Der Herzog drückte nicht ab, denn – jetzt wird die Geschichte lustig – das junge Weib eines der Unsrigen, eine freigegebene Eigene der Richterin, wenig älter als du –«

»Mein Gespiel Brunetta, das Kind Faustinens –«

»Gerade diese sprang dazwischen. ›Bei der durchlöcherten Seite Gottes‹, heulte sie, ›der arme Herr trägt das Wulfenhorn und ist kein anderer als der Sohn des Comes, der im Steinbild auf Malmort liegt. Seine leibliche Schwester, Herrin Palma, hat mir von ihm erzählt, von klein an und in einem fort ohne Aufhören. Du darfst nicht sterben‹, wendete sie sich an den Gebundenen, ›das wäre ihr ein großes Leid und tötete ihr das Herzchen. Denn wisse, du bist ihr Herzkäfer, wenngleich sie dich noch nie mit Augen gesehen hat. Sende hin und sie löst dich mit ihrem ganzen Geschmeide. Es sind köstliche Sachen. All ihr Kleinod hat die Richterin dem Kinde, sobald es seinen Wuchs hatte, gespendet und dahingegeben.‹

So erfuhr Herzog Witigis den Namen seines Gefangenen und die blonde Rosmunde, die er um sich hat, das Dasein eines herrlichen Schatzes. Sie umhalste den Herzog und erflehte sich das Geschmeide von Malmort. Ihr Stirnband habe seine Perlen und ihr elfenbeinerner Kamm die Hälfte seiner Zähne verloren. Kurz, Goldschmied Rachis wurde an dich geschickt und bietet dir den Tausch. Wähle: Schmuck oder Bruder!«

Ehe noch der Lombarde geendigt hatte, stürzte das Mädchen gegen die Burg, die steile Treppe hinauf, verschwand in der Pforte und kam atemlos wieder, Schimmerndes und Klingendes in dem zur Schürze gefaßten hellen Oberkleide tragend. Dieses hielt sie mit der Linken, während die Rechte Stück um Stück wie aus einem Horte emporhob und den gekrümmten Fingern des Goldschmieds überantwortete. Spangen, Stirnbänder, Gürtel, Perlschnüre verschwanden in dem Sacke, welchen Rachis geöffnet hatte, auch für die blonden Flechten Rosmundens ein kunstvoller Kamm von Elfenbein mit dem Heiland und den Aposteln in erhabener Arbeit. Jedes durch seine Hände wandernde Stück begleitete der Goldschmied mit dem Lobe des Kenners, nicht ohne ein bißchen Bosheit, die dem begeisterten Mädchen seine Verluste fühlbar machen wollte. Sie zuckte nicht einmal mit dem Mund, sie leuchtete vor Freude bei der Hingabe alles ihres Besitzes.

Da kam ihr denn doch ein Zweifel. »Du bist redlich?« sagte sie. »Du schickst mir den Bruder? Es ist besser, ich begleite dich!« und sie machte sich wegfertig.

»Unmöglich, Herrin«, widersprach der Lombarde, »das geht nicht! Du entdecktest unsere Schlupfwinkel und gefährdetest mit dem Leben des Bruders auch das deinige. Die Richterin aber würde dich von uns geraubt glauben. Sei nicht unklug und gib dich nicht in fremde Gewalt!« Er belud sich mit dem Sacke. »Ein Schlummerchen, Fräulein! und wenn du die Augen wieder öffnest, hast du den Bruder, der dich Gold und Gut kostet.

Das schwöre ich dir!« Er senkte die drei Finger mit einem grimmigen Blicke gegen den Erdboden. »Bei dem da unten!« gelobte er.

»Ein glaubhafter Schwur!« sprach eine weibliche Stimme. Rachis wendete sich erschrocken und bog das Knie vor einer behelmten Frau mit strengen Zügen, die den Speer, den sie in der Hand getragen, einem bewaffneten Knechte reichte. Die Richterin mochte aus Schonung für ihr ermüdetes Tier den steilen Burgweg zu Fuß erklommen haben. Sie faßte Palma schützend am Arm und blickte geringschätzig auf den Lombarden. »Schwürest du bei Gott und seinen Heiligen«, sagte sie, »so schwürest du falsch; eher schwörst du die Wahrheit bei dem Vater der Lügen. Habet ihr euch nicht bei allem Göttlichen verpflichtet, ihr Lombarden, nie mehr in Rätien zu rauben und zu brennen? Und jetzt da ihr, wie alles Böse, vor den Augen des Kaisers flüchtet, schleudert ihr rechts und links verheerende Flammen! Ich komme von Chur und weiß um eure Taten, Eidbrüchige! Sage du deinem Witigis, die Richterin würde ihm nachjagen und ihn züchtigen, wenn nicht ein Höherer käme und er ist schon da, dessen Hand ihn erreicht, flöhe er an die Enden der Erde!« Jetzt fielen ihre Augen auf den Sack des Goldschmieds. »Was trägst du da weg, Dieb?« fragte sie verächtlich.

»Ein ehrlicher Handel«, beteuerte dieser und öffnete den Sack, während das Mädchen die Mutter stürmisch umarmte. »Ich kaufe den Bruder!« rief sie. »Er ist in die Gewalt des Witigis geraten, der auf ihn zielt, bis ich der Frau Herzogin« – das unschuldige Kind erhob die blonde Rosmunde in den Ehestand – »meinen Schmuck gegeben habe, und wie gerne gebe ich ihn!«

Die Richterin machte sich von ihr los und fragte Rachis: »Ist das wahr?«

»Bei meinem Halse, Herrin!«

»Ich würde dir nicht glauben, wüßte ich nicht, daß der Höfling Wulfrin dem Kaiser voranreitet, und hätte ich nicht selbst eben jetzt in Chur gehört, daß die Lombarden einen Höfling gefangen haben.