Alle Leute waren jetzt lebenslustig und anspruchsvoll, und die Freude über die Restauration hatte weiteste Kreise nach London geführt.
Ich mußte oft an Jerusalem denken; wurde es doch von den Römern belagert, als die Juden alle versammelt waren, um das Passahfest zu begehen, wodurch es geschah, daß eine überaus große Menge von Menschen dort überrascht wurde, die sonst anderswo in der Welt gewesen wären; ebenso kam die Pest nach London, als sich beiläufig, aus den oben genannten Umständen, ein unerwartet großer Zuwachs der Bevölkerung ergeben hatte. Da der Zustrom zu einem ausgelassen und lustig lebenden Hof Handel und Gewerbe in der City einen großen Aufschwung verlieh, insbesondere in allem was zu Mode und Ausstattung gehörte, so mußte das ganze Scharen von Arbeitern und Handwerkern und so weiter herbeiziehen, die meist arm waren und von ihrer Hände Arbeit lebten. Und ich erinnere mich im einzelnen, daß in einer für den Lordbürgermeister bestimmten Darstellung der Lage der Armen geschätzt wurde, es gebe in der City und ihrer Umgebung nicht weniger als hunderttausend Bandweber, von denen das Gros in den Pfarren Shoreditch, Stepney, Whitechapel und Bishopsgate lebte, im letzteren namentlich um Spitalfields; das heißt freilich, Spitalfields, so wie es damals war, denn es war noch nicht der fünfte Teil von dem, was es heute ist.
Hieraus kann man sich ein Bild von der Bevölkerungszahl im ganzen machen; und in der Tat wunderte ich mich oft darüber, daß, nachdem zuerst so ungeheuer viele Leute abgezogen waren, immer noch eine so große Menge übrigblieb, wie es allem Anschein nach der Fall war.
Aber ich muß wieder zum Anfang dieser überraschungsreichen Zeit zurückkehren. Während die Angst der Leute noch jung war, wurde sie durch einige seltsame Ereignisse merklich verstärkt, so daß, nimmt man das alles zusammen, man sich wirklich fragen muß, warum nicht die gesamte Einwohnerschaft wie ein Mann aufstand und ihre Wohnungen verließ, um den Ort, der vom Himmel zu einem Schindanger ausersehen schien, dem Schicksal preiszugeben, das ihm bestimmt war: vom Angesicht der Erde mit allen, die auf ihm gefunden wurden, ausgelöscht und zerstört zu werden.
Ich werde von diesen Ereignissen nur einige aufführen; aber es waren ihrer tatsächlich so viele, und so viele Hellseher und Wahrsager trugen zu ihrer Verbreitung bei, daß ich oft wirklich nicht begriff, daß überhaupt noch jemand (besonders von den Frauen) zurückblieb.
Als erstes erschien mehrere Monate vor der Pest ein Schweifstern oder Komet, so wie es auch im Jahre darauf vor der Feuersbrunst geschah. Die alten Weiber und die schwachsinnigen Hypochonder aus dem anderen Geschlecht, die ich eigentlich auch alte Weiber nennen kann, bemerkten (besonders nachher, als beide Vorbedeutungen vorüber waren), daß jene zwei Kometen direkt über der City dahingezogen waren, und zwar so tief über den Häusern, daß es klar war, sie bedeuteten etwas ganz Bestimmtes nur für die City; sie wußten auch, daß der Komet vor der Pest eine schwächliche, stumpfe, vergilbte Farbe zeigte und daß seine Bewegung schwerfällig, feierlich und langsam war; daß hingegen der Komet vor dem Feuer hell und funkelnd oder, wie andere sogar sagten, flammend war und seine Bewegung rasch und wild; und daß dementsprechend der eine ein schweres Strafgericht, langsam, aber streng, fürchterlich und schreckenerregend, so wie eben die Pest, voraussage; der andere jedoch einen plötzlichen, raschen Schlag ankündige, und etwas Feuriges so wie einen Brand. Ja, so eigenartig waren einige Leute, daß sie, als sie auf einen Kometen, der dem Feuer vorausging, schauten, nicht nur glaubten, ihn rasch und stürmisch vorbeiziehen zu sehen und seine Bewegung mit den Augen verfolgen zu können, sondern sich sogar einbildeten, ihn auch zu hören; er habe ein sausendes, mächtiges Getöse gemacht, wild und schrecklich, wenn auch sehr von ferne und nur eben noch vernehmlich.
