Der Commodore Simcoë wird von seinen Officieren davon benachrichtigt und beobachtet den Horizont vom Thurme des Observatoriums aus. Kein Lichtschein zeigt sich auf dem weiten Segment des Meeres, das vor seinen Augen liegt.
Immerhin bietet der Himmel nicht das gewöhnliche Aussehen.
Der Reflex von Flammen hat ihn bis zum Zenith hinauf gefärbt. Die Luft ist stark dunstig trotz des schönen Wetters und auch der Thermometer deutet durch sein plötzliches Fallen auf eine Störung in der Atmosphäre hin.
Beim ersten Tageslicht erfahren die Frühaufsteher von Milliard-City eine seltsame Ueberraschung. Die Detonationen dauern nicht allein noch immer fort, die Luft erfüllt sich auch wie mit einem roth und schwarzen Dunste, einer Art seinem Staube, der wie Regen herabfällt. Man hätte es einen Platzregen rußiger Moleküle nennen können. In kürzester Zeit sind die Straßen der Stadt und die Dächer der Häuser mit einer Substanz bedeckt, worin sich die Farben des Carmins, des Krapp, der Garance und des Purpurs mit schwärzlichen Schlacken vermischen.
Alle Einwohner sind hinausgeströmt – mit Ausnahme des Athanase Dorémus, der nun einmal erst zu Mitternacht zu Bette geht und vor elf Uhr morgens nicht aufsteht. Das Quartett ist selbstverständlich vom Lager ausgeprungen und hat sich nach dem Thurme des Observatoriums begeben, wo der Commodore, seine Officiere, seine Astronomen – den neuen königlichen Beamten nicht zu vergessen – sich eingefunden haben, um die Natur dieser Erscheinung zu enträthseln.
»Es ist bedauerlich, beginnt Pinchinat, daß dieser rothe Stoff nicht flüssig und daß diese Flüssigkeit nicht ein Regen von Pomard oder von Chateau Lafitte ist!
– Ewig trockne Musikantenkehle!« antwortet Sebastian Zorn.
Was die Natur ähnlicher Erscheinungen angeht, weiß man, daß wiederholt Regenfälle von rothem, aus Kieselsäure, Chromoxyd und Eisenoxyd bestehendem Sand beobachtet worden sind. Zu Anfang unsers Jahrhunderts wurden Calabrien und die Abruzzen in ähnlicher Weise überschüttet, und die abergläubischen Bewohner wollten in dem Niederschlage Blutstropfen sehen, wo es sich, wie 1819 in Blankenberghe, nur um Cobaltchlorür handelte. Auch von entfernten Feuersbrünsten werden ja wohl Aschenheilchen oft weit fortgetragen. Solche Niederschläge hat man 1820 in Fernambuko, gelbe Regen 1824 in Orleans und 1836 in den Niederpyrenäen gesehen, welch letztere aus den Pollenkörnern blühender Linden bestanden.
Welcher Quelle aber die Staub- und Schlackentheile entstammten, die jetzt auf Standard-Island niederfielen, war nicht so ohne weiteres zu entscheiden.
Der König von Malecarlieu meinte, daß sie aus einem Vulcan der östlichen Inseln herrühren dürften, und seine Collegen vom Observatorium theilten seine Ansicht. Man sammelte einige Hände voll dieser Schlacken, die sich wärmer zeigen als die umgebende Luft. Ein heftiger Vulcanausbruch würde die unregelmäßigen Detonationen, die noch immer hörbar sind, erklären. Diese Gegend ist ja voller theils noch thätiger, theils erloschener Vulcane, ganz zu schweigen von denen, die zuweilen aus der Tiefe des Oceans emporgehoben werden und dann die gewaltigsten Ausbrüche zeigen.
Gerade inmitten des Archipels von Tonga hat der Tusua erst vor wenigen Jahren eine Fläche von über hundert Quadratkilometern mit seinen Eruptivmassen bedeckt, und das Donnern und Krachen seines gewaltigen Ausbruchs ist zuweilen bis auf zweihundert Kilometer Entfernung hörbar gewesen.
Im August 1883 verwüsteten die Eruptionen des Krakatoa den Theil der Inseln Java und Sumatra, der nach der Sundastraße zu liegt, zerstörten die Dörfer, wobei viele Menschen das Leben verloren, riefen starke Erderschütterungen hervor, bedeckten den Erdboden mit einer schmutzigen Schicht, wühlten das Wasser des Meeres zu furchtbaren Wogenbergen auf, verpesteten die Luft mit schwefligen Dünsten und richteten alle in der Nähe befindlichen Schiffe zu Grunde.
Da liegt die Frage nahe, ob die Propeller-Insel nicht von einem ähnlichen Geschick bedroht sei…
Der Commodore Simcoë ist offenbar beunruhigt, denn die Weiterfahrt scheint sehr schwierig zu werden. Auf seinen Befehl bewegt sich Standard-Island jetzt auch nur sehr langsam weiter.
Die Milliardeser sind von Entsetzen gepackt, scheint es doch, als sollten die Unkenrufe Sebastian Zorn’s bezüglich des Ausgangs der Fahrt sich schon jetzt bewahrheiten.
Zu Mittag ist es ganz finster geworden. Die Leute sind aus den Häusern geflohen, in der Befürchtung, daß diese einem unterirdischen Stoße nicht widerstehen werden. Nach beiden Häfen sind Officiere beordert, um auf alles Acht zu geben. Die Maschinisten stehen bereit, mit der ganzen Insel zu wenden, wenn es nöthig würde, eine andre Richtung einzuschlagen.
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