Ohne sich zu übereilen, wird die Propeller-Insel über das beständig glatte Meer hingleiten, da jetzt Windstöße und Stürme fast ausgeschlossen sind. Es genügt, vor Tonga-Tabu in den ersten Tagen des Januar einzutreffen, dort soll eine Woche gerastet und dann nach den Fidschi-Inseln weiter gefahren werden. Von hier aus soll sich Standard-Island dann nach den Neuen Hebriden begeben, um die malayische Mannschaft ans Land zu setzen, und schließlich soll es, nach Nordwesten hinausgehend, die Breite der Madelainebay wieder erreichen und damit die diesjährige Rundreise vollenden.

In Milliard-City spinnt sich das Leben in ungestörter Ruhe weiter ab – das Leben einer großen amerikanischen oder europäischen Stadt mit seiner beständigen, durch die Dampfer oder die Telegraphenkabel unterhaltenen Verbindung mit der Neuen Welt, den gewohnten gegenseitigen Besuchen der Familien, der offenbaren Annäherung zwischen beiden Inselhälften, mit den Spaziergängen, den Unterhaltungen und den Concerten des Quartetts, die sich des unveränderten Beifalls der Musikliebhaber erfreuen.

Das Neujahr, die den Protestanten wie den Katholiken gleich heilige Christmas, wird mit größtem Prunke im Tempel, ebenso wie in der Saint-Mary Church, doch auch in den Einzelwohnungen, in den Hôtels und in den Häusern der Handelsviertel gefeiert. In der Woche von Weihnachten bis zum ersten Januar schwelgt die Insel in frohen Festlichkeiten.

Inzwischen veröffentlichten die Journale von Standard-Island, das »Starboard-Chronicle« und der »New-Herald« alle örtlichen und auswärtigen Neuigkeiten. Vorzüglich eine Neuigkeit aber, die gleichzeitig in beiden Blättern erscheint, giebt zu zahlreichen Commentaren Anlaß.

In der Nummer vom 26. December war nämlich zu lesen, daß der König von Malecarlieu sich zum Gouverneur nach dem Stadthause begeben und dieser ihm eine Audienz bewilligt habe. Niemand wußte, was Seine Majestät mit diesem Besuche bezweckte. In Folge dessen schwirren allerlei Gerüchte durch die Stadt, und diese hätten sich unzweifelhaft mehr und mehr auf ganz unhaltbare Muthmaßungen gestützt, wenn die Journale nicht andern Tages Aufklärung über die Sache gebracht hätten.

Der König von Malecarlieu hat sich um eine Anstellung am Observatorium von Standard-Island beworben und die oberste Verwaltung seinem Gesuche sofort entsprochen.

»Alle Wetter, ruft Pinchinat, um so etwas zu erleben, muß man freilich in Milliard-City wohnen! Ein Souverän mit dem Fernrohr vor den Augen, der die Sterne am Horizont beobachtet!…

– Ein Gestirn der Erde, das mit seinen Brüdern am Firmament in Verbindung tritt!« setzt Yvernes hinzu.

Diese Mittheilung bestätigt sich, und zwar hat den König von Malecarlieu folgender Umstand veranlaßt, um jene Stelle anzuhalten.

Der König von Malecarlieu war ein gutherziger Mann, und die Königin, seine Gemahlin, eine nicht minder gutherzige Frau. Sie bemühten sich, so viel Gutes zu thun, wie das in einem Mittelstaate Europas nur aufgeklärte liberale Geister im Stande sind, ohne deshalb den Anspruch zu erheben, daß ihre Dynastie, wenn sie auch zu den ältesten der Alten Welt gehörte, göttlichen Ursprungs sei. Der König war sehr wissenschaftlich gebildet und liebte die Künste, vorzüglich die Musik. Als Gelehrter und Philosoph verschloß er aber die Augen nicht vor der Zukunft der europäischen Herrscherfamilien und war, wenn sein Volk es verlangte, jeden Augenblick bereit, aus seinem Königreich zu scheiden. Da er keinen directen Erben besaß, beging er damit seiner Familie gegenüber kein Unrecht, wenn ihm die Zeit gekommen schien, seinen Thron zu verlassen und sich der Krone zu entkleiden.

Dieser Zeitpunkt trat vor drei Jahren ein, ohne daß es dabei im Königreiche Malecarlieu zu einer Revolution – wenigstens nicht zu einer blutigen – gekommen wäre. Unter gegenseitiger Uebereinstimmung wurde der Vertrag zwischen Seiner Majestät und deren Unterthanen aufgehoben. Der König wurde wieder ein Mensch, seine Unterthanen Bürger und er ging ohne weitere Umstände ab, wie ein Reisender auf der Eisenbahn, und ließ ruhig die eine Regierungsform an Stelle der andern treten.

Mit sechzig Jahren noch außerordentlich kräftig, erfreute sich der König einer Constitution… vielleicht einer bessern, als sein früheres Königreich sich zu geben vermochte. Die schon von jeher wankende Gesundheit der Königin aber verlangte einen Aufenthalt, wo sie vor grellem Temperaturwechsel geschützt war. Eine solche Gleichmäßigkeit der Verhältnisse war aber kaum anderswo als auf Standard-Island zu finden, wenn man der Beschwerde entgehen wollte der guten Jahreszeit in den verschiednen Breitenlagen der Erde immer nachzureisen. Das schwimmende Bauwerk der »Standard-Island Company« bot dagegen alle erwünschten Vortheile.

Das war der Grund, weshalb der König und die Königin von Malecarlieu sich entschlossen hatten, ihren Sitz in Milliard-City zu nehmen. Das wurde ihnen unter der Bedingung zugestanden, daß sie hier als einfache Bürger lebten und jeden Anspruch auf Auszeichnung oder besondre Privilegien aufgaben. Ihre Majestäten dachten natürlich gar nicht daran, anders aufzutreten.