm verdammt, das stellt sich anders dar, wenn man

Den Torrigiano schon gekannt hat in Florenz.

Jähzornig war er, daß er mit der Staffelei

Nach Fliegen in die Luft schlug, wenn sie ihn umschwirrten.

Ein Bube war er nicht. Habt erst Respekt vor ihm,

Der so mit jeder Kreatur empfand, daß er

Ein halb verfaultes Bettlerscheusal noch ertrug;

Der so in stolzerhobner Art beschaffen war,

Daß er sich einmal einen Dienst von mir verbat,

Weil ihm der Dank dafür zu hoch zu stehen komme.

Ich ward für tot hinweggetragen. Darum mußt

Er fliehen. Ich verfolgte ihn von Ort zu Ort.

Drum war er, wo man in der Menschheit Bodensatz

Ihn findet, stets hineingezwungen. Wenn der Mann

Nach einem halben Menschenalter Höllenfahrt

Die Kraft noch findet, vor uns hinzutreten, so

Beweists nur eines: Daß ein Drang nach Wahrheit und

Nach Echtheit seines Unglücks in ihm flammte, wie

Er nimmer in verrottetem Gemüte sich

Entzünden wird.

CELLINI.

Da seht ihr Michelangelo!

DER PAPST setzt sich.

 

MICHELANGELO.

Nun Papst? Heraus den Spruch! Was wiegst du lang das Haupt?

Was gibts noch zu bedenken? Der Prozeß ist klar!

DER PAPST.

Der Spruch, der Spruch, er fällt mir immer leicht!

 

Zu Michelangelo.

 

Du sagst,

Wir haben es mit einem neuen Heiligen

Zu tun. Er nennt ihn alles Göttlichen Erzfeind

Aus wüstem Ehrfurchtsmangel, der die Welt zerstört.

Du gehst soweit, daß du ihn selbst verteidigst, ob

Er gleich an dir zumeist gefrevelt haben soll.

Er geht noch weiter, revoltiert und opfert sich.

Der Guelf beweist, der Ghibellin beweist, und doch

Kann nur ein Urteil fallen. Ja, der Mensch ist schwach!

Tritt ein Dilemma nur an ihn heran, ists schon

Um ihn geschehn. Die heilige Inquisition

Säh klarer in die Dinge, denn in ihr trat stets

Ein ganz besondrer Geist des Lichts zutag; doch sie

Ward nur für Ketzer eingesetzt, und Ketzerei

Kommt hier nicht in Betracht. Dies eine wenigstens

Steht fest!

MICHELANGELO.

Ihr Römer, euer Papst, er heuchelt nur!

Er fürchtet, wenn er Torrigiano freispricht, seis

Um seinen Thron geschehn. Man kennt die alte Furcht.

Doch nicht ein Potentatenschicksal gilts, es gilt

Ein ehrliches Gericht. Der Papst hats zu vollziehn

Im Namen aller, denen Wohl und Weh der Stadt

Auch über einen momentanen Streit hinaus

Am Herzen liegt. Ich denke, darin stimmen die

Parteien überein. Vollzieht ers nicht, so mag

Er auch den wüsten Knäul der Nachgeburt, die auf

Sein Unrecht folgt, vertreten, bis sich schließlich zeigt,

Daß man in Rom den höchsten Stuhl nicht länger dem

Vertraut, der Bürgersleute, die nicht schuldig sind,

Der eignen Selbstbehauptung wegen opfern muß.

DER PAPST.

Buonarotti hüte seine Zunge mehr!

Er hat die Rechte des Verteidigers, doch nicht

Das Recht, den Richter zu verleumden ohne Grund.

In Rom ist jetzt der Edelmann Cellini Herr,

Solange der Prozeß noch währt, und wer da wagt,

Cellinis Diener hämisch anzugreifen, muß

Gewärtigen, daß dieser sich bei seinem Herrn

Und gegenwärtigen Oberhaupt Genugtuung

Verschafft. Noch ists nicht soweit, daß die Anarchie

In Rom die alte Wolfsstadt auferstehen ließ.

 

Den Faden wieder aufnehmend.

 

Ein Ketzer also ist der Torrigiano nicht.

Doch die Verbrennung war ihm auch nicht zuverlangt.

Hat er nun Gott gelästert und verdient, daß man

Ihm auf dem Rade das Gebein zerschlägt?

MICHELANGELO sich abwendend.

Da bleibt

Nichts übrig, als der Meisel und der Hammer!

 

Bearbeitet einen hohen Marmorblock, daß die Stücke fliegen.

 

TORRIGIANO UND CELLINI zugleich.

Sags!

DER PAPST nachdem er sich nach den Schöffen umsah.

Der Schöffe schweigt. Ich denke hin und denke her.

In unsrer Frage nach des Torrigiano Schuld

Erübrigt uns nur eins. Es soll entschieden sein,

So oder so. Cellinis Ungeduld verlangts.

Doch zur Entscheidung zeigt das Werkzeug sich zu stumpf.

Was tat man wohl zu frührer Zeit in solchem Fall?

Man wandte sich zur höhern Macht hinauf, die dann

Mit einem Griff hienieden alles ordnete.

Wenn man den heutigen Tag zurückbetrachtet, lag

Das Ziel ja ungeahnt nur halb verhüllt, das ich

Jetzt so gestalte: Hält sich Torrigiano selbst

Für schuldig oder nicht? Mit einem Worte:

TORRIGIANO will sprechen, schweigt.

 

MICHELANGELO der wieder herbeigekommen ist.

Nein!

DER PAPST.

So sage ich ihm denn: Bei dem, der jeden Puls

In der geheimsten Brust durchschaut: Wie du dich selbst

Gebahrst, ob ungebändigt, oder demutsvoll,

Wenn du vernimmst, daß wir dem Schöpfer hier den Spruch

Vertraun: Das erstre gilt dir Tod, das andre Leben!

Denn wir betrachten es als Urteil Gottes.

CELLINI.

Wohl!

TORRIGIANO springt in die Mitte vor, über dem Haupt den Degen schwingend.

Der Gipfel der Verrücktheit ist erreicht! Die Welt

Bricht auseinander. Schlagt sie ganz ins Nichts hinein!

 

Großer Tumult.

 

DER PAPST richtet sich hoch auf.

Er ist vom höchsten Finger angerührt! Er tobt!

Er tobt! Wer ihn nicht fesselt, werfe sich aufs Knie

Und bete an!

MICHELANGELO verhüllt sich die Augen.

Sie reißen ihn –

CELLINI unerbittlich.

Zu Boden! So

Ists recht!

 

Torrigiano fällt, während er sich durchsticht, mit einem Knäul von Männern zu Boden.