In ihrer merkwürdigen Cosmogonie spielen gute und böse Geister eine wichtige Rolle.
Das Christenthum wird schwerlich das noch immer geübte Tabu auszurotten vermögen, und wenn ein solches aufgehoben werden soll, geht es nicht ohne Entsühnungsceremonien ab, bei denen zuweilen Menschenopfer vorkommen.
Nach den Berichten verschiedner Forscher – vorzüglich Aylie Marin’s gelegentlich seiner Reise im Jahre 1882 – kann Nakualosa noch immer nur als halbcivilisiert betrachtet werden.
Frascolin, Pinchinat und Yvernes haben nicht das Verlangen empfunden, dem König Georg ihre Huldigung zu Füßen zu legen.
Das ist gar nicht im bildlichen Sinne zu nehmen, denn es herrscht hier die Sitte, dem Souverän die Füße zu küssen.
Unsre Pariser schätzen sich glücklich, dessen enthoben zu sein, als sie auf einem Platze von Nakualosa den »Tui«, wie man Seine Majestät hier nennt, mit einer Art weißem Hemde und einem kleinen, seine Hüften umschließenden Rocke aus heimischem Gewebe bekleidet, vor Augen bekommen. Dieser Fußkuß würde gewiß zu ihren unangenehmsten Reiseerinnerungen gehört haben.
»Man sieht hieraus, bemerkt Pinchinat, daß es der Insel sehr an Wasser fehlen muß!«
Wirklich kennt man auf Vavao ebenso wie auf Tonga-Tabu und den andern Inseln des Archipels nichts von einem Flusse oder Bache. Die Eingebornen haben nichts als das in Cisternen gesammelte Regenwasser zur Verfügung und sparen das nicht weniger, als ihr König Georg I.
Sehr ermüdet sind die drei Touristen heute nach dem Hafen von Moafuga zurückgekehrt und begeben sich noch nach ihren schönen Zimmern im Casino. Dem ungläubigen Sebastian Zorn versichern sie, daß ihr Ausflug hochinteressant gewesen sei.
Doch alle Jubelhymnen Yvernes’ vermögen den Violoncellisten nicht zu bestimmen, am nächsten Tage das Dorf Mua mit zu besuchen.
Der Marsch dahin sollte sehr lang und anstrengend werden.
Doch gerade das Innere des wunderbaren Landes zu sehen, ist von besonderm Interesse, und die Touristen brechen deshalb zu Fuß nach der Bay von Mua auf, immer nahe dem Korallenuser dahin, vor dem viele Eilande liegen und wo sich die Cocosbäume ganz Oceaniens ein Stelldichein gegeben zu haben scheinen.
In Mua treffen sie erst am Nachmittage ein, so daß sie dort übernachten müssen, wozu sich für sie als Franzosen die Niederlassung der katholischen Missionäre ganz angezeigt erweist. Der Superior begrüßt seine Gäste mit wahrhaft rührender Freude. Bei ihm verbringen sie einen höchst angenehmen Abend in anziehendem Geplauder, das sich mehr auf Frankreich als auf die tongische Colonie bezieht. Die Ordensgeistlichen denken nicht ohne Wehmuth an die so entfernte Heimat. Und doch genießen sie hier die Befriedigung, hochgeachtet und geehrt zu sein von der kleinen Welt, die sie trotz mancher Hindernisse zum katholischen Glauben bekehrt haben. Die Methodisten haben hier sogar eine Art Annex zu dem Dorfe Mua errichten müssen, um die Interessen des wesleyanischen Proselytismus nicht ganz in den Hintergrund treten zu lassen.
Der Superior zeigt seinen Gästen mit einem gewissen Stolze die Anlagen der Mission, das von den Eingebornen von Mua freiwillig erbaute Wohnhaus und die hübsche Kirche, errichtet nach den Plänen tongischer Architekten, deren sich ihre Collegen in Frankreich nicht zu schämen brauchten.
Am Abend gehen alle in der Umgebung des Dorfes spazieren, und zwar bis nach den alten Gräbern von Tui-Tonga, wo Schiefergestein und Korallen sich in primitiver und anziehender Kunst vermischen. Dann folgt ein Besuch der uralten Anpflanzung von Meas, Bananen oder monströsen Feigenbäumen mit gleich Schlangen verschlungenen Wurzeln
– Baumriesen, die zuweilen einen Umfang von sechzig Metern haben. Frascolin besteht darauf, diesen zu messen, schreibt das Ergebniß in sein Taschenbuch ein und läßt es sich durch den Superior eigens bestätigen. Nun soll Einer das Vorkommen eines solchen Wunders der Pflanzenwelt noch anzweifeln!
Nach einem guten Abendbrod genießt man in den Zimmern der Mission eine erquickende Ruhe, um nach ebenso gutem Frühstück und herzlichem Abschied von den in Mua siedelnden Missionären nach Standard-Island zurückzukehren, wo die kleine Gesellschaft eintrifft, als es am Thurme des Rathhauses fünf Uhr schlägt. Diesmal bedürfen die drei Ausflügler keiner poetischen Uebertreibungen, um Sebastian Zorn zu versichern, daß die letzten beiden Tage ihnen unvergeßlich bleiben werden.
Am folgenden Tage erhält Cyrus Bikerstaff den Besuch des Kapitän Sarol, der folgenden Zweck hatte: Eine Anzahl Malayen – etwa hundert – waren von den Neuen Hebriden geholt und nach Tonga-Tabu zur Urbarmachung großer Bodenstrecken gebracht worden, einer Arbeit, zu der die trägen Eingebornen hier nie zu gebrauchen wären. Nachdem sie ihre Arbeit kürzlich vollendet hatten, warteten die Malayen auf eine Gelegenheit zur Heimreise. Der Kapitän Sarol kam nun, um zu fragen, ob der Gouverneur gestatten würde, sie auf Standard-Island mitzunehmen. Binnen fünf bis sechs Wochen sollte dieses bei Erromango eintreffen, und die Ueberführung jener Leute könnte das städtische Budget doch nicht nennenswerth belasten.
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