Am 30. Januar brechen Sebastian Zorn und seine Kameraden in einer ihnen vom Gouverneur überlassenen elektrischen Schaluppe des Steuerbordhafens auf, um die Rewa, einen der Hauptflüsse des Landes, hinauszufahren. In dem Fahrzeuge haben noch der Führer desselben, ein Mechaniker, zwei Matrosen und ein einheimischer Lootse Platz genommen.

Athanase Dorémus hat man vergeblich angeboten, sich den Ausflüglern anzuschließen. In dem Tanz- und Anstandslehrer ist jedes Gefühl der Neugierde eingeschlafen… dann könnte sich während seiner Abwesenheit auch ein Schüler anmelden wollen, und er zieht es deshalb vor, im Casino auszuharren.

Um sechs Uhr morgens verläßt die Schaluppe, gut ausgerüstet und, weil sie erst am Abend zurückkehren soll, auch mit einigem Mundvorrath versehen, die Bay von Suva und steuert längs der Küste nach der Rewamündung hin.

Auf der Fahrt zeigen sich nicht nur viele Klippen, sondern auch viele Haifische, und es gilt darum, sich vor beiden in Acht zu nehmen.

»Pah! stößt Pinchinat hervor, Eure Haifische, das sind ja nicht einmal Salzwasser-Cannibalen mehr! Die englischen Missionäre haben sie gewiß ebenso wie die Fidschianer zum Christenthum bekehrt!… Wetten wir, daß die Bestien den Geschmack an Menschenfleisch ganz verloren haben?

– Verlassen Sie sich darauf nicht, antwortet der Pilot… so wenig als man sich auf die Fidschi-Insulaner des Innern verlassen kann.«

Pinchinat begnügt sich mit einer wegwerfenden Geberde.

Seiner Ansicht nach hat man ihm doch nur etwas weiß gemacht mit den angeblichen Menschenfressern, die sich nicht einmal an Feiertagen als solche erweisen.

Der Lootse kennt die Bay und den Lauf der Rewa ganz genau. In diesem großen Flusse, der auch Wat-Levu genannt wird, verspürt man die Fluth bis fünfundvierzig Kilometer von der Mündung und Barken können auf ihm bis achtzig Kilometer weit hinaufsegeln.

An der Mündung ist die Rewa über hundert Toisen breit. Sie verläuft zwischen sandigen, niedrigen Ufern an der linken und zwischen hügligen Ufern, die einen üppigen Bestand von Bananen und Cocospalmen zeigen, an der rechten Seite. Ihr Name ist eigentlich Rewa-Rewa, entsprechend jener Verdoppelung der Wörter, wie sie den Völkerschaften des Stillen Oceans fast gemeinsam ist. Wie Yvernes bemerkt, findet man dasselbe ja in den kindlichen Ausdrücken, wie

»Papa«, »Mama«, »Dada«, »Bonbon« u. s. w. – In der That scheinen die Eingebornen hier noch ganz in den Kinderschuhen zu stecken.

Die eigentliche Rewa entsteht aus der Vereinigung des Waï-

Levu (Großen Wassers) und des Waï-Manu und seine Hauptmündung führt den Namen Waï-Ni-ki.

Nach Durchschiffung des Stromdeltas gleitet die Schaluppe an dem Dorfe Komba vorüber, das halb versteckt in einem wahren Blumenkorbe liegt. Um die Fluthwelle möglichst auszunützen, wird weder hier, noch am Dorfe Naitasiri angehalten. Uebrigens war letzteres unlängst für »tabu« erklärt worden, ein Bann, der sich auf seine Häuser, Bäume, Einwohner und über den Strand hin erstreckte, den das Wasser der Rewa benetzt. Die Eingebornen hätten niemand gestattet, hier den Fuß ans Land zu setzen. Das Tabu ist einmal eine, wenn auch nicht gerade sehr ehrwürdige, doch eine sehr verehrte Sitte – Sebastian Zorn wußte schon etwas davon – und man schenkte ihr die gebührende Beachtung.

Beim Vorüberfahren vor Naitasiri macht der Lootse die Ausflügler auf einen hohen Baum, einen Tavala, aufmerksam, der sich an einer Einbiegung des Ufers erhebt.

»Was ist’s denn so Merkwürdiges mit diesem Baume? fragt Frascolin.

– O, erklärt der Lootse, nichts anders, als daß seine Rinde von der Wurzel bis zur Gabelung durch Einschnitte gestreift ist. Diese Einschnitte bezeichnen die Anzahl menschlicher Körper, die an der Stelle selbst gekocht und aufgezehrt wurden….

– So, als ob Einer von den Kerben auf dem Theilholze des Bäckers spräche!« bemerkt Pinchinat, der ungläubig mit den Achseln zuckt.

Er hat aber Unrecht.