»Donnerwetter! platzt die Bratsche heraus.
– Diese Räuber!« schimpft Sebastian Zorn.
Die französisch hervorgestoßenen Worte versteht der Oberkellner zwar nicht, er bemerkt aber doch, daß hier etwas Besondres vorgehen müsse. Wenn sich indeß ein Lächeln auf seine Lippen schleicht, so ist es nur das der Verwunderung, nicht das der Geringschätzung. Er findet es ganz natürlich, daß ein Diner für vier Personen hundertsechzig Dollars kostet. Das ist einmal der Preis auf Standard-Island.
»Kein Aufhebens machen! sagt Pinchinat, Frankreich blickt auf uns! Bezahlen…
– Und sei es wie es sei, fällt Frascolin ein, schnell fort nach San Diego. Uebermorgen besäßen wir nicht einmal so viel, um ein Butterbrod bezahlen zu können.«
Darauf zieht er die Brieftasche, entnimmt dieser eine stattliche Anzahl Papierdollars, die zum Glück auch in Milliard-City gelten, und will sie eben dem Oberkellner einhändigen, als eine Stimme ruft:
»Diese Herren sind gar nichts schuldig!«
Es war die Stimme Calistus Munbar’s.
Der Yankee war eben ruhig lächelnd, in gewohnter guter Laune in den Saal getreten.
»Er! fuhr Sebastian Zorn auf, den die Lust anwandelte, jenem an die Kehle zu springen und diese zu drücken, wie er den Hals seines Violoncells beim Forte drückt.
– Beruhigen Sie sich, lieber Zorn, begann der Amerikaner.
Wollten Sie mir gefälligst Alle in den Salon folgen, wo der Kaffee aufgetragen ist? Dort können wir in Ruhe plaudern, und nach Schluß unsers Gesprächs…
– Erwürge ich Sie! fiel ihm Sebastian Zorn ins Wort.
– Nein… Sie werden mir die Hände küssen…
– Ich werde Ihnen gar nichts küssen!« polterte der Violoncellist, der vor Wuth einmal blaß und einmal blauroth wurde.
Kurze Zeit darauf haben sich’s die Gäste Calistus Munbar’s auf weichen Sophas bequem gemacht, während sich der Yankee auf einem Schaukelstuhle wiegt.
Hier stellt er sich nun seinen Gästen formgerecht in folgender Weise vor:
»Calistus Munbar, aus New-York, fünfzig Jahre alt, Urenkel des berühmten Barnum, zur Zeit Oberintendant der Künste auf Standard-Island, verantwortlich für alles, was Malerei, Sculptur, Musik und im allgemeinen alle Unterhaltungen in Milliard-City angeht. Da Sie mich nun kennen, meine Herren…
– Sind Sie, fragt Sebastian Zorn, nicht zufällig auch Polizeispitzel mit der Verpflichtung, fremde Leute in Fallen zu locken und sie darin wider ihren Willen zurückzuhalten?
– Uebereilen Sie sich mit meiner Beurtheilung nicht, Sie reizbares Violoncell, und warten Sie erst das Ende ab.
– Wir wollen warten, erwidert Frascolin ernsten Tones, warten und Sie anhören.
– Meine Herren, nimmt Calistus Munbar, sich eine graciöse Haltung gebend, wieder das Wort, ich wünsche mit Ihnen bei dem jetzigen Gespräch nur die musikalische Frage zu erörtern, so wie diese zur Zeit auf unsrer Schraubeninsel liegt. Theater besitzt Milliard-City allerdings noch nicht, doch wenn sie das wollte, würden solche wie durch Zauberschlag aus ihrem Boden aufwachsen. Bisher haben unsre Mitbürger ihre musikalischen Bedürfnisse durch vervollkommnete Apparate befriedigt, wodurch sie über dramatische und lyrische Meisterschöpfungen auf dem Laufenden erhalten wurden. Wir hören die alten und neuen Componisten, die Tagesgrößen der Schauspielkunst, die beliebtesten Künstler mittelst des Phonographen, wann und so oft es uns gefällt…
– Eine Drehorgel, Ihr Phonograph! warf Yvernes verächtlich ein.
– Doch nicht in der Weise, wie Sie das glauben mögen, mein Herr erster Violinist, antwortet der Oberintendant. Wir besitzen Apparate, die mehr als einmal die Indiscretion begangen haben, Ihnen zu lauschen, wenn Sie sich in Boston oder Philadelphia hören ließen. Wenn es Ihnen Spaß macht, können Sie sich hier mit eignen Händen applaudieren.«
Jener Zeit haben die Erfindungen des berühmten Edison nämlich den höchsten Grad der Vollendung erreicht. Der Phonograph ist keineswegs mehr der Musikkasten oder die Spieldose, dem und der er ursprünglich gar zu sehr glich. Dank seinem geistvollen Erfinder bewahrt er jetzt das ephemere Talent der Schauspieler, Instrumentisten oder Sänger für die Bewunderung kommender Geschlechter mit der gleichen Treue auf, wie die Werke der Bildhauer und Maler aufbewahrt bleiben. Ein Echo etwa ist der Apparat geworden, doch ein Echo, treu wie eine Photographie, das alle Nuancen, alle Feinheiten des Gesangs oder Spiels in unveränderter Reinheit wiedergiebt.
Calistus Munbar ergeht sich hierüber mit solcher Wärme, daß es auf seine Zuhörer einen tiefen Eindruck macht.
Er spricht von Saint-Saëns, von Reyer, Ambroise Thomas, von Gounod, Massenet und Verdi, von den unvergänglichen Meisterwerken eines Berlioz, Meyerbeer, Halévy, Rossini, Beethoven und Mozart wie ein Mann, der alle aus dem Grunde kennt, sie zu schätzen weiß und der sich schon lange Zeit bemüht hat, ihren Ruhm noch zu verbreiten, so daß man ihm mit Vergnügen zuhört. Von der schon etwas ablaufenden Wagnerepidemie scheint er jedoch nicht besonders gelitten zu haben.
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