Da kam Pinchinat auf einen Gedanken. Seine Gedanken sind zwar nicht immer die besten, sprudeln aber massenhaft in seinem Gehirn auf. Der jetzige hatte sich übrigens der Zustimmung des weisen Frascolin zu erfreuen.

»Kameraden, sagte er, warum sollte das Mittel, das gegen einen wilden Bären von Erfolg war, nicht auch gegenüber einem californischen Dorfe erfolgreich sein? Wir haben jenen Plantigraden durch ein bischen Musik gezähmt… erwecken wir nun das Landvolk hier durch ein lärmendes Concert, wobei wir’s an einem Forte und einem Allegro nicht fehlen lassen…

– Das wäre des Versuchs werth,« meinte Frascolin.

Sebastian Zorn hat Pinchinat nicht einmal seine Worte vollenden lassen, sondern bereits das Violoncell aus dem Kasten geholt, es auf der eisernen Spitze aufgerichtet vor sich hingestellt, und steht, da er keinen Sitz zur Verfügung hat, mit dem Bogen in der Hand schon bereit, dessen klingendem Bauche alle darin aufgespeicherten Töne zu entlocken.

Fast gleichzeitig sind seine Kameraden fertig, seinem Beispiele, wohin es sei, zu folgen.

»Das H-moll-Quartett von Onslow, ruster. Anfangen! Ein paar Takte umsonst!«

Dieses Quartett von Onslow kannten sie auswendig, und geübte Streichmusikanten brauchten gewiß auch keine Beleuchtung dazu, ihre geschickten Finger über das Griffbrett eines Violoncells, zweier Violinen und einer Bratsche gleiten zu lassen.

So folgen sie denn alle ihrer künstlerischen Eingebung. Noch nie haben sie wohl in den Casinos oder auf den Bühnen des amerikanischen Bundesstaates mit mehr Talent und Innigkeit gespielt. Da ertönt eine wahrhaft himmlische Harmonie, der menschliche Wesen, wenn sie nicht gerade mit Taubheit geschlagen sind, unmöglich widerstehen können. Ja, befanden sie sich auch, wie Yvernes vermuthete, auf einem Kirchhof, so hätten sich die Gräber öffnen, die Todten aufrichten müssen und die Skelette hätten gewiß die Hände zusammengeschlagen….

Und dennoch bleiben die Häuser geschlossen, die Schläfer erwachen auch jetzt nicht. Das Musikstück endigt mit den Prachtsätzen seines mächtigen Finale, ohne daß Freschal ein Lebenszeichen von sich giebt.

»Da sitzt doch der Teufel drin! polterte Sebastian Zorn auf dem Gipfel der Wuth hervor. Bedarf es denn für die Ohren dieser Wilden eines Charivari, wie für den Bären?… Auch gut, wir fangen noch einmal von vorne an, doch Du, Yvernes spielst in D-, Du, Frascolin in E. und Pinchinat in G-dur. Ich selbst bleibe in H-moll, und nun aus Leibeskräften los!«

Das gab aber einen Mißklang zum Trommelfellzersprengen!

Es erinnerte an das improvisierte Orchester, das der Prinz von Joinville dereinst in einem unbekannten Dorfe des brasilianischen Gebietes dirigierte. Es klang, als ob man auf

»Essigkannen« eine entsetzliche Symphonie mit verkehrtem Bogenstrich executiert hätte.

Pinchinat’s Gedanke erwies sich übrigens als vortrefflich.

Was ein ganz ausgezeichneter musikalischer Vortrag nicht erzielte, das erzielte dieses gräuliche Durcheinander. Freschal fängt an aufzuwachen. Da und dort erhellen sich die Fenster.

Die Bewohner des Dorfes sind also nicht todt, da sie jetzt Lebenszeichen verrathen. Sie sind auch nicht taub, da sie hören und lauschen.

»Die Leute werden uns mit Aepfeln bombardieren, sagt Pinchinat während einer Pause, denn trotz mangelndem Einklang des Tonstücks ist dessen Takt doch eingehalten worden.

– O, desto besser; dann essen wir sie;« antwortet der praktische Frascolin.

Und auf Commando Sebastian Zorn’s beginnt das kakophonische Concert von neuem. Nach Beendigung desselben mit einem mächtigen »Dis«-Accord in vier verschiedenen Tonlagen halten die Musiker ein.

Nein, mit Aepfeln wirft hier keiner aus den zwanzig oder dreißig geöffneten Fenstern, sondern laute Beifallsbezeugungen, kräftige Hurrahs und scharftönende Hips schallen daraus hervor.