Steuerte man, wie vorher festgesetzt war, längs des zwanzigsten Breitengrades nach Westen weiter, so gelangte man nach den Tonga- und den Fidschi-Inseln. Was man an den Cooks-Inseln erlebte, war ja nicht gerade ermuthigend. Da erschien es rathsamer, die Loyalitäts-Inseln und Neucaledonien anzulaufen, wo das Juwel des Stillen Oceans gewiß mit echt französischer Höflichkeit aufgenommen wurde. Nach dem Wintersolstitium wollte man dann direct nach den Aequatorialgegenden zurückkehren.
Damit entfernte man sich freilich von den Neuen Hebriden, wohin die Schiffbrüchigen der Ketsch und ihr Kapitän übergeführt werden sollten.
Während dieser Verhandlung über eine neue Reiseroute zeigten sich die Malayen auffallend unruhig, denn wenn jene Veränderung beliebt wurde, erschien ihre Heimkehr nicht wenig erschwert. Der Kapitän Sarol konnte seine Enttäuschung, richtiger seinen Zorn darüber nicht verhehlen, und wer ihn jetzt hätte zu seinen Leuten reden hören, dem würde eine verdächtige Gereiztheit des Mannes nicht entgangen sein.
»Da wollen sie uns nun, wiederholte er häufiger, an den Loyalitäts-Inseln oder in Neucaledonien aussetzen!… Und unsre Genossen, die uns auf Erromango erwarten und aus unserm wohldurchdachten Plane, der nur für die Neuen Hebriden gilt, was wird daraus?… Soll uns dieser Glücksfall aus den Händen gehen?«
Zum Glück für die Malayen, zum Unglück für Standard-Island wurde die vorgeschlagne Aenderung des Weges nicht gutgeheißen. Die Notabeln von Milliard-City lieben es nicht, an ihren Gewohnheiten gerüttelt zu sehen. Die Reiseroute wird nach dem im voraus dafür entworfnen Programm eingehalten werden, nur entscheidet man sich, statt an den Cooks-Inseln vierzehn Tage liegen zu bleiben, mehr nordwestlich nach dem Samoa-Archipel zu gehen und von da die Gruppe der Tonga-Inseln aufzusuchen.
Beim Bekanntwerden dieses Beschlusses können die Malayen ihre Befriedigung darüber nicht verhehlen.
Am Ende konnte es nichts Natürlicheres geben, als ihre Freude, daß der Rath der Notabeln auf seine Absicht, sie nach den Neuen Hebriden heimzuführen, nicht verzichtet hatte.
Zweites Capitel
Von Insel zu Insel
Wenn sich der Horizont von Standard-Island auf der einen Seite etwas aufheiterte, seit die Beziehungen der Backbord-und der Steuerbordbewohner weniger gespannte wurden, wenn diese Besserung den für einander gehegten Gefühlen Walter Tankerdon’s und Miß Dy Coverley’s zu verdanken war, und wenn endlich der Gouverneur und der Oberintendant Ursache hatten zu glauben, daß die Zukunft nicht durch innere Streitigkeiten bedroht sein werde, so ist das Juwel des Stillen Oceans in seiner Existenz doch nicht minder gefährdet und wird einer von langer Hand vorbereiteten Katastrophe schwerlich entgehen können. Je weiter es nach Westen vordringt, desto mehr nähert es sich den Gegenden, wo seiner sichre Zerstörung wartet, und der Urheber dieses verbrecherischen Anschlags ist kein andrer als der Kapitän Sarol.
Es war nämlich kein zufälliger Umstand, der die Malayen früher nach den Sandwichinseln hinführte. Die Ketsch ankerte in Honolulu nur, um die Ankunft Standard-Islands zur Zeit seines jährlichen Besuchs hier abzuwarten. Die Absicht des Kapitäns Sarol war von Anfang an dahin gegangen, der Propeller-Insel, ohne Verdacht zu erwecken, nachzufolgen, sich und seinen Leuten hier, wo sie als Passagiere keinen Zutritt hatten, als Schiffbrüchigen Aufnahme zu verschaffen und dann jene, mit der Bitte, sie nach ihrer Heimat zu befördern, nach den Neuen Hebriden hin zu verführen.
Wie der erste Theil dieses Planes zur Ausführung kam, ist unsern Lesern bekannt. Die Collision der Ketsch war nur erfunden gewesen; vielmehr hatten die Malayen selbst ihr Fahrzeug zerstört, doch so, daß es sich bis zum Eintreffen der durch den Nothschuß herbeigerufnen Hilfe schwimmend erhalten konnte und bald versinken mußte, wenn seine Mannschaft von dem Boote aus dem Steuerbordhafen aufgenommen worden war. Wegen der Collision konnte dann kein Verdacht mehr entstehen und niemand Seeleuten, deren Schiff untergegangen war, ihre Eigenschaft als Schiffbrüchige bestreiten und ihnen vorübergehende Unterkunft verweigern.
Vielleicht würde der Gouverneur sie freilich nicht behalten wollen, da der Aufenthalt von Fremden auf Standard-Island grundsätzlich verboten war. Dann wurden sie vielleicht am nächsten Archipel ans Land gesetzt. Dieser Gefahr mußten sie sich aussetzen, der Kapitän Sarol schreckte auch davor nicht zurück. Nach der günstigen Entscheidung der Direction der Compagnie beschloß man aber, die Schiffbrüchigen der Ketsch hier zu behalten und sie nach den Neuen Hebriden überzuführen.
Das war der Verlauf der Dinge. Schon seit vier Monaten erfreuen sich der Kapitän Sarol und seine zehn Malayen auf der Propeller-Insel der unbeschränktesten Freiheit, haben jene nach allen Seiten durchstreifen, sowie alle ihre Geheimnisse ergründen können und haben das auch keineswegs zu thun versäumt. – Noch drei Monate, und Standard-Island sollte bei den Neuen Hebriden eintreffen und dort sollte eine Katastrophe herbeigeführt werden, die unter den Seeunfällen nicht ihresgleichen hatte.
Der Archipel der Neuen Hebriden ist für die Seefahrer gefährlich nicht allein wegen der darin verstreuten Klippen und seiner oft sehr starken Strömungen, sondern auch wegen der Wildheit eines Theiles seiner Bewohner. Seit Quiros ihn 1606
entdeckte und auch nachdem Bougainville 1768 und Cook 1773 ihn durchforschten, ist er der Schauplatz grausamster Metzeleien gewesen, und vielleicht ist es sein schlechter Ruf, der die Ahnungen Sebastian Zorn’s bezüglich des Ausgangs der Seereise Standard-Islands rechtfertigen sollte. Kanaken, Papuas und Malayen leben hier mit Australnegern vermengt, die alle treulos, hinterlistig und jeder Civilisation abhold sind.
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