Ich war von Wasser durchnäßt, das von meinen Kleidern zur Erde tropfte und aus dem großen Weihkessel stammte, den man mir über den Leib gegossen hatte; ich lag auf der Seite in dem Wasser ausgestreckt, den Kopf[71] gegen die Mauer gelehnt, mit halb geöffnetem Munde und halb geschlossenen, toten Augen; ich suchte sie zu öffnen und um mich zu blicken, doch es war mir, als werde ich von einer dichten Luft eingehüllt, durch die ich flatternde Gewänder sah, an die ich mich anzuklammern suchte, ohne dazu imstande zu sein. Ich machte eine Bewegung, um den Arm zu erheben, auf dem ich nicht lag, doch er war mir zu schwer. Meine übergroße Schwäche wurde nach und nach geringer, ich erhob mich und lehnte den Rücken gegen die Wand, die beiden Hände hatte ich im Wasser, den Kopf auf die Brust gelehnt, und stieß klägliche, unartikulierte Klagelaute aus. Die Weiber sahen mich mit einer Miene an, die mir den Mut nahm, sie anzuflehen, und die Oberin sagte:

»Man stelle sie auf die Füße!«

Man packte mich unter den Armen, und sie fuhr fort:

»Da sie sich nicht Gott befehlen will, um so schlimmer für sie! Ihr wißt, was Ihr zu thun habt, macht ein Ende.«

Ich glaubte, die Stricke, die man hergebracht, wären dazu bestimmt, mich zu erdrosseln; ich betrachtete sie, und meine Augen füllten sich mit Thränen. Ich bat sie, mich das Kruzifix küssen zu lassen, doch man verweigerte es mir. Ich bat um die Erlaubnis, die Stricke zu küssen; man reichte sie mir hin. Ich beugte mich, ergriff den Rosenkranz der Oberin, küßte ihn und sagte:

»Mein Gott, habe Mitleid mit mir; mein Gott, habe Mitleid mit mir. Meine teuren Schwestern, laßt mich nicht allzulange leiden.«

Mit diesen Worten hielt ich meinen Hals hin. Ich kann jetzt nicht sagen, was mit mir geschah, oder was man mir anthat, denn ich fand mich wieder auf der Strohmatte, die mir als Bett diente, die Arme auf den Rücken gebunden, und einen großen eisernen Christus auf den Knieen.

Indessen kehrte die Oberin mit ihren Gefährtinnen[72] zurück; sie fanden mich in besserer Geistesverfassung, als sie erwartet hatten und als ihnen zweckmäßig erschien. Sie hoben mich auf, man legte mir den Schleier über das Gesicht; zwei nahmen mich unter die Arme, eine dritte stieß mich von hinten, und die Oberin befahl mir, vorwärts zu gehen. Ich ging, ohne zu sehen, wohin ich ging, doch ich glaubte man führe mich zur Richtstätte, und darum murmelte ich:

»Mein Gott, habe Mitleid mit mir; mein Gott, hilf mir; mein Gott, verlaß mich nicht; mein Gott, verzeihe mir, wenn ich dich beleidigt habe.«

Ich kam nach der Kirche, wo der Großvikar die Messe celebriert hatte. Die Klostergemeinde war anwesend, und man führte mich vor die Stufen des Altars. Mit Mühe hielt ich mich aufrecht, und man stieß mich zur Erde, als hätte ich mich geweigert, niederzuknieen; dann hielt man mich fest, als hätte ich die Absicht gehabt, zu fliehen. Man sang das »Veni Creator« und stellte das heilige Sakrament aus, dann erteilte man den Segen, bei dem man sich inbrünstig verneigt; diejenigen, die mich bei den Armen gepackt, beugten mich scheinbar mit Gewalt nieder, und die anderen drückten mit den Armen auf meine Schulter. Ich fühlte diese verschiedenen Bewegungen, doch es war mir unmöglich, den Zweck derselben einzusehen; endlich jedoch klärte sich alles auf.

Nach dem Segen legte der Großvikar das Meßgewand ab und behielt nur Chorhemd und Stola, dann schritt er nach den Stufen des Altars, wo ich auf den Knieen lag, er stand zwischen den beiden Geistlichen, den Rücken dem Altar zugewendet, auf dem das heilige Sakrament ausgestellt war, und mit dem Gesicht nach meiner Seite. Dann näherte er sich mir und sagte:

»Schwester Sainte-Susanne, erheben Sie sich!«

Die Schwestern, welche mich hielten, rissen mich heftig in die Höhe, andere umringten mich und faßten mich um[73] die Taille, als hätten sie Furcht gehabt, ich könnte entfliehen. Dann fügte er hinzu: »Man binde sie los!« Man gehorchte ihm nicht, sondern that, als hielte man es für unpassend oder gar gefährlich, mich frei zu lassen, und so wiederholte er denn mit harter und fester Stimme: »Man binde sie los!« Diesmal gehorchte man.

