Die Fidschi-Inseln sind vor allem der Sitz des Cannibalismus gewesen, der den Berichten nach daselbst auch jetzt noch nicht ganz außer Gebrauch gekommen ist. Die Feinschmeckerei wird ihn unter den Stämmen des Landesinnern noch lange erhalten. Ja, die Feinschmeckerei, denn nach den Aussagen der Eingebornen hat nichts einen so köstlichen Geschmack wie das Menschenfleisch, das den des Rindfleisches weit übertreffen soll. Konnte man dem Lootsen glauben, so hat es hier einen Häuptling gegeben, Ra-Undrenudu genannt, der auf seinem Besitzthum Steine aufrichten ließ, und bei seinem Ableben belief sich deren Anzahl auf achthundertzweiundzwanzig.
»Und wissen Sie auch, was diese Steine bedeuteten?…
– Das zu errathen, ist uns unmöglich, antwortet Yvernes, selbst wenn wir unsern ganzen Musikantenscharfsinn daransetzen.
– Sie bedeuteten die Anzahl menschlicher Körper, die jener Häuptling verzehrt hatte.
– Ganz allein?…
– Gewiß, ganz allein!
– Das ist ein tüchtiger Esser gewesen!« begnügt sich Pinchinat, der sich seine Ansicht über die »windbeuteligen Fidschi-Insulaner« schon gebildet hat, einfach zu antworten.
Gegen elf Uhr ertönt auf dem rechten Ufer eine Glocke.
Zwischen Buschwerk und beschattet von Bananen und Cocospalmen wird das aus wenigen Strohhütten bestehende Dorf Naililii sichtbar. Auf die Frage der Touristen, ob sie hier nicht eine Stunde anhalten könnten, um mit dem Missionär, einem Landsmanne, einen Händedruck zu wechseln, antwortet der Lootse bejahend, und so wird das Boot an einem Baumstamme festgelegt.
Sebastian Zorn und seine Kameraden gehen ans Land, und nach kaum zwei Minuten Weges begegnen sie dem Superior der Mission.
Es ist ein Mann von etwa fünfzig Jahren mit anziehendem Gesicht und energischen Zügen. Hocherfreut, einmal Franzosen begrüßen zu können, führt er sie nach seiner Wohnung in der Mitte des Dorfes, das etwa hundert Seelen zählt. Er besteht darauf, daß seine Gäste eine landesübliche Erfrischung annehmen. Diese besteht aber nicht etwa aus dem widerlichen Kava, sondern aus einem wohlschmeckenden Getränk oder vielmehr aus einem Absud, das durch Abkochung von Cyreen, einer am Ufer der Rewa sehr häufig vorkommenden Muschelart, gewonnen war.
Dieser Missionär widmet sich, freilich unter großen Schwierigkeiten, mit Leib und Seele der katholischen Propaganda, denn er hat mit einem wesleyanischen Pastor zu kämpfen, der ihm in der Nachbarschaft sehr fühlbare Concurrenz macht. Im ganzen ist er jedoch mit den erzielten Erfolgen zufrieden, wenn er auch zugiebt, viel Mühe zu haben, seine Gläubigen von der Vorliebe für »Bukalo«, d. i.
Menschenfleisch, abzubringen.
»Und wenn Sie noch weiter ins Land hineinkommen, meine Herren, setzt er hinzu, so seien Sie klug und weise und nehmen sich hübsch in Acht!
– Da hörst Du’s, Pinchinat!« sagt Sebastian Zorn.
Kurz bevor der Mittags-Angelus vom Thurme der kleinen Kirche tönt, geht es wieder fort. Unterwegs kreuzt das Boot mehrere Piroguen mit Auslegern, deren Plattform mit Bananen beladen ist. Diese bilden die landläufige Münze, die auch der Steuererheber von den Leuten an Zahlungsstatt annimmt. Die Ufer sind überall mit Lorbeerbäumen, Akazien, Citronenbäumen und blutroth blühenden Cacteen eingerahmt.
Darüber strecken die Bananen und Cocospalmen ihre langen, mit Blüthenkolben beschwerten Aeste und Wedel hinaus, und diese grünen Massen ziehen sich bis nach den dahinter gelegnen Bergen hin, die der Steilgipfel des Mbugge-Levu überragt.
Zwischen dem dichten Gehölz erheben sich einzelne, zu der wilden Natur des Landes gar nicht passende europäische Fabriksanlagen, Zuckerfabriken, die mit den neuesten Maschinen ausgerüstet sind, und deren Erzeugnisse, sagt ein Reisender, Verschnur, »den Vergleich mit dem Zucker der Antillen und andrer Colonien nicht zu scheuen brauchen«.
Gegen ein Uhr gelangt das Boot an das Ziel seiner Fahrt auf der Rewa. Nach zwei Stunden muß die Ebbe wieder einsetzen, die man zur Rückfahrt auf dem Strome benützen will. Zurück geht es dann sehr schnell, denn die Strömung wird eine sehr lebhafte. Die Ausflügler dürfen hoffen, vor zehn Uhr abends im Steuerbordhafen wieder eingetroffen zu sein.
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