Ich hatte den ehemaligen Kolonialminister Crumpleton verpflichtet, herzukommen und heute abend hier zu sprechen. Da bekomme ich heute nachmittag ein Telegramm von dem Schurken, daß er mit Grippe in Blackpool festliegt, und nun muß ich alles selber tun. Ich hatte nur zehn Minuten lang reden wollen, und jetzt muß ich vierzig Minuten lang quasseln, und obwohl ich mir drei Stunden lang den Kopf zerbrochen habe, um mir was auszudenken, schaffe ich das einfach nicht. Jetzt müssen Sie schon so gut sein und mir aushelfen. Sie sind Anhänger der Freien Marktwirtschaft und können den Leuten erzählen, was für eine Fehlleistung der Schutzzoll in den Kolonien war. Ihr könnt doch alle reden wie geschmiert - ich wollte, ich könnte es! Ich werde Ihnen auch ewig dankbar sein.«

Von der Freien Marktwirtschaft hatte ich nur einen vagen Begriff, aber ich sah keine andere Möglichkeit, zu erreichen, was ich wollte. Dieser junge Herr war viel zu sehr mit seinen eigenen Schwierigkeiten beschäftigt, als daß es ihm auffiel, wie komisch es eigentlich war, von einem Fremden, der gerade um Haaresbreite dem Tode entgangen war und einen Wagen im Wert von tausend Guineas eingebüßt hatte, zu verlangen, er solle für ihn eine Rede bei einer Wahlversammlung aus dem Ärmel schütteln. Aber meine Notlage erlaubte mir nicht, über solche Absonderlichkeiten nachzudenken und in der Wahl meiner Mittel heikel zu sein.

»Na gut«, sagte ich. »Als Redner tauge ich nicht viel, aber ich kann Ihren Leuten ja ein bißchen was von Australien erzählen.«

Die Sorgen von Jahrtausenden schienen bei meinen Worten von seinen Schultern zu gleiten, und er dankte mir überschwenglich. Er lieh mir einen großen Automantel - wieso ich ohne einen Ulster auf eine Autotour gegangen war, danach fragte er nicht -, und während wir die staubigen Straßen hinunterrollten, erzählte er mir zutraulich die einfache Geschichte seines Lebens. Er war Vollwaise, sein Onkel hatte ihn aufgezogen - den Namen habe ich vergessen, aber er war Kabinettsminister und seine Reden stehen in den Zeitungen. Nachdem er Cambridge absolviert hatte, war er auf eine Weltreise gegangen, und da er dann nichts Rechtes zu tun wußte, riet ihm der Onkel zur Politik. Ich hatte den Eindruck, daß er eigentlich keiner Partei den Vorzug gab. »In jeder Partei gibt's anständige Leute«, sagte er vergnügt, »und auch eine Menge Taugenichtse. Ich bin liberal, weil meine Familie immer bei den Whigs war.« Aber wenn er auch keine feste politische Überzeugung hatte, so hatte er doch von anderen Dingen sehr bestimmte Ansichten. Als er merkte, daß ich mich ganz gut auf Pferde verstand, schwatzte er über die Anmeldungen fürs Derby; auch hatte er große Pläne, wie er seine Leistungen im Schießen verbessern könnte. Alles in allem ein recht ordentlicher, anständiger, noch nicht ganz flügger junger Mann.

Als wir durch eine kleine Stadt fuhren, winkten uns zwei Polizisten, zu halten, und richteten ihre Taschenlampen auf uns. »Verzeihung, Sir Harry«, sagte einer. »Wir haben Befehl, nach einem Wagen zu fahnden, und die Beschreibung paßt ungefähr auf den Ihren.«

»In Ordnung«, sagte mein Gastgeber, und ich dankte der Vorsehung, daß sie mich auf so umständliche Weise in Sicherheit gebracht hatte. Darnach sagte er nichts mehr, denn im Geiste kämpfte er mit der Rede, die er halten mußte. Seine Lippen murmelten, seine Augen wanderten, und ich machte mich auf eine weitere Autokatastrophe gefaßt. Ich zerbrach mir den Kopf, was ich selber sagen könnte, aber mein Gehirn war wie ausgedörrt. Und schon hielten wir vor einer Haustür und wurden von einigen rosettengeschmückten Herren geräuschvoll willkommen geheißen.

Im Saal waren etwa fünfhundert Leute, meist Frauen, eine Menge Glatzköpfe und ein oder zwei Dutzend junger Männer. Der Vorsitzende, ein wieselflinker Pfarrer mit rötlicher Nase, bedauerte Crumpletons Abwesenheit, monologisierte über dessen Grippe und stellte mir das Zeugnis eines >vertrauenswürdigen Führers des australischen Gedankens< aus. Zwei Polizisten standen an der Tür, und ich hoffte bloß, daß sie dieses Zeugnis nicht zur Kenntnis nahmen. Dann begann Sir Harry.

Noch nie hatte ich so etwas gehört. Er hatte nicht die leiseste Ahnung, wie man eine Rede hält. Er las aus unzähligen Notizblättern vor, und als er sie niederlegte, verfiel er in endloses Stottern. Hie und da fiel ihm ein Ausdruck ein, den er auswendig gelernt hatte, dann straffte er die Schultern und schmetterte los, und im nächsten Augenblick bückte er sich tief über seine Papiere und murmelte vor sich hin. Obendrein war es das unsinnigste Zeug.