Ich habe diese Sterne beide gesehen und hatte, das muß ich gestehen, so viel von der allgemeinen Vorstellung über solche Dinge im Kopf, daß ich nicht umhin konnte, sie als Vorläufer und Warner vor Gottes Strafgerichten zu betrachten; und als ich gar, nachdem auf den einen die Pest tatsächlich gefolgt war, einen zweiten der gleichen Art sah, was sollte ich anders meinen, als daß Gottes Züchtigung für die Stadt noch nicht ausreichend war?
Aber auf der anderen Seite konnte ich in diesen Dingen nicht so weit gehen wie es andere taten; wußte ich doch, daß die Astronomen diesen Erscheinungen natürliche Ursachen zuschreiben und daß ihre Bewegung, ja ihre wiederkehrende Bahn berechnet werden kann, wenigstens bis zu einem gewissen Grade, so daß man sie nicht mit vollem Recht die Vorläufer oder die Ankünder, noch viel weniger aber die Anstifter von solchen Ereignissen wie Pestilenz, Krieg, Feuer und dergleichen nennen kann.
Aber mögen meine Ansichten und die Ansichten der Philosophen sein oder gewesen sein, was sie wollen, diese Dinge übten jedenfalls einen außerordentlichen Einfluß auf das gewöhnliche Volk aus, und die Niedergeschlagenheit und die Furcht vor einer schrecklichen Drangsal, die als Strafgericht über die Stadt heraufziehe, waren fast allgemein; und das rührte in der Hauptsache von dem Anblick dieses Kometen her und von dem kleinen Aufschrecken, das der Tod der beiden Menschen in St. Giles im Dezember, wie beschrieben, verursacht hatte.
Die Angst der Leute wurde weiterhin auffallend durch den Irrglauben der Zeit gefördert, der, aus Gründen, für die ich keine Erklärung habe, das Volk, ich glaube mehr als jemals zuvor und jemals danach, in den Bann von Prophezeiungen, astrologischen Horoskopen, Traumauslegungen und Altweibergeschichten zog. Ob dieser unselige Geisteszustand ursprünglich durch den Unfug gewisser Leute, die damit Geld verdienten, hervorgerufen wurde (das heißt, sie gaben Vorhersagen und Zukunftsprognosen in Druck), weiß ich nicht; aber sicher ist, daß Bücher einen gewaltigen Schrecken verbreiteten, so etwa Lillys Almanach, Gadburys Astrologische Voraussagungen, Poor Robins Almanach, und dergleichen; auch einige angeblich religiöse Bücher, eines mit dem Titel: »Komm fort von dem Ort, mein Volk, damit du nicht Teilhaber seiner Plagen wirst!«; ein anderes hieß: »Aufrechte Warnung«; noch ein anderes: »Britanniens Anmahner«; und davon gab es viele, und alle, oder doch die meisten von ihnen, sagten offen oder versteckt den Untergang der Stadt voraus. Ja, einige Schwarmgeister waren so toll, daß sie auf den Straßen umherrannten und mündlich ihre Vorhersagen verkündeten, vorgebend, sie seien gesandt, der Stadt zu predigen; an einen denke ich besonders, der, gleich einem Jona in Ninive, durch die Straßen schrie: »Vierzig Tage noch, und London wird zerstört werden.« Ich möchte mich nicht festlegen, ob er sagte: noch vierzig Tage, oder: noch einige Tage. Ein anderer rannte, nackt bis auf eine Unterhose, umher und schrie, ähnlich jenem Manne, von dem Josephus erwähnt, daß er »Weh über Jerusalem!« gerufen habe, kurz bevor es zerstört wurde. So schrie dieser arme nackte Kerl: »Oh, der große und schreckliche Gott!«, und sonst sagte er nichts, sondern wiederholte nur immerfort diese Worte, mit einer Stimme und einem Angesicht, die grauenvoll waren, und dabei hielt er immer einen raschen Schritt ein; niemand hat ihn je stehenbleiben oder ausruhen gesehen oder Nahrung zu sich nehmen, jedenfalls nicht daß ich davon gehört hätte.
