Er sprach auch von einem schwarzen Stein und von einem lispelnden Mann, und er beschrieb sehr genau jemanden, von dem er nie ohne Schaudern sprach - einen alten Mann mit junger Stimme, der wie ein Habicht die Lider über die Augen klappte.

Er sprach auch sehr viel vom Tode. Mit grimmigem Ernst war er darauf versessen, seine Aufgabe zum guten Ende zu bringen, aber für sein Leben gab er keinen Deut.

»Es wird wohl so sein, als ob man todmüde schlafen geht und dann an einem Sommermorgen aufwacht, wenn der Heuduft ins Fenster weht. Oft habe ich früher zu Hause im Blaugrasland Gott für einen solchen Morgen gedankt, und ich werde ihm wohl wieder danken, wenn ich am anderen Jordanufer aufwache.«

Am nächsten Tag war er viel munterer und las die meiste Zeit in der Biographie von Stonewall Jackson. Ich war zum Dinner mit einem Mineningenieur verabredet, mit dem ich Geschäfte zu besprechen hatte, und kam gegen halb elf nach Hause, noch rechtzeitig für unser Schachspiel vor dem Schlafengehen.

Ich hatte eine Zigarre im Mund, das weiß ich noch, als ich die Tür zum Rauchzimmer aufstieß. Es brannte kein Licht, das kam mir sonderbar vor. Ich fragte mich, ob Scudder sich schon hingelegt habe.

Ich drehte das Licht an, aber es war niemand da. Dann sah ich hinten in der Ecke etwas - die Zigarre fiel herunter, und der kalte Schweiß brach mir aus.

Mein Gast lag flach auf dem Rücken, alle viere von sich gestreckt. Ein langes Messer steckte in seinem Herzen und nagelte ihn auf dem Fußboden fest.

 

 

2

 

DER MILCHMANN GEHT AUF REISEN

 

 

Ich setzte mich in einen Klubsessel, mir war sehr übel. Nach etwa fünf Minuten überfiel mich panische Angst. Das weiße Gesicht mit den starren Augen auf dem Fußboden war mehr, als ich ertragen konnte, und ich nahm mich zusammen, holte ein Tischtuch und deckte den Toten zu. Dann stolperte ich zu einem Schrank, griff nach dem Kognak und trank ein paar Schlucke. Ich hatte schon früher Menschen gesehen, die eines gewaltsamen Todes gestorben waren; im Matabele-Krieg hatte ich selbst ein paar getötet. Aber dieser kaltblütige Mord in meinen vier Wänden war etwas anderes. Schließlich raffte ich mich auf. Ich sah auf die Uhr - es war halb elf vorbei.

Plötzlich fiel mir etwas ein, ich ging durch die Wohnung und sah in allen Winkeln nach. Es war niemand da, auch keine Fußspuren, aber ich schloß und verriegelte alle Fensterläden, machte die Fenster zu und legte die Sicherheitskette vor die Tür.

Jetzt funktionierte mein Verstand wieder, ich konnte wieder denken. Etwa eine Stunde brauchte ich, mir über alles klarzuwerden; ich überstürzte nichts, denn wenn der Mörder nicht zurückkam, hatte ich Zeit bis morgen früh um sechs für meine Überlegungen.

Ich saß in der Patsche, das war mir ganz klar. Auch der leiseste Zweifel, den ich an Scudders Erzählung gehabt haben mochte, war mir jetzt vergangen. Der Beweis für seine Ehrlichkeit lag unter dem Tischtuch. Die Leute, die wußten, daß er das wußte, was er wußte, hatten ihn gefunden und die beste Art gewählt, ihn zum Schweigen zu bringen. Jawohl; aber er war vier Tage lang in meiner Wohnung gewesen, und seine Feinde mußten damit rechnen, daß er sich mir anvertraut hatte. Darum war ich als nächster an der Reihe. Es konnte heute nacht geschehen oder morgen oder übermorgen, aber zweifellos war ich nun dran.

Dann fiel mir plötzlich eine andere Wahrscheinlichkeit ein. Wenn ich jetzt die Polizei holte oder zu Bett ging und Paddock am Morgen die Leiche entdecken ließ und dann die Polizei rief: was sollte ich dann über Scudder aussagen? Paddock hatte ich angelogen, und die ganze Sache sah höchst verdächtig aus. Wenn ich freimütig berichtete und der Polizei alles sagte, was er mir erzählt hatte, würden sie mich einfach auslachen. Es stand tausend zu eins, daß ich wegen des Mordes angeklagt würde, und die Begleitumstände waren eindeutig genug, mich an den Galgen zu bringen. In England kannten mich nur wenige Leute; einen wirklichen Freund, der vortreten und meinen einwandfreien Charakter bezeugen würde, hatte ich nicht. Vielleicht war es das, womit der verborgene Feind rechnete. Diese Leute waren schlau genug, auf alle Möglichkeiten zu kommen, und ein englisches Gefängnis war ein ebenso gutes Mittel, mich bis nach dem 15. Juni loszuwerden, wie ein Messer in meiner Brust.

Außerdem, wenn ich die ganze Geschichte erzählte und das Wunder geschah, daß man mir glaubte, dann spielte ich ihnen in die Hand.