Kaum hatte ich die Hände frei, als ich einen schmerzlichen und schneidenden Klageruf ausstieß, der ihn erbleichen ließ; und die heuchlerischen Nonnen, die sich mir genähert hatten, wichen wie entsetzt zur Seite. Er faßte sich, die Schwestern kamen, gleichsam zitternd, zurück; ich blieb unbeweglich, und er sprach zu mir:

»Was ist Ihnen denn?«

Ich antwortete ihm nur, indem ich ihm meine beiden Hände zeigte; der Strick, mit dem man sie gefesselt, war mir fast vollständig ins Fleisch gedrungen, und sie waren ganz violett vom Blut, das nicht mehr zirkulierte und aus den Gefäßen getreten war. Er erkannte, daß mein Klageruf von dem plötzlichen Schmerze herrührte, den mir das wieder seinen Lauf aufnehmende Blut verursachte. »Man nehme ihr den Schleier ab«, fuhr er fort. Ohne daß ich es bemerkt hätte, hatte man denselben auf verschiedenen Stellen festgenäht; erst nach vielem Hin- und Herzerren gab der Faden an einigen Stellen nach, und mein Kleid und der Schleier zerrissen. Ich habe ein interessantes Gesicht, dessen Schönheit der tiefe Schmerz beeinträchtigt hatte, ohne ihm jedoch etwas von seinem Charakter zu nehmen. Ich habe eine rührende Stimme; man fühlt, daß mein Ausdruck der der Wahrheit ist. Diese Eigenschaften machten einen starken Eindruck des Mitleids auf die Gefährten des Archidiakon; was ihn selbst anbetraf, so kannte er diese Gefühle nicht; er war gerecht, aber wenig empfindlich, und gehörte zu denen, die unglücklich genug geboren sind, die Tugend auszuüben, ohne ihre Wonne zu empfinden.[74]

Er nahm den Ärmel seiner Stola, legte ihn mir auf den Kopf und sagte:

»Schwester Susanne, glauben Sie an Gott den Vater, den Sohn und den heiligen Geist?«

»Ja, ich glaube daran,« versetzte ich.

»Glauben Sie an unsere Mutter, die heilige Kirche?«

»Ja, ich glaube daran!«

»Entsagen Sie Satan und seinen Werken?«

Anstatt zu antworten, machte ich eine plötzliche Bewegung nach vorn, stieß einen lauten Schrei aus, wobei das Ende seiner Stola von meinem Kopfe fiel. Er wurde verwirrt, seine Gefährten erblaßten; ein Teil der Schwestern entfloh, während die anderen, die in ihren Betstühlen saßen, dieselben mit größtem Lärm verließen. Er machte ein Zeichen, man möchte sich beruhigen, und sah mich indessen an, denn er erwartete etwas Außergewöhnliches. Ich beruhigte ihn, indem ich sagte: »Mein Herr, es ist nichts; eine der Nonnen hat mich heftig mit einem scharfen Gegenstand gestochen.« Dabei erhob ich die Augen und Hände gen Himmel und fügte unter Thränen hinzu: »Man hat mich in dem Augenblick verletzt, da Sie mich fragten, ob ich Satan und seinen Werken entsage, und ich sehe jetzt, warum man es gethan.«

Alle erklärten durch den Mund der Oberin, man hätte mich nicht angerührt. Der Archidiakon legte mir wieder den Ärmel seiner Stola auf den Kopf; die Nonnen wollten wieder näher treten, doch er gab ihnen ein Zeichen, sich zu entfernen; dann fragte er von neuem, ob ich Satan und seinen Werken entsage, und ich erwiederte mit fester Stimme:

»Ja, ich entsage ihm.«

Er ließ sich ein Kruzifix bringen und hielt es mir zum Kusse hin; ich küßte es auf die Füße, auf die Hände und auf die Seitenwunden. Er befahl mir, es mit lauter Stimme anzubeten; ich warf mich zur Erde und sprach:[75]

»Mein Gott, mein Erlöser, der Du am Kreuze für meine Sünden und für alle Sünden des Menschengeschlechts gestorben bist, laß einen Tropfen des Blutes, das Du vergossen hast, auf mich fließen, auf daß ich geläutert werde. Verzeihe mir, mein Gott, wie ich allen meinen Feinden verzeihe.«

»Sprechen Sie die Worte des Glaubens aus«, sagte er zu mir, und ich that es.