Die freschalischen Ohren haben sich jedenfalls noch niemals eines solchen musikalischen Hochgenusses erfreut, und es unterliegt keinem Zweifel, daß jetzt jedes Haus willig ist, so unvergleichliche Virtuosen gastlich aufzunehmen.

Doch während diese sich ihrer musikalischen Verzückung völlig hingaben, ist ein Zuschauer und Zuhörer, ohne daß sie seine Annäherung bemerkten, bis auf wenige Schritte herangetreten. Diese aus einer Art elektrischen Kremsers ausgestiegene Persönlichkeit wartet an einer Ecke des Platzes.

Es ist ein hochgewachsener, wohlbeleibter Mann, soweit das bei der Dunkelheit zu erkennen war.

Während sich dann unsre Pariser Kinder noch fragen, ob sich nach den Fenstern auch die Thüren der Häuser öffnen werden, um sie aufzunehmen – was mindestens noch ungewiß ist –

nähert sich der neue Ankömmling noch weiter und spricht in liebenswürdigstem Tone und im reinsten Französisch:

»Ich bin Kunstliebhaber, meine Herren, und eben jetzt so glücklich gewesen, Ihnen Beifall zollen zu dürfen.

– Während unsres letzten Musikstücks? erwidert Pinchinat ironisch.

– Nein, meine Herren, während des ersten; ich habe das Quartett von Onslow selten in so vollendeter Weise spielen hören.«

Der Mann ist offenbar ein Kenner.

»Mein Herr, antwortet ihm Pinchinat im Namen seiner Gefährten, wir sind Ihnen für Ihre Anerkennung sehr verbunden. Hat unsre zweite Nummer Ihre Ohren zerrissen, so kommt das daher…

– Mein Herr, fällt ihm der Unbekannte ins Wort und schneidet damit einen Satz ab, der jedenfalls sehr lang geworden wäre, ich habe niemals mit gleicher Vollendung so falsch spielen hören. Ich durchschaue es aber, weshalb Sie zu diesem Auswege griffen: Sie wollten die wackern Bewohner von Freschal, die schon im tiefsten Schlafe liegen, aufwecken.

Nun, meine Herren, gestatten Sie mir, Ihnen das anzubieten, was Sie mit jenem seltsamen Mittel erstrebten…

– Gastliche Aufnahme? fragt Frascolin.

– Gewiß, eine ultraschottische Gastfreundschaft. Irre ich mich nicht, so steht vor mir das Concert-Quartett, das in unserm herrlichen Amerika überall berühmt ist, und gegen das letzteres mit seinem Enthusiasmus nicht gegeizt hat…

– Verehrter Herr, glaubt Frascolin hier einflechten zu müssen, wir fühlen uns aufs höchste geschmeichelt. Doch…

die gastliche Aufnahme… wo könnten wir die durch Ihre Güte finden?

– Zwei Meilen von hier.

– In einem andern Dorfe?

– Nein… nein, in einer Stadt.

– Einer bedeutenderen Stadt?…

– Gewiß.

– Erlauben Sie, man hat uns gesagt, daß hier und vor San Diego keine Stadt liege…

– Ein Irrthum… wirklich ein Irrthum, den ich nicht zu erklären vermag.

– Ein Irrthum?… wiederholt Frascolin.

– Ja, meine Herren, und wenn Sie mir nur folgen wollen, verspreche ich Ihnen einen Empfang, wie er sich für solch hervorragende Künstler gebührt.

– Ich denke, das erschiene annehmbar, ließ sich Yvernes vernehmen.

– Ganz meine Ansicht, bestätigt Pinchinat.

– Halt, halt… noch einen Augenblick, ruft Frascolin; niemals schneller, als der Leiter des Orchesters.

– Das bedeutet?… fragt der Amerikaner.

– Daß wir in San Diego erwartet werden, antwortet Frascolin.

– In San Diego, fügt der Violoncellist hinzu, wo die Stadt uns zu einer Reihe von musikalischen Matinées engagirt hat, deren erste bereits übermorgen Sonntag stattfinden soll.

– Ah so!« versetzt der Fremde mit dem Ausdruck der Enttäuschung.

Gleich darauf ergreift er jedoch wieder das Wort:

»Nun, das thut nichts, meine Herren, setzt er hinzu. Binnen eines Tages werden Sie Zeit genug haben, eine Stadt zu sehen, die des Besuches werth ist, und ich verpflichte mich, Sie bis zur nächsten Station zurückzubefördern, so daß Sie am Sonntag in San Diego sein können.«

In der That, das Anerbieten ist ebenso verführerisch, wie unter den gegebenen Umständen willkommen. Das Quartett kann sicher sein, in einem guten Hôtel ein treffliches Zimmer zu finden, ohne von den weitern Vortheilen zu reden, die sie von und durch diesen zuvorkommenden Herrn erwarten dürfen.

»Nehmen Sie meinen Vorschlag an, meine Herren?

– Mit Vergnügen, versichert jetzt Sebastian Zorn, den der Hunger und die Ermüdung bestimmen, eine derartige Einladung nicht abzuweisen.