Ich wählte Galloway als den besten Zufluchtsort. Es war die nächstgelegene kaum angebaute Gegend in Schottland, soweit ich erkennen konnte, und sah auf der Karte spärlich besiedelt aus.

Ich schlug im Bradshaw-Fahrplan nach und fand einen Zug, der um sieben Uhr zehn vom St. Pankraz-Bahnhof abfuhr und mich am späten Nachmittag zu irgendeiner Haltestelle in Galloway bringen würde. Das paßte gut, aber wichtiger war die Frage, wie ich zum Bahnhof kommen sollte, denn ich war ziemlich sicher, daß Scudders Freunde draußen aufpaßten. Das kostete mich einiges Nachdenken; dann kam mir ein Einfall, und darnach ging ich zu Bett und schlief zwei unruhige Stunden lang.

Um vier Uhr stand ich auf und öffnete die Fenster meines Schlafzimmers. Das erste Licht eines schönen Sommermorgens überflutete den Himmel, und die Spatzen hatten zu tschilpen begonnen. Ein Gefühl großen Ekels stieg in mir auf. Am liebsten hätte ich allem seinen Lauf gelassen und mein Vertrauen auf die britische Polizei gesetzt, die meinen Fall schon vernünftig beurteilen würde. Aber als ich die Lage überdachte, konnte ich keinen stichhaltigen Grund finden, der gegen meine Entscheidung vom Vorabend sprach, so daß ich widerwillig beschloß, meinen Plan auszuführen. Ich empfand keine besondere Angst, nur Widerwillen dagegen, mich weiteren Unannehmlichkeiten auszusetzen, falls man das verstehen kann.

Ich suchte einen abgetragenen Tweedanzug heraus, ein Paar feste Nagelschuhe und ein Flanellhemd mit Kragen. In die Taschen stopfte ich ein weiteres Hemd, eine Tuchmütze, ein paar Taschentücher und eine Zahnbürste. Zwei Tage zuvor hatte ich eine beträchtliche Summe in Gold abgehoben für den Fall, daß Scudder Geld brauchen sollte, und ich steckte fünfzig Pfund in Zwanzigschillingstücken in einen Gürtel, den ich aus Rhodesien mitgebracht hatte. Das war so ungefähr alles, was ich brauchte. Dann nahm ich ein Bad und stutzte mir den Schnurrbart, der lang heruntergehangen hatte, zu einer kurzen Stoppelbürste.

Jetzt kam der nächste Schritt. Paddock pflegte pünktlich um halb acht zu kommen, er hatte einen Wohnungsschlüssel. Aber um etwa zwanzig Minuten vor sieben, das wußte ich aus bitterer Erfahrung, stellte sich mit gewaltigem Kannengeklapper der Milchmann ein und lud meine Ration vor der Wohnungstür ab. Manchmal, wenn ich zu einem frühen Morgenritt ausgegangen war, hatte ich diesen Milchmann gesehen. Es war ein junger Mann von etwa meiner Größe mit einem unterernährten Schnurrbart, und er trug einen weißen Kittel. Auf ihn setzte ich all meine Hoffnung.

Ich ging in das verdunkelte Rauchzimmer, wo die ersten Strahlen des Morgenlichts durch die Fensterläden krochen. Dort frühstückte ich einen Whisky-Soda und ein paar Kekse aus dem Schrank. Es war jetzt kurz vor sechs Uhr. Ich steckte eine Pfeife in die Tasche und füllte den Tabaksbeutel aus der Büchse, die auf dem Tisch am Kamin stand.

Als ich die Finger in den Tabak grub, stießen sie auf etwas Hartes, und ich zog Scudders kleines, schwarzes Buch heraus...

Das schien mir ein gutes Vorzeichen zu sein. Ich hob das Tuch von der Leiche und war tief erstaunt über den Frieden und die Würde auf dem Gesicht des Toten. »Adieu, alter Freund«, sagte ich. »Ich will für dich tun, was ich kann. "Wünsche mir Glück, wo immer du bist.«

Dann stand ich in der Diele herum und wartete auf den Milchmann. Das war das Schlimmste an der ganzen Sache, denn die Begier, erst einmal draußen zu sein, erstickte mich fast. Es war halb sieben, dann zwanzig vor sieben, aber er kam noch immer nicht. Gerade heute gefiel es dem Burschen, Verspätung zu haben.

Eine Minute nach Viertel vor sieben hörte ich draußen die Kannen klappern. Ich machte die Tür auf, und da war er, er suchte meine Kanne aus dem halben Dutzend heraus, das er trug, und pfiff dabei durch die Zähne.