Sie beschrieb jede Einzelheit der Gestalt bis ins kleinste, zeigte ihnen Bewegung und Form, und die armen Leute waren ganz bei der Sache und machten bereitwilligst mit. »Ja, ich sehe es ganz deutlich«, sagte einer, »da ist das Schwert, deutlicher kann man es nicht sehen«; ein anderer sah den Engel. Einer sah sogar seine Gesichtszüge und rief laut, was für ein herrliches Geschöpf er sei! Der eine sah dies, der andere das. Ich schaute so ernsthaft wie alle anderen, aber vielleicht nicht mit der gleichen Bereitschaft, mir etwas vormachen zu lassen; und ich sagte schließlich, daß ich nichts sehe als eine weiße Wolke, hell auf der einen Seite, weil das Sonnenlicht von hinten auf sie falle. Die Frau bemühte sich, es mir zu zeigen, aber sie konnte mich nicht dazu bringen zu gestehen, daß ich es sah, was auch eine Lüge gewesen wäre. Aber die Frau kam auf mich los, schaute mir ins Gesicht und meinte, ich lache, worin ihre Einbildung sie ebenfalls täuschte, denn ich lachte in Wirklichkeit nicht, sondern machte mir ernste Gedanken darüber, wie die armen Leute durch die Macht ihrer eigenen Einbildungskraft sich so in Schrecken versetzen ließen. Sie wandte sich jedoch von mir ab, nannte mich einen Lästerer und Spötter; sagte mir, dies sei eine Zeit für Gottes Zorn, und furchtbare Strafgerichte nahten heran, und Verächter so wie ich würden vom Wege abkommen und zugrunde gehen.
Die Leute um sie herum schienen ebenso aufgebracht wie sie; und ich fand, es habe keinen Sinn, sie überzeugen zu wollen, daß ich sie nicht auslachte, und sie würden mich eher verprügeln als sich von mir über ihren Irrtum aufklären lassen. So ließ ich sie stehen; und diese Himmelserscheinung galt für so wirklich wie der Komet selbst.
Noch etwas stieß mir wieder am hellichten Tage zu; und das war, als ich einen engen Durchgang passierte, der von Petty France, an einer Reihe von Armenhäusern vorbei, auf den Bishopsgate-Friedhof führt. Es gibt zwei Friedhöfe, die zur Pfarre und Kirche in Bishopsgate gehören; den einen überschreitet man, wenn man von dem Platz, der Petty France heißt, in die Bishopsgate Straße gelangen will, wobei man dann gerade an der Kirchentür herauskommt; der andere ist neben der schmalen Durchgangsstraße, wo links die Armenhäuser stehen; und auf der rechten Seite ist eine niedrige Mauer mit einem Staketenzaun darauf, und noch weiter rechts verläuft die Stadtmauer.
Auf dieser schmalen Durchgangsstraße steht ein Mann und schaut durch die Spalten des Staketenzauns auf den Friedhof, und so viele Menschen wie die Enge des Weges erlaubt, ohne daß andere am Vorbeigehen gehindert werden, sind stehengeblieben, und er spricht mit großem Eifer zu ihnen und deutet einmal hierhin, einmal dorthin, und behauptet, er habe einen Geist gesehen, der auf dem Grabstein dort gewandelt sei. Er konnte die Gestalt, die Haltung und Bewegung so genau beschreiben, daß es ihm unerfindlich war, wie irgend jemand in der Welt es nicht genau so gut sehen könne wie er selbst. Plötzlich fing er dann zu schreien an: »Da ist er; jetzt kommt er hierher.« Dann: »Er hat sich umgewandt«; bis er schließlich die Leute zu einem so festen Glauben daran gebracht hatte, daß einer schon glaubte, er sehe den Geist auch, und ein anderer meinte ebenfalls, er sehe ihn; und so kam der Mann jeden Tag und erregte ein rechtes Aufsehen – man denke, wie schmal die Straße war – bis die Bishopsgate Turmuhr elf schlug; dann pflegte der Geist aufzubrechen, und als sei er abgerufen worden, war er plötzlich verschwunden.
Ich schaute immer sofort angestrengt in jede Richtung, die der Mann angab, um ja den Moment nicht zu verpassen, aber konnte dennoch nicht den geringsten Anschein von irgend etwas erblicken; so sicher war der arme Kerl jedoch seiner Sache, daß die Leute sich scharenweise von ihm betören ließen und vor Schreck am ganzen Leibe zitternd davongingen; zuletzt hatte keiner, der davon wußte, mehr Lust, diesen Durchgangsweg zu benutzen, und bei Nacht schon gar nicht, was auch immer geschehen mochte.
Dieser Geist, so versicherte der arme Kerl, machte Zeichen zu den Häusern hin und zu dem Friedhofsgrund und dann zu den Leuten, und gab damit deutlich zu verstehen, jedenfalls faßte man es so auf, daß sehr viele von den Menschen ihr Grab auf dem Friedhof finden würden, wie es dann auch geschah; aber daß er solche Gesichte gehabt habe, muß ich gestehen, habe ich niemals geglaubt, noch konnte ich selbst irgend etwas davon sehen, so sehr ich mich auch anstrengte, es, wenn möglich, zu erschauen.
Aus diesen Dingen geht hervor, wie weit die Menschen in der Tat bereits Sinnestäuschungen erlagen; und da sie eine Ahnung hatten, daß eine Heimsuchung bevorstehe, richteten sich alle Vorhersagen auf eine entsetzliche Pestzeit, die die ganze Stadt, ja das ganze Land verheeren und fast das gesamte Volk, Mensch wie Tier, ausrotten werde.
Hinzukamen, wie ich vorher schon sagte, die Astrologen mit ihren Geschichten von bösartigen und unheilvollen Planetenkonstellationen; eine von ihnen sollte im Oktober eintreffen, und traf auch ein, und die andere im November; und man machte den Leuten den Kopf wirr mit Vorbedeutungen, die man diesen Himmelszeichen entnahm, nämlich daß die Konstellationen Trockenheit, Hunger und Pestilenz ankündigten.
In den beiden ersten Voraussagungen irrten sie sich freilich gründlich, denn wir hatten keine Trockenheit; dafür zu Beginn des Jahres einen strengen Frost, der vom Dezember beinahe bis zum März andauerte, und danach mäßiges Wetter, eher warm als heiß, mit erfrischenden Winden, kurz und gut, eigentlich recht angemessenes Wetter, und auch eine Reihe von schweren Regenfällen.
Einige Anstrengungen wurden gemacht, den Druck von Büchern zu untersagen, die geeignet waren, Panik in der Bevölkerung zu verbreiten; und um sie abzuschrecken, wurden einige der Buchhändler in Gewahrsam genommen; aber weiter geschah nichts in der Angelegenheit, da, wie ich erfuhr, die Regierung alles vermeiden wollte, was die Leute verbittert hätte, die doch, wenn ich so sagen darf, ohnehin schon völlig den Verstand verloren hatten.
Auch kann ich jene Geistlichen nicht ganz von Schuld freisprechen, die in ihren Predigten ihre Zuhörer, anstatt sie aufzurichten, eher noch zu Boden donnerten. Viele von ihnen taten das zweifellos in der Absicht, die guten Vorsätze der Leute zu kräftigen und vor allem ihre Bußfertigkeit zu beschleunigen, aber ihr Tun entsprach diesem Zweck nicht, jedenfalls nicht im Verhältnis zu dem Schaden, den es auf andere Weise anrichtete; und in der Tat, so wie Gott selbst die ganze Schrift hindurch eher durch Einladungen und Aufforderungen, sich Ihm zuzuwenden und zu leben, die Menschen anzieht, als daß Er uns mit Terror und Drohung überwältigt, so hätten auch, muß ich sagen, nach meiner Ansicht die Geistlichen verfahren sollen; hätten sie doch darin sich ein Beispiel an unserem seligen Herrn und Meister genommen, wie Sein ganzes Evangelium voll ist mit Erklärungen, daß Gott im Himmel gnädig ist und bereit, die Reumütigen aufzunehmen und ihnen zu verzeihen; ist doch Seine Klage: »Ihr wollt nicht zu Mir kommen, daß ihr das Leben habt«; darum heißt Sein Evangelium auch das Evangelium des Friedens und das Evangelium der Gnade.
Aber wir hatten gutmeinende Männer, und zwar in jeder Glaubensrichtung und Konfession, deren Kanzelreden von Schrecken erfüllt waren, die von nichts als schaurigen Dingen zu sprechen wußten; und wie sie die Menschen nur unter einer Art von Schauder versammelten, so entließen sie sie in Tränen; sie hatten nur Schlimmes zu prophezeien, trieben die Leute in die äußerste Angst, gänzlich vernichtet zu werden, aber leiteten sie nicht an, zumindest nicht genügend, zum Himmel um Gnade zu flehen.
Es war allerdings eine Zeit sehr unseliger Zerwürfnisse in unserem Land, was die Religion betrifft. Unzählige Sekten und Grüppchen und abweichende Anschauungen behaupteten sich unter dem Volk. Die Englische Staatskirche war zwar, mit der Restauration oder Monarchie, etwa vor vier Jahren wieder hergestellt worden, aber die Geistlichen und Prediger der Presbyterianer und der Unabhängigen und all der anderen Konfessionen hatten begonnen, eigene Gemeinschaften zu bilden und Altar gegen Altar zu errichten, und alle hielten sie ihre Gottesdienste getrennt ab, wie sie es auch jetzt noch tun; nur waren ihrer damals noch nicht so viele, da die Reformierten sich noch nicht so vollständig organisiert hatten, wie es seither geschah, und die Gemeinden, die sich auf diese Art bildeten, waren noch nicht so zahlreich. Und wenn sie zusammenkamen, taten sie es ohne die Erlaubnis der Regierung, die sie zu unterdrücken und ihre Versammlungen zu schließen bemüht war.
Aber die Heimsuchung versöhnte sie wieder alle, wenigstens eine Zeitlang, und viele der besten und tüchtigsten Geistlichen und Prediger der Reformierten durften in die Kirchen gehen, von denen die Pfründner geflohen waren, wie es viele von ihnen, da sie es nicht aushalten konnten, getan hatten; und das Volk strömte ohne Unterschied herbei, sie predigen zu hören, ohne sich weiter darum zu kümmern, wer sie waren oder welcher Glaubensrichtung sie angehörten. Als jedoch die Krankheit vorüber war, ließ dieser Geist der Brüderlichkeit nach; jede Kirche war wieder mit eigenen Geistlichen versorgt, oder es wurde, wo einer gestorben war, ein neuer eingestellt, und die Dinge kehrten in ihr altes Fahrwasser zurück.
Ein Unheil ruft immer das andere herbei.
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