Ich begegnete diesem armen Geschöpf mehrmals auf der Straße, und ich wollte mit ihm sprechen, aber er ließ sich mit niemand auf ein Gespräch ein, mit mir nicht und auch mit sonst niemand, sondern fuhr unaufhörlich mit seinem schaurigen Schreien fort.
Solche Dinge erschreckten die Leute bis zum äußersten, und das um so mehr, als sie dann zwei- oder dreimal auf dem Sterberegister, wie ich schon erwähnt habe, einen oder zwei Tote angezeigt sahen, die in St. Giles an der Pest gestorben waren.
Zu diesen öffentlichen Vorkommnissen gesellten sich die Träume der alten Weiber oder, so muß ich sagen, die Auslegungen, die alte Weiber den Träumen anderer gaben; und das machte nun mehr als genug Menschen vollends kopflos. Manche hörten Stimmen, die sie warnten, sie sollten fortgehen, denn es werde eine solche Pest über London kommen, daß die Lebenden nicht mehr imstande sein würden, die Toten zu begraben. Andere sahen Erscheinungen in der Luft; und man muß mir gestatten, von beidem zu sagen, und ich hoffe, damit nicht die Nächstenliebe zu verletzen, daß die Stimmen, die sie hörten, niemals sprachen, und die Erscheinungen, die sie sahen, niemals da waren; sondern die Phantasie der Leute war einfach losgelassen und wie besessen. Und es war auch kein Wunder, daß sie, wenn sie sich fortwährend in die Wolken verguckten, Gestalten und Figuren, Zeichen und Erscheinungen sahen, die aus nichts als Luft und Dunst bestanden. Hier sagte uns einer, er habe ein flammendes Schwert in einer Hand gesehen, die aus einer Wolke kam, und die Spitze habe direkt über der Stadt gehangen; dort behauptete einer, er habe Leichenwagen und Särge in der Luft gesehen, in denen man Tote zu Grabe trug; und wieder ein anderer sprach von ganzen Haufen unbestattet liegender Leichen und mehr dergleichen, wie gerade ihre Phantasie den armen erschreckten Leuten den Stoff lieferte, um ihn sich auszumalen.
»Der Hypochonder träumt und sieht am Himmel Armeen, Flotten, wildes Schlachtgetümmel; dann kommt ein Nüchterner und schaut und lacht: was so ein Narr aus Wolken alles macht!«

Ich könnte diesen Bericht mit den seltsamsten Erzählungen anfüllen, die solche Leute jeden Tag über das, was sie gesehen hätten, zum besten gaben; und jeder war so sicher, wirklich zu sehen, was er zu sehen behauptete, daß man nicht widersprechen konnte, ohne daß Freundschaften in die Brüche gingen oder man entweder roh und ungesittet gescholten wurde oder als verstockt und ohne Sinn für Höheres galt. Eines Tages – die Pest war noch nicht ausgebrochen (außer, wie beschrieben, in St. Giles) –, und es war, ich glaube, März, da sah ich eine Menschenansammlung auf der Straße, ich ging hinzu, um meine Neugier zu befriedigen, und fand sie, wie sie alle gen Himmel starrten, um zu erkennen, was, wie eine Frau erklärte, ganz klar zu sehen sei: ein Engel, in Weiß gekleidet, mit einem feurigen Schwert in seiner Hand, das er hin- und herschwang oder über dem Kopf kreisen ließ.