Die Angst und der Schrecken verleitete die Leute zu tausend törichten, unsinnigen und schlimmen Dingen, zu denen sie zu ermutigen es einer wirklich bösartigen Sorte von Individuen eigentlich nicht bedurft hätte, und das war, zu Wahrsagern, Hellsehern und Astrologen zu laufen, um die Zukunft zu erfahren oder, wie man es volkstümlich ausdrückt, sich wahrsagen oder sich das Horoskop stellen zu lassen oder ähnliches; und dieser Unfug führte sogleich dazu, daß die Stadt mit einem bösen Schwarm von angeblichen Zauberern, von Schwarzkünstlern, wie sie sich nannten, und ich weiß nicht, was noch, überflutet wurde; ja, tausend noch schlimmerer Teufelskünste rühmten sie sich, als sie in Wirklichkeit ausübten. Und dieses Gewerbe trat so offen an den Tag und wurde so allgemein betrieben, daß es bald eine ganz alltägliche Erscheinung war, an den Türen Schilder und Inschriften zu lesen wie: »Hier wohnt ein Wahrsager«, »hier wohnt ein Astrolog«, »hier kann man sein Horoskop stellen lassen« und dergleichen mehr; und Bruder Bacons Bronzebüste, die üblicherweise die Wohnung solcher Leute bezeichnete, konnte man in beinahe jeder Straße sehen, oder sonst das Mutter-Shipton-Zeichen oder Merlins Haupt oder was es Ähnliches mehr gibt.

Mit welchem sinnlosen, absurden und lächerlichen Zeug diese Teufelsorakel die Leute bedienten und zufriedenstellten, weiß ich freilich nicht, aber sicher ist, daß unzählige Kunden sich Tag für Tag an deren Türen drängten. Und wenn sich so ein Kerl nur in Samtrock, Beffchen und schwarzem Umhang, was die gewöhnliche Tracht dieser Scharlatane war, feierlichen Schrittes auf der Straße sehen ließ, sofort pflegten ihm die Leute in Scharen nachzulaufen und ihm Fragen zu stellen, während sie ihm folgten.

Ich brauche nicht zu sagen, was für ein schauderhafter Betrug das war oder wo das alles hinaus wollte; aber es gab kein Mittel dagegen, bis die Pest selbst schließlich dem ein Ende setzte und die Stadt, so will ich annehmen, auch von den meisten dieser Hochstapler reinigte. Ein Unheil war es, daß diese Schein-Astrologen, wenn die armen Leute sie fragten, ob es eine Pest geben werde, alle übereinstimmend die Antwort »JA« gaben, denn das hielt ihr Gewerbe in Gang. Und hätten die Leute nicht ständig darum so in Angst gelebt, die Hellseher hätten sich sogleich als nutzlos erwiesen, und ihre ganze Kunst wäre am Ende gewesen. Aber sie wußten immer von dem-unddem Einfluß der Sterne, der Konjunktion der Planeten so-undso zu faseln, was notwendigerweise Krankheit und Übelkeiten und am Ende die Pest hervorbringen müsse. Und einige besaßen die Stirn zu behaupten, die Pest sei schon da, was auch stimmte, nur daß die, die es sagten, nichts davon wußten.

Die Geistlichen und Prediger waren, das muß man ihnen gerechterweise lassen, in den meisten Fällen ernsthafte und verständige Männer und wetterten gegen diese und andere üble Machenschaften, und stellten ihrer aller Torheit und Sündhaftigkeit bloß, und die meisten nüchtern denkenden und urteilsfähigen Menschen verachteten und verabscheuten sie auch. Aber es war unmöglich, auf den Durchschnittsbürger und auf die schwer arbeitenden Armen einen Eindruck zu machen. Ihre Furcht beherrschte alle ihre Leidenschaften, und sie warfen auf geradezu hirnverbrannte Art für solche Unsinnigkeiten ihr Geld fort. Dienstmädchen und Hausdiener waren die Hauptabnehmer, und ihre Frage war gewöhnlich – ich meine, nachdem sie sich vergewissert hatten »Wird es eine Pest geben?« die Frage: »Oh, was wird, um Gottes willen, aus mir werden, mein Herr? Wird die gnädige Frau mich behalten oder wird sie mich entlassen? Werden die Herrschaften hierbleiben oder werden sie aufs Land ziehen? Und wenn sie aufs Land ziehen, werden sie mich mitnehmen oder werden sie mich hierlassen, so daß ich verhungere und umkomme?« Und entsprechend die Hausdiener.

Die Wahrheit ist, die armen Hausangestellten waren sehr arg dran, wie ich bei späteren Gelegenheiten noch näher darlegen werde, denn es lag auf der Hand, daß sie in überwiegender Zahl entlassen werden würden, und so kam es auch. Und von ihnen gingen viele zugrunde und unter ihnen besonders solche, denen diese falschen Propheten mit der Hoffnung geschmeichelt hatten, sie würden in ihren Diensten verbleiben und von ihren Herrschaften mit aufs Land genommen werden; und hätte nicht die öffentliche Wohltätigkeit für diese armen Geschöpfe gesorgt, deren Zahl ausnehmend groß war, wie es in Fällen dieser Art nicht anders sein kann, so wäre von allen Menschen in der Stadt ihr Los das schlimmste gewesen.

Diese Dinge bewegten die Gemüter des gemeinen Volkes monatelang, während die ersten Ängste über sie kamen und die Pest eigentlich noch gar nicht ausgebrochen war. Aber ich darf auch nicht zu berichten vergessen, daß der gesetztere Teil der Bevölkerung sich auf ganz andere Art verhielt. Die Regierung rief zu Andachtsübungen auf und setzte öffentliche Gebete und Fast- und Bußtage fest, an denen man öffentlich seine Sünden bekennen und die Gnade Gottes erflehen sollte, um das fürchterliche Strafgericht, das über den Häuptern schwebte, abzuwenden; und es läßt sich gar nicht mit Worten ausdrücken, mit welcher freudigen Bereitwilligkeit die Menschen aller Glaubensrichtungen die Gelegenheit ergriffen; wie sie zu den Kirchen und den Gottesdiensten strömten und sie so überfüllten, daß niemand mehr Einlaß fand, ja daß man bei den größten Kirchen nicht einmal bis zur Tür gelangen konnte. Es waren auch tägliche Morgen- und Abendgebete in mehreren Kirchen angesetzt und anderswo Tage der stillen Andacht; und an allem nahmen die Leute, ich muß sagen, mit ungewöhnlicher Inbrunst teil.

Verschiedene Familien, gleich welcher Konfessionen, hielten ihre privaten Familienfasten, an denen sie nur ihre nahen Verwandten teilnehmen ließen. So daß, in einem Wort, die Menschen, denen es mit ihrer Religion wirklich ernst war, sich auf wahrhaft christliche Art passenden Werken der Buße und der Demut widmeten, wie es einem christlichen Volk ansteht.

So zeigte doch wiederum jeder, daß er an allgemeinen Anliegen mittragen wollte; sogar der Hof, so vergnügt und üppig er zu der Zeit lebte, legte eine Miene echter Besorgnis für die öffentliche Gefahr an. All die Theaterspiele und Belustigungen, die, nach der Sitte des französischen Hofes, bei uns aufgekommen waren und sich immer mehr zu verbreiten begannen, wurden untersagt; die Spielbanken, öffentlichen Tanzhallen und Vergnügungsstätten, deren immer wachsende Zahl auf die Volkssitten schon sehr verderblich wirkte, wurden geschlossen und verboten; und die Hanswürste, Spaßmacher, Puppenspieler, Seiltänzer und was dergleichen Tingeltangel mehr ist, um das einfache Volk zu betören, mußten schließen, da sie tatsächlich kein Geschäft mehr machen konnten; denn die Gemüter der Leute wurden von anderen Dingen bewegt, und das brachte eine Art von Trauer und Grauen auch in die Gesichter des gemeinen Volkes. Der Tod stand ihnen vor Augen, und jeder dachte schon an sein Grab, nicht aber an Vergnügen und Zerstreuungen.

Aber selbst solche heilsamen Gedanken, die, richtig verstanden, die Leute ganz natürlicherweise dazu geführt hätten, auf die Knie zu fallen, ihre Sünden zu bekennen und zu ihrem gnädigen Erlöser aufzuschauen und Ihn um Vergebung und Erbarmen in einer solchen Zeit der Not anzuflehen, so daß wir wie ein zweites Ninive hätten sein können, zeitigten beim niederen Volk einen Ausschlag nach der entgegengesetzten Richtung; so wie sie vorher tierisch gedankenlos dahingelebt hatten, so ließen sie sich jetzt, in ihrer Unwissenheit und Dummheit, von der Furcht zu den Extremen der Torheit treiben; und so liefen sie nicht nur, wie ich vorher schilderte, zu Zauberern und Hexen und allen möglichen Betrügern, um zu erfahren, was aus ihnen werden würde (diese fütterten ihre Furcht und hielten sie mit Absicht stets in Angst, um sie irrezuführen und ihnen die Taschen zu leeren), sondern waren ebenso verrückt hinter Quacksalbern und Marktschreiern und jedem kurpfuschenden alten Weib her, um Medizinen und Heilmittel zu bekommen; sie versorgten sich mit so großen Vorräten an Pillen, Tränken und sogenannten Abwehrmitteln, daß sie nicht nur ihr ganzes Geld dafür ausgaben, sondern sich, aus lauter Angst vor dem Gift der Ansteckung, schon vorher selbst vergifteten, auf diese Weise der Pest Vorschub leistend, anstatt ihr vorzubeugen. Auf der anderen Seite ist es unglaublich, ja kaum vorstellbar, wie die Pfeiler der Häuser und die Straßenecken über und über mit Plakaten und medizinischen Anzeigen beklebt waren; ganz unwissende Burschen, Kurpfuscher und Quacksalber, luden die Leute ein, bei ihnen Arzneien zu kaufen, und sie priesen sie mit solch blühenden Redensarten an wie: »Unfehlbar wirkende Vorbeugepillen gegen die Pest.« »Niemals versagendes Abwehrmittel gegen Ansteckung.« »Unübertreffliches Kräftigungspulver gegen die Verpestung der Luft.« »Genaue Anweisung für die Körperbehandlung im Falle der Ansteckung.« »Anti-Pestilenzpillen.« »Unvergleichlicher Trank gegen die Pest, noch nie im Gebrauch gewesen.« »Ein Universal-Heilmittel für Pestkranke.« »Das einzig echte Pestwasser.« »Das königliche Gegenmittel gegen jede Art von Infektionen.« Und so noch viele mehr, daß ich sie nicht alle aufzählen kann; und wenn ich es könnte, so würde es ein ganzes Buch anfüllen, sie zu verzeichnen.

Andere forderten auf Anschlägen die Leute auf, zu ihnen in die Wohnung zu kommen, um sich im Falle der Ansteckung Weisung und Rat zu holen. Sie gaben sich hochtrabende Titel, wie zum Beispiel: »Hervorragender Hoch-Niederländischer Arzt, kürzlich von Holland angekommen, wo er während der ganzen Zeit der großen Pest vorigen Jahres in Amsterdam weilte und eine Unzahl von Menschen geheilt hat, die tatsächlich von der Pest befallen waren.«

»Italienische Adelsfrau, eben aus Neapel zugereist, im Besitz eines erlesenen Geheimmittels, um Ansteckungen zu verhindern, das sie durch ihre große Erfahrung erfunden hat und womit sie wunderbare Heilungen in der letzten Pest dortselbst bewirkte, in welcher an einem Tage 20 000 starben.«

»Dame aus altem Adel, die mit großem Erfolg bei der vorigen Pest in dieser Stadt, Anno 1636, praktiziert hat, erteilt ihren Rat nur dem weiblichen Geschlecht. Sprechstunden –« und so weiter.

»Erfahrener Arzt, der lange die Lehre von den Gegenmitteln gegen alle Arten von Vergiftungen und Infektionen studiert hat, ist nach 40 Jahren Praxis so weit fortgeschritten, daß er, mit dem Segen Gottes, Personen anleiten kann, die Berührung mit einer ansteckenden Seuche, welcher Art immer, zu verhindern.