»Bah! stößt Pinchinat hervor, das war nur ein Circusbär!

– Thut nichts, antwortet Frascolin, der Teufelskerl, der Yvernes, hat doch eine famose Idee gehabt.

– Nun trabt aber davon… allegretto, mahnt der Violoncellist, und ohne Euch umzusehen.«

Es ist gegen neun Uhr abends, wo die vier Jünger Apolls heil und gesund in Freschal eintreffen. Sie haben die letzte Wegstrecke in stark beschleunigtem Schritte zurückgelegt, obgleich der Bär ihnen nicht mehr folgte.

Etwa vierzig Häuschen oder richtiger Hütten aus Holz rund um einen mit Buchen bestandnen Platz… das ist Freschal, ein vereinsamtes Dorf, das gegen zwei Meilen von der Küste liegt.

Unsre Künstler schlüpfen zwischen zwei, von großen Bäumen beschatteten Wohnstätten hindurch, gelangen damit nach einem freien Platze, in dessen Hintergrunde sich der bescheidne Glockenthurm eines Kirchleins erhebt, sie treten zusammen, als wollten sie ein Musikstück aus dem Stegreif vortragen, und bleiben an der Stelle stehen, um zu berathschlagen.

»Das… das soll ein Dorf sein? fragt Pinchinat.

– Na, Du hast doch nicht erwartet, hier eine Stadt von der Art New-Yorks oder Philadelphias zu finden? erwidert Frascolin.

– Unser Dorf liegt aber bereits im Bett! bemerkt Sebastian Zorn wegwerfend.

– O, wir wollen ein schlummerndes Dorf ja nicht erwecken!

seufzt Yvernes melodisch.

– Im Gegentheil, laßt es uns munter machen!« ruft Pinchinat.

Freilich, wenn sie die Nacht nicht unter freiem Himmel zubringen wollten, blieb ihnen am Ende nichts anders übrig.

Im übrigen ist der Ort völlig verlassen und todtenstill – kein Laden geöffnet, kein Licht hinter einem Fenster. Für das Schloß Dornröschens wären hier alle Vorbedingungen ungestörtester Ruhe gegeben gewesen.

»Wo ist denn nun das Gasthaus? fragt Frascolin.

– Ja, das Gasthaus, von dem der Kutscher sprach, wo seine verunglückten Fahrgäste freundliche Aufnahme und gutes Nachtlager finden sollten?«…

Und der Gastwirth, der sich beeilen würde, dem noch schlimmer verunglückten Coachman Hilfe zu senden?… Sollte der arme Kerl das alles nur geträumt haben?… Oder – eine andre Hypothese – sollten sich Sebastian Zorn und seine Gesellschaft verirrt haben?… Wäre das gar nicht die Dorfschaft Freschal?…

Diese verschiednen Fragen

verlangen schleunige

Beantwortung. Es ergiebt sich also die Nothwendigkeit, einen der Landesbewohner zu befragen und, um das zu können, an die Thür eines der kleinen Häuser zu klopfen… womöglich an die des Gasthofs, wenn ein glücklicher Zufall diesen entdecken läßt.

Die vier Musiker beginnen also eine Untersuchung der finstern Ortschaft und streifen an den Häuserfronten hin, um vielleicht irgendwo ein heraushängendes Schankzeichen zu erspähen. Von einem Gasthofe findet sich aber keine Spur.

Giebt es auch keine Herberge, so ist doch gar nicht anzunehmen, daß sich nicht wenigstens eine gastfreundliche Hütte fände, und da man hier nicht in Schottland ist, kann man auf amerikanische Weise vorgehen. Welcher Eingeborene von Freschal würde es wohl abschlagen, ein oder auch zwei Dollars für die Person für ein Abendessen und ein Nachtlager anzunehmen?

»Also vorwärts, wir klopfen, sagte Frascolin.

– Doch im Takte, setzte Pinchinat hinzu, und zwar im Sechsachteltakte!«

Hätten sie auch im Drei- oder Viervierteltakte gepocht, der Erfolg wäre doch derselbe gewesen. Keine Thür, kein Fenster öffnet sich, und das Concert-Quartett hatte schon ein Dutzend Häuser in gleicher Weise um Antwort ersucht.

»Wir haben uns getäuscht, erklärt Yvernes. Das ist gar kein Dorf, sondern ein Friedhof, und was man hier schläft, ist der ewige Schlaf… Vox clamantis in deserto.

– Amen!« antwortet Seine Hoheit mit der tiefen Stimme eines Kirchencantors.

Was war nun zu thun, da dieses Grabesschweigen beharrlich fortdauert? Etwa nach San Diego zu weiter zu marschieren?

Die Musiker kommen vor Hunger und Erschöpfung bald um.

Und dann, welchen Weg sollten sie, ohne Führer und in stockfinstrer Nacht, einschlagen?… Sollten sie vielleicht versuchen, ein andres Dorf zu erreichen?… Ja, welches denn?

Nach Aussage des Coachman lag kein weiteres an der Küste.

Voraussichtlich verirrten sie sich dabei nur noch mehr. Am rathsamsten erschien es, den Tag abzuwarten. Und doch, ein halbes Dutzend Stunden ohne Obdach hinzubringen, unter einem Himmel, der sich mit dicken Wolken überzieht, die früher oder später mit einer Sündfluth drohen, das kann man doch niemand, auch nicht Künstlern, zumuthen.