Behandelt Mittellose gratis.«
Ich führe diese nur als Beispiel an. Ich könnte zwei oder drei Dutzend ähnliche angeben und hätte immer noch mehr als genug übrig. Es mag ausreichen, um jedem einen Eindruck zu vermitteln, wes Geistes jene Zeit war und wie eine Handvoll Spitzbuben und Taschendiebe die armen Leute nicht nur ausraubten und um ihr Geld betrogen, sondern sie obendrein mit abscheulichen und gefährlichen Tinkturen vergifteten; einige benutzten Quecksilber, manche wieder etwas anderes ebenso Schlimmes, das mit dem Zweck, für den es vorgeblich bestimmt war, gar nichts gemein hatte, und für den Körper, im Falle eine Ansteckung erfolgte, nur eher schädlich als nutzbringend war.
Ich möchte einen schlauen Trick nicht übergehen, mit dem einer jener Kurpfuscher die gutgläubigen Leute betörte, seine Sprechstunde zu überlaufen, während er doch ohne Geld für sie nichts tat. Er hatte auf den Handzetteln, die er auf der Straße verteilen ließ, so scheint es, in großen Buchstaben seiner Annonce den Satz hinzugefügt: »Beratung für die Armen umsonst.«
Eine Unmenge von Leuten ging infolgedessen zu ihm, und er hielt ihnen viele schöne Reden, untersuchte sie auf ihren Gesundheitszustand und ihre Körperverfassung und gab ihnen viele gute Ratschläge, die aber alle nicht viel wert waren. Das Ende vom Liede war jedoch, daß er ein Präparat habe, das – wie er mit seinem Leben garantierte – sie nie die Pest bekommen lassen würde, wenn sie es in der-und-der Menge jeden Morgen einnähmen; und das nicht einmal, wenn sie mit Leuten, die angesteckt seien, in einem Haus zusammen wohnten. Das ließ natürlich die Leute den Vorsatz fassen, es zu kaufen; aber der Preis war eben so-und-so viel, ich glaube, er betrug eine halbe Krone. »Aber, Herr Doktor«, sagt da ein armes Weib, »ich bin eine Frau aus dem Armenhaus, ich werde von der Pfarrgemeinde unterhalten, und auf den Zetteln heißt es, Ihr gebt Euren Rat den Armen umsonst.« »Ja, ja gute Frau«, sagt der Doktor, »das tue ich auch, genau wie ich es dort kundmache. Ich gebe den Armen meinen Rat umsonst, aber nicht mein Medikament.« »Ach, Herr Doktor!« sagt sie, »das ist ja eine Falle, die Ihr den Armen legt; das heißt, Ihr ratet ihnen umsonst, für ihr Geld das Medikament von Euch zu kaufen; das macht jeder Kaufmann mit seinen Waren.« Hier fing sie an, ihm böse Worte zu geben, und dann blieb sie den ganzen Tag vor seiner Tür stehen und erzählte ihre Geschichte allen Leuten, die kamen, bis der Doktor merkte, daß sie seine Kunden abspenstig machte, und gezwungen war, sie wieder heraufzurufen und ihr seine Schachtel mit der Arznei umsonst zu geben, die sie wahrscheinlich dann auch umsonst eingenommen hat.
Aber um auf die Leichtgläubigen zurückzukommen, deren Geistesverwirrung sie für alle möglichen Scharlatane und für jeden Marktschreier zum leichten Opfer machte. Es kann kein Zweifel bestehen, daß diese quacksalbernden Gesellen an den armen Leuten große Gewinne erzielten, denn Tag um Tag mußten wir sehen, wie ihre Anhängerschaft ungleich größer war und vor ihren Türen sich mehr Wartende drängten als bei Dr. Brooks, Dr. Upton, Dr. Hodges, Dr. Berwick oder irgendeinem der noch so berühmten Ärzte Londons jener Zeit. Und ich habe mir sagen lassen, manche von ihnen hätten fünf Pfund am Tage mit ihren Arzneien verdient.
Aber es gab darüber hinaus noch eine andere Sucht, die dazu dienen mag, einen Begriff von der damals herrschenden Kopflosigkeit zu vermitteln, und das war, daß sie noch schlimmeren als den genannten Betrügern Glauben schenkten; denn diese kleinen Diebe täuschten sie nur, um ihnen das Geld aus der Tasche zu ziehen, wobei das Unrecht, welcher Art immer es war, vornehmlich auf der Seite der Betrüger lag, die betrogen, nicht aber auf der Seite der Betrogenen. Aber bei dem, wovon ich jetzt sprechen werde, lag es vornehmlich auf Seiten der Betrogenen, oder gleichermaßen auf beiden Seiten, und das war, daß sie Zauberketten, Liebestränke, Exorzismen, Amulette und ich weiß nicht was noch für Zeug auf dem Leibe trugen, um ihn gegen die Pest gefeit zu machen; als ob die Pest nicht die Geißel Gottes wäre, sondern so etwas wie von-einembösen-Geist-Besessensein, wogegen man sich mit Bekreuzigungen, Tierkreiszeichen oder Papierzetteln, mit so-und-so vielen Knoten zusammengeschnürt und mit bestimmten Worten oder Zeichen beschrieben, wehren konnte; so wurde besonders das Wort Abracadabra gebraucht, in Dreiecks- oder Pyramidenform, wie hier:
A B R A C A D A B R A A B R A C A D A B R A B R A C A D A B A B R A C A D A A B R A C A D A B R A C A
A B R A C
A B R A
A B R
A B
A
Andere nahmen das Jesuitenzeichen in Form eines Kreuzes:
I H S
Wieder andere nichts als dieses Zeichen: Ich könnte viel Zeit damit verbringen, mich über die Torheit, ja die Boshaftigkeit dieser Dinge in einer Zeit solcher Gefahr und in einer so folgenschweren Angelegenheit wie einer nationalen Epidemie zu ereifern. Aber mein Hervorheben dieser Dinge hat eher den Zweck, einfach mit den Tatsachen bekanntzumachen und festzustellen: so war es.
Wie das arme Volk hinter die Sinnlosigkeit dieser Dinge kam und wie viele von ihnen später im Totenkarren hinausgefahren und in eines der Bezirksmassengräber geworfen wurden, mit all diesen höllischen Zauberketten und dem ganzen Hokuspokus um ihren Hals, das soll später noch berichtet werden.
All dies war die Folge von der Aufregung, in die die Leute versetzt wurden, nachdem die erste Kunde, daß die Pest da sei, sich herumgesprochen hatte; das mag etwa bei Michaelis 1664 gewesen sein, und dann ganz besonders, als die beiden Personen anfangs Dezember in St. Giles gestorben waren; und dann wieder, als im Februar ein neuer Alarm kam. Aber als die Pest sich offensichtlich ausbreitete, dauerte es nicht lange, bis sie begriffen, wie dumm es war, diesen nichtswürdigen Kreaturen Glauben zu schenken, die sie um ihr Geld geprellt hatten; und dann wirkte sich ihre Furcht in anderer Weise aus, nämlich in Benommenheit und Ratlosigkeit, daß sie nicht wußten, welchen Weg sie einschlagen oder was sie tun sollten, um sich zu helfen oder Erleichterung zu verschaffen. Statt dessen liefen sie herum, von eines Nachbarn Tür zur nächsten und sogar bis auf die Straße und wieder von Tür zu Tür, und schrien immer nur: »Herr, habe Erbarmen mit uns! Was sollen wir tun?«
Die Leutchen waren allerdings in einer Hinsicht besonders zu bedauern, und da gab es für sie wenig oder gar keinen Trost, und ich möchte das mit aller gebührenden Ehrfurcht und Nachdenklichkeit hier erwähnen, auch wenn vielleicht nicht jeder, der es liest, davon erbaut sein wird, nämlich daß der Tod jetzt sozusagen nicht nur über jedermanns Haupt schwebte, sondern nunmehr in ihre Häuser und Kammern hineinschaute und ihnen ins Gesicht starrte. Freilich gab es viel Trägheit und Abgestumpftheit des Herzens, und nicht zu wenig davon, jedoch dafür fühlten sich andere, wenn ich so sagen darf, bis ins Innerste ihrer Seele aufgeschreckt. So manches Gewissen erwachte; manches harte Herz zerschmolz zu Tränen; manch eine reumütige Beichte ward abgelegt von Verbrechen, die lange verborgen worden waren. Es würde jeden Christen in der Seele schmerzen, hätte er mitanhören müssen, wie da manch ein verzweifeltes Menschenkind im Sterben stöhnte, und keiner wagte, ihm nahezukommen und ihm Trost zu spenden. Manch ein Raub, manch ein Mord wurde damals laut bekannt, und niemand blieb am Leben, um das Geständnis aufzuzeichnen. Man konnte, sogar von der Straße aus im Vorbeigehen, hören, wie die Menschen zu Gott durch Jesus Christus um Gnade flehten und bekannten: »Ich bin ein Dieb gewesen«, »Ich war ein Ehebrecher«, »Ich habe einen Mord begangen« und dergleichen, und niemand traute sich, solchen Dingen im geringsten nachzugehen oder den armen Menschenkindern Trost zu spenden, die da in Todesängsten von Leib und Seele aufschrien. Einige der Geistlichen machten zu Anfang für eine Weile noch Krankenbesuche, aber es ging nicht an.
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