Er ist so glücklich, Landsleute und – noch mehr – Künstler aus der Heimat zu empfangen. Das Gespräch wird mit erfrischendem Getränk unterbrochen, wozu die Mission das Recept besitzt.
»Und ebenfalls, meine lieben Söhne, sagte der Greis, glauben Sie nicht, daß unsre Inseln, was man sagt, wild wären. Hier werden Sie keine Eingebornen finden, die noch Cannibalen wären.
– Uns sind überhaupt noch keine solchen vorgekommen, bemerkt Frascolin.
– Zu unserm Bedauern, setzt Pinchinat hinzu.
– Wie? Zu Ihrem Bedauern?
– Verzeihen Sie, würdiger Vater, dieses Geständniß eines neugierigen Parisers! Es lag uns nur an der Localfärbung!
– O, läßt Sebastian Zorn sich vernehmen, noch sind wir nicht am Ende unsrer Fahrt, und vielleicht sehen wir noch mehr, als wir wünschen, von den Menschenfressern, nach denen unser Kamerad solche Sehnsucht zeigt.
– Das ist leider möglich, antwortet der Superior. Mehr in der Nähe der westlichen Gruppen, bei den Neuen Hebriden und den Salomon-Inseln zum Beispiel, müssen alle Seefahrer wohl auf ihrer Hut sein. Auf Tahiti dagegen, auf den Marquisen- und Gesellschafts-Inseln, wie auf Samoa, hat die Civilisation sehr bedeutende Fortschritte gemacht. Ich weiß wohl, daß die Ermordung der Begleiter Lapérouse’s den Samoanern den Ruf natürlicher Wildheit erworben hat und die Meinung, daß sie dem Cannibalismus fröhnten. Wie viel hat sich seitdem aber Dank der christlichen Religion geändert! Die heutigen Eingebornen sind gesittete Leute, erfreuen sich einer Regierung mit zwei Kammern ganz wie in Europa, doch kommen auch Revolutionen vor…
– Ebenfalls wie in Europa?… fällt Yvernes ein.
– Wie Sie sagen, mein lieber Sohn, die Samoaner sind auch nicht gefeit gegen politische Streitereien!
– Das ist auf Standard-Island bekannt, antwortet Pinchinat, denn was wüßte man nicht auf dieser von den Göttern gesegneten Insel, ehrwürdiger Vater! Wir glauben sogar hier zu einer Zeit eingetroffen zu sein, wo kriegerische Verwicklungen zwischen zwei königlichen Familien drohen…
– Ganz recht, meine Freunde, es ist ein Kampf entbrannt zwischen dem König Tupua, der von den alten Herrschern des Archipels abstammt und den wir mit unserm Einfluß aufs Beste unterstützen, und dem Könige Malietoa, dem Manne der Engländer und der Deutschen. Gar vieles Blut ist schon vergossen worden, vorzüglich in der großen Schlacht im December 1887. Jene Könige erlebten es, nacheinander proclamiert und wieder abgesetzt zu werden; schließlich aber ist Malietoa zum Herrscher erklärt worden, zwar durch Ausspruch der drei Mächte, aber doch nach den Anordnungen des Hofes von Berlin… ja, von Berlin!«
Der alte Missionär kann eine innere Erregung nicht unterdrücken, während dieser Name über seine Lippen kommt.
»Sehen Sie, sagte er, bisher ist der Einfluß der Deutschen auf Samoa maßgebend gewesen. Neun Zehntel des cultivierten Landes ist in ihren Händen. In der Nähe von Apia, in Suluafata, haben sie von der Regierung eine sehr wichtige Concession ganz nahe an einem Hafen erhalten, wo ihre Kriegsschiffe sich mit allem Nöthigen versehen können. Durch sie wurden hier Schnellfeuerwaffen eingeführt. Doch alles das wird eines Tages ein Ende nehmen…
– Zum Vortheil Frankreichs?…
– Nein, zu dem des Vereinigten Königreichs. Doch lassen wir das bei Seite. Wer kann wohl klar in die Zukunft schauen.
– Doch der König Malietoa… fährt Yvernes fort.
– Nun, der König Malietoa wird auch noch einmal entthront, und wissen Sie, wer der Prätendent ist, der die meiste Aussicht hätte, ihm zu folgen? Ein Engländer, einer der hervorragendsten Leute des Archipels, ein einfacher Romandichter…
– Ein Romandichter?…
– Jawohl, Robert Levis Stevenson, der Verfasser der »Insel des Schatzes« und der »Arabischen Nächte«.
– Da sieht man, wohin die Literatur führen kann! ruft Yvernes.
– Und unsre französischen Schriftsteller sollten sich beeilen, desgleichen zu thun, setzt Pinchinat hinzu. – Ah, Zola I.
Souverän der Samoaner… anerkannt von der britischen Regierung, auf dem Throne der Tupua und der Malietoa, seine Dynastie die Nachfolgerin der Dynastien eingeborner Souveräne!… Welch’ ein Traumgebilde!«
Die Unterhaltung schließt damit, daß der Superior sich noch über mehrere Einzelheiten der Sitten der Samoaner verbreitet.
Er fügt hinzu, daß der Katholicismus, obwohl hier die Mehrzahl dem wesleyanischen Protestantismus anhängt, doch jeden Tag Fortschritte mache. Die Missionskirche ist für die Gottesdienste bereits zu klein geworden und auch die Schule bedarf einer baldigen Vergrößerung